Bis wir uns wiedersehen (Oneshot)

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Als sie an diesem Abend die Bar des Sternehotels betrat, war es spät, zu spät, dafür, dass sie bereits in wenigen Stunde auf dem Weg nach Paris sein würde, doch sie konnte jetzt nicht direkt ins Bett, dafür war sie viel zu aufgeregt und das Adrenalin des Tages noch viel zu präsent in ihrer Blutbahn. Sie schaute sich in dem zu dieser Uhrzeit nur noch spärlich besuchten Etablissement um, suchte nach einem geeigneten Platz, an dem sie sich in Ruhe noch ein Glas Wein gönnen würde, oder auch zwei. Sie entschied sich schließlich für einen Hocker an der Bar, direkt an der Quelle also, und bestellte sich Rotwein, der sich Schluck für Schluck seinen Weg durch ihr Innerstes bahnte. „Zwei dumme, ein Gedanke." Sie fuhr ruckartig um, war ganz schön überrascht, als Robert plötzlich hinter ihr auftauchte. Ein unaufhaltsames Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Was machst du denn hier?" Sie unterdrückte den Impuls ihn in eine Umarmung zu ziehen, obwohl sie sich am liebsten etwas Vorrat angeschafft hätte, schließlich wusste sie nicht, wann sie das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben würde. „Das gleiche wie du, schätze ich." Er nickte einmal in die Richtung ihres Glases und ließ sich schließlich neben ihr nieder. Ohne es gewusst zu haben, war sie froh, dass sie sich nochmal über den Weg gelaufen waren. Sie hatten nicht die Gelegenheit gehabt, all dem, was hinter ihnen lag, der Vergangenheit, ein richtiges Ende zu schenken. Er war jetzt Vizekanzler, Minister, sie war Außenministerin, diese gemeinsame und intensive Zeit, als Parteivorsitzenden, würden sie kein zweites Mal erleben. Ihre politische Partnerschaft, fand mit diesem Neuanfang, diesem Gefühl von Aufbruch, ein Ende, was sie trotz all der Vorfreude auf das, was jetzt vor ihr lag, traurig stimmte. „Ich werde diese gemeinsame Zeit ganz schön vermissen." Gab sie zu und spülte ihren plötzlich aufkommenden Kummer mit einem Schluck Alkohol herunter. Er musterte sie sanft, glitt tröstend ihren Arm hinab. „Wir sind ja nicht aus der Welt. Wir werden schon noch oft genug die Möglichkeit haben, uns gegenseitig auf die Nerven zu gehen." Er entlockte ihr mit diesem aufkommenden Gedanken ein herzliches Lachen, das sich rasend schnell in ihrem Inneren ausbreitete und alles Schlechte verdrängte. „Und du machst dich morgen schon auf den Weg nach Paris?" Sie nickte stolz. „Ja, eigentlich dürfte ich gar nicht mehr hier sein. Ich war gerade eben noch kurz zu Hause, um mich von den Kindern und Daniel zu verabschieden, das schaff ich morgen früh nicht mehr. Von Paris geht es dann weiter nach Brüssel, dann nach Warschau und dann zum G7-Gipfel nach Liverpool." Er pfiff anerkennend und nahm einen großen Schluck Bier. „Da haben Sie ja ein straffes Programm vor sich, Frau Außenministerin." Der darauffolgende Blickabtausch wirbelte etwas in ihr auf, ließ sie feste nach seiner Hand greifen, die sie mit ein paar Finger umklammerte. Sie wusste nicht, ob es der Alkohol war, die Angst vor allem Neuen, doch vor ihrem inneren Auge taten sich sämtliche Momente der vergangenen drei Jahre auf, reihten sich aneinander, wie ein nicht enden wollender Film. Alles, was sie gemeinsam erlebt hatten, die Höhen, die Tiefen, die langen Nächte und ausgiebigen Diskussionen, die leeren Pizzaschachteln und diese unverfängliche Nähe, die nie in irgendetwas geendet war, als in einem irgendwann vielleicht. Er verstand sofort, was in ihr vorging, sah das Blitzen in ihren Augen, das etwas versprach, von dem er wusste, dass er sich nicht darauf einlassen sollte. Ihre Finger umklammerten weiterhin seine, so, als wollte sie verhindern, dass er flüchtete. „Komm mit, bitte." Murmelte sie aus dem Nichts, flehend, unumgänglich. Noch etwas überrumpelt beobachtete er, wie sie von ihrem Barhocker rutschte, zurück in ihren Mantel schlüpfte und sich die Tasche über die Schulter hing. Ein Bitte lag auf ihren Lippen, brannte in ihren Augen, denen er in diesem Moment einfach nicht widerstehen konnte. Er stand ebenfalls auf, warf sich seine Jacke über den Arm. Er ließ sie ein paar Schritte gehe, um ihr dann so unauffällig wie möglich zu folgen. 

Draußen war es bitterkalt, zu kalt, im Taxi zu heiß. Ihre Abgeordnetenwohnung, für die sie weiterhin einen Schlüssel besaß, lag nur wenige Fahrminuten entfernt, die sie mit Stille überbrückten. Irgendwo, tief in seiner Magengrube, wusste er, dass sie das nicht tun sollten, doch da war noch etwas, ein Gefühl, das in diesem Moment einfach stärker war. Ein Gefühl von Abschied, von allem, was war, von dieser gemeinsamen Zeit, ein Besiegeln, dass alles, was sie erlebt hatten, irgendwo in ihren Herzen einen Platz finden und nie ganz verschwinden würde. Die Treppe, in dem dreistöckigen Wohnhaus, einem geschmackvollen Altbau, knarrte unter ihren eiligen Schritten, untermalte seinen Herzschlag, der mit jedem gegangenen Schritt schneller zu schlagen schien. Mit zittrigen Händen schloss sie Tür auf, die hinter ihnen fast lautlos wieder zufiel. Er hörte sie in der Dunkelheit laut ausatmen, während sie ein paar Schritte entfernt, mit dem Rücken zu ihm stand. Er nutzte die Gelegenheit und schlich sich an, bis er direkt hinter ihr stand und ihren vertrauten Duft einatmen konnte. Langsam griff er nach ihrem Mantel, schob ihr diesen von den Schultern und warf ihn zu Boden. Sie stand weiterhin da, mit ihrem Rücken gegen seinen Oberkörper gepresst, als wartete sie auf seine nächste Aktion. Sie drehte bewusst ihren Kopf zur Seite, was einen Teil ihres schmalen Halses und ihres Nackens zum Vorschein brachte. Eine Aufforderung, wie er glaubte, und lehnte sie langsam hinab, um federleicht Küsse zu verteilen, etwas, das ihr ziemlich schnell nicht mehr genug schien. Ruckartig drehte sie sich um, suchte in seinem Blick nach etwas, das sie doch noch von dieser gemeinsamen Nacht abhalten könnte, doch da war nichts. Mit diesem Gedanken fanden ihre Lippen sich in einem ersten Kuss wieder, der vorsichtig war, sanft und auskostend. Er zog sie an sich, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände, während ihre Arme sich um seine Körpermitte schlangen. Seine Bewegungen wurden schnell intensiver, der Kuss inniger, leidenschaftlicher, dass sie bald ein erstes Mal nach Luft schnappen musste. Sie nutzte die Gelegenheit, nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter sich her, bis ins Schlafzimmer, wo eine Laterne von der Straße aus etwas Licht ins dritte Stockwerk warf. „Ich will das hier niemals vergessen." Flüsterte sie ihm leise ins Ohr und bat bewusst um eine Nacht, die sich in ihrem Kopf festbrennen würde, um Berührungen, Bewegungen, die sie nicht vergessen könnte, ihre größte Angst, vergessen, eine Nacht, von der eine vielleicht für immer reichen müsste. Seine kribbelnden Finger schoben sich unter ihr Oberteil, ertasteten ihre Kurven, ihre weiche Haut und ließen eine Gänsehaut entstehen. Gegenseitig schälten sie sich daraufhin aus ihren Klamotten, fielen gemeinsam aufs Bett. Schnell fanden seine Lippen ihren Hals, begann zu knabbern, hinterließen Abdrücke und Male, die sie in den kommenden Tagen mit einer unglaublichen Genauigkeit verstecken müsste, doch das war es wert. Sie belohnte ihn mit verbalen Seufzern, bohrenden Fingernägeln in seinem Rücken, die über seine nackte Haut glitten. „Mehr, gib mir mehr." Hauchte sie zittrig in seinen Nacken, während er seine Reise über ihren nackten Körper fortsetzte. Mehr als ausgiebig genoss er jede Kurve, jedes Stöhnen, das er ihr mit bloßen Händen, bloßen Berührungen entlocken, mit jedem Biss und jedem Saugen, als glich jeder Kuss einem auf Wiedersehen, einem bis bald, einem vergiss mich nicht. Er sog ihren Duft in sich ein, versuchte das unvergleichliche Gefühl ihrer Haut unter seinen Fingerkuppen, irgendwie in seinem Kopf zu archivieren, zu speichern. „Robert." Er erstickte ihr atemloses Flehen mit einem sinnlichen Kuss und gab ihr endlich das, was sie von Anfang an gewollt hatte, alles, alles von sich. Sie biss ihm kräftig in die Schulter, während sie einander ausgiebig liebten, hinterließ rote Striemen, Kerben auf seiner Haut, die ihn auch am nächsten Tag noch an diese Nacht mit ihr erinnern sollten. Der Schein der Straßenlaterne hüllte ihre verbundenen Körper stellenweise in etwas Licht, malte Bilder darauf, während sie sich gemeinsam durch die Laken wälzten, mit dem Kopf, den Gedanken und allen Sinnen nur in diesem Moment. „Ich...Anna..." Die zweite Hälfte ihres in der Vergangenheit so oft ausgesprochenen Namens ging unter, als er sich nach und nach verlor und sie mit sich zog.

Als sie früh am Morgen aufwacht und die Bettseite neben sich nach ihm abtastete, war das Laken kalt und er nicht mehr da. Sie hatte es gewusst, geahnt, dass er nicht mehr da sein würde. Sie war ihm nicht böse, im Gegenteil. Wahrscheinlich war es besser so, einfacher, für beide. Ein weiteres Mal glitt sie mit ihrer Hand über das zerknitterte Laken, war kurz davor ihr Gesicht in dem so nach seinem Duft riechenden Kopfkissen zu vergraben, als ihr im letzten Moment ein kleiner Zettel auffiel, mit einer einzigen handbeschriebenen Zeile, die ihr unerwartet Tränen in die Augen trieb. „Mach dich stolz. Ich bin es schon längst." 


Der erste Oneshot meiner kleinen Überraschung. Ich weiß, er hat nichts mit Weihnachten zu tun, aber das ist einer der Momente, der mir, und vielleicht auch einigen von euch, schon seit länger Zeit im Kopf herumschwirrt. Die Zeit der beiden als Parteivorsitzende ist jetzt endgültig vorbei, was ich sehr schade finde, aber ich freue mich auch, dass die beiden in ihren Minister:innenposten zeigen können, was wirklich in ihnen steckt. Ich hoffe euch hat dieses kleine Szenario gefallen, morgen wird es Weihnachtlich, versprochen! Ich freue mich auf euer Feedback. <3 

One Shots & Short Stories (Annalena Baerbock x Robert Habeck)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt