Fawn saß neben einem Haufen aus Ästen, jungen Bäumen und Erde, wenn er sich nicht verschaute. Der Haufen ging ihr im Stehen sicher bis zur Brust. Auf dem Hügel lag ein Drachenkopf und als er näher herankam, konnte er sehen, dass es kein Hügel, sondern ein Ring war. Es war eine Nistkuhle und der Drache konnte über den Rand kaum gesehen werden, außer man stand fast neben dem Nest.
Ungewöhnlich intelligente Augen sahen ihn aus dem Gesicht heraus an. Blaue Schuppen wurden von beinahe schwarz an der Nasenspitze zu einem helleren Blau entlang des langen Hals. Die wenigen Bauchschuppen, die er sehen konnte, waren sogar noch heller. Zwei lange Tentakeln hingen von ihrer Nase, die Spitzen schneeweiß und wenn sich Charlie nicht irrte, dann leuchteten sie leicht.
Fawn lachte. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Dabei wolltest du meine Schöne doch so unbedingt sehen."
„Ich... ich... Drache... Was für ein... Ich habe noch nie einen solchen Drachen gesehen. Nicht einmal in Büchern. Und die sollen alle Drachenarten zeigen, die jemals auf dem Planeten gelebt hat. Auch die, die es heute nicht mehr gibt."
„Oh, du redest von Nessie? Ich hätte nie gedacht, dass es sie wirklich gibt, aber es gibt sie ja wirklich. Ein Wasserdrache. Wie cool ist das denn. Aber Wasserdrachen sind einfach toll. JA, du auch, meine Schöne." Der Drache hob den Kopf und stellte ein paar Schmuckfinnen entlang der Seiten ihres Halses auf. Fawns Lob schien sie mit Stolz zu erfüllen.
„Aber ich würde niemals sagen, dass wir alle Welt bereits kennen. Gerade in unseren Meeren und den tiefen Lochs im Norden Britanniens. Dafür wissen wir viel zu wenig über das, was in den Tiefen lebt. Und meine Schöne beweist das ja auch."
„Kann ich näher herankommen?" Fawn sah zu dem Drachen, dann wieder zu Charlie.
„Sie hat gute Laune. Du kannst es versuchen. Sei..."
„Ich weiß. Langsam und darauf vorbereitet sein, dass sie mich ablehnt. Ich arbeite jeden Tag mit Drachen, ich weiß, wie ich mit ihnen umzugehen habe." Er setzte einen Fuß vor den anderen und behielt den Drachen dabei immer im Blick. Ihre schwarzen Augen fokussierten ihn genauso. Als sie die Oberlippe hochzog und ein grollendes Geräusch hören ließ, blieb er stehen.
„Sie ist tatsächlich eine Schönheit. Lässt sie sich von dir berühren?" Charlie ließ seinen Blick über den Drachen wandern und versuchte herauszufinden, wie es um ihre Gesundheit bestellt war. Sie trug Fettpolster um ihre Mitte, war muskulös und am Ende ihres Schwanzes hatte sie wie alle Drachenarten, die für Geschwindigkeit gemacht waren, ein Paar Schwanzflossen. Sein Blick wanderte zurück zu ihrem Rücken.
„Ja. Ich habe ihr bei einer Verletzung im Herbst geholfen und sie ist im Frühjahr wieder zurückgekommen. Hat mich beim ersten Mal fast aus meinem Boot geholt, so aufgeregt war sie." Fawn lachte. Sie hob eine Hand und ließ sie über die Schuppen im Gesicht des Drachens gleiten.
Charlie starrte noch immer auf ihren Rücken und versuchte herauszufinden, was ihn so störte. Dann merkte er es. „Ihr Flügel sind zu klein." murmelte er leise, rieb sich das Kinn und besah sie sich nun genauer. „Du bist ein wahrer Wasserdrache. Du fliegst überhaupt nicht, deine Flügel haben sich nur noch nicht vollständig zurückgebildet. Deine Art wird ihre Flügel sehr bald verlieren. Ihr habt vermutlich keinen Mateing-Flug wie andere Drachen, sondern eine Art schwimmen oder so etwas."
„Ich kann dir nichts zu dem Mateing Verhalten sagen. Ich habe es nicht beobachtet. Aber bei dem Rest hast du Recht. Sie kann nicht fliegen. Sie ist ein Pfeil im Wasser, aber fliegen kann sie nicht." Fawn sah ihn an.
„Sie frisst dem entsprechend Fisch?"
Fawn nickte und der Drache hob bei dem Wort den Kopf. „Ja. Sie bevorzugt Hai, aber sie bringt alles an. Aber und an auch Vögel oder Meeressäugetiere, aber sie scheint Fisch am liebsten zu mögen. Du kannst nicht hungrig sein. Du bist gerade von der Jagd zurück und die war erfolgreich. Du bist voll und du weißt das auch. Und ich habe auch keinen Fisch hier. Da brauchst du gar nicht betteln."
„Fütterst du sie?"
„Nein." Fawn schüttelte den Kopf. „Nie. Außer sie wäre wirklich schwer verletzt. Aber solange sie selbst jagen kann, nicht. Macht ja auch keinen Sinn. Sie kann es selbst viel besser und andernfalls wird sie nur dick." Der Drache grummelte und Fawn lachte laut. „Wenn du nicht dick werden willst, dann musst du dich bewegen. Und wie besser als auf der Jagd." Der Drache schmollte.
Charlie konnte nicht anders als zu starren. Er hatte noch nie erlebt, dass ein Drache sich so verhielt. Nicht nur, dass der Drache Fawn so nah an ihr Nest heranließ, ohne irgendein Zeichen von Unruhe zu zeigen, sie verhielt sich wie ein Freund oder ein Haustier. Sie verstand jedes Wort, dass Fawn an sie richtete und reagierte wie ein Mensch. Dennoch zeigten ihre Augen, dass sie ein Tier war, kein Mensch.
„Wenn du den Mund weiter so offenstehen lässt, dann fliegen die Fliegen rein. War das alles oder brauchst du noch mehr, um dich zu vergewissern, ob es ihr gut geht?"
„Ich... kann sie aufstehen? Ich würde gerne ihre Körperproportionen klarsehen. Das ist normalerweise die beste Kontrolle. Ich will ihr wirklich keine Schuppe ziehen. Dazu weiß ich zu wenig über die Drachenart."
Fawn sah zu dem Drachen. „Na, meine Schöne. Willst du für ihn aufstehen oder bist du faul und bleibst liegen?" Der Drache legte den Kopf leicht schief und schien Charlie aus ihren schwarzen Augen zu mustern. Sie legte den Kopf auf die andere Seite und erhob sich dann in ihrem Nest aus Erde.
Die Vorderbeine auf dem Rand abstützend, sah sie von oben auf die beiden Menschen herab. Erst jetzt konnte Charlie ihre Größe klarsehen. Sie war größer, als er zunächst angenommen hatte. Es war keine Frage, dass sie zu den Alphapredatoren der Meere gehörte. Sie war größer als ein Orca und ihre Zähne und Krallen machten klar, dass sie ein Jäger war. Aber um ihren Bauch trug sie mehr Fett, als zu ihrem Körpertyp passte. Es ließ die hellsten ihrer Schuppen noch auffälliger sein.
„Du siehst sehr gesund aus. Mehr kann ich erst einmal nicht tun. Wir können gehen?"
„War das eine Frage oder eine Aussage?" Fawn stand auf und klopfte sich die Hose ab.
„An sich eine Aussage. Ich wusste nur nicht, ob du noch bleiben wolltest oder nicht."
„Oh. Du wolltest ein Gentleman sein. Sehr nett von dir. Aber ich denke, dass wir jetzt gehen sollten. Meine Schöne wird müde sein. Sie schläft nach der Jagd meistens. Wir halten sie wach. Und ich will nicht, dass sie unruhig wird. Ja, meine Schöne, wir gehen. Ich komme die Tage mal wieder und schaue nach dir. Außer natürlich, wenn er etwas dagegen hat." Der Drache rieb ihren Kopf an Fawn, die lachte und über den Kopf strich, ehe sie zu Charlie kam.
Schweigend gingen sie über die Insel zurück zu dem Boot. Charlie versuchte noch immer zu verarbeiten, was er gesehen hatte. Das es tatsächlich Menschen gab, die so einfach mit einem Drachen umgehen konnten und dass der Drache es auch noch zuließ. Er bekam kaum mit, dass sie wieder in das Boot kletterten und das es erneut Fawn war, die das Boot ruderte.
„Und? Hat sie deinen Test bestanden?"
„Was?!" Charlie schreckte hoch und brachte das Boot zum Schaukeln. Panisch griff er nach dem Rand und krallte sich daran fest.
„Du hast sie getestet. Wie sie auf Menschen reagiert. Und du sprachst die meiste Zeit von einem aggressiven Drachen, also hast du einen solchen erwartet. Aggressive Wesen werden nicht geduldet. Ich hätte zulassen müssen, dass ihr sie mitnehmt. Aber dafür musstest du sie testen. Also, hat sie deinen Test bestanden und darf bleiben?"
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Drachen tanzen nicht nur am Himmel
FanfictionDer Krieg ist vorbei und Charlie Weasley ist zurück im Drachenreservat. Das Leben geht seinen gewohnten Gang, zwischen der Arbeit mit den Drachen und den Anrufen seiner Familie, die nun nicht mehr so sehr von dem Tod eines der Zwillinge und mehr mit...