Als sie am Morgen des 24. Dezembers erwachte, fühlte sich ihr Kopf, ihr ganzer Körper viel zu schwer an, dröhnte, pochte. Nur bedingt erinnerte sie sich an die anderthalb Flaschen staubtrockenen Rotwein, die sie sich am Abend zuvor aus lauter Frust und Einsamkeit „gegönnt" hatte. Sie stöhnte bei dem Gedanken laut auf und drehte sich ein wenig schwerfällig auf die andere Seite. Wie verabredet, hatte Daniel die Kinder am Nachmittag zuvor abgeholt, um an Heiligabend nicht extra nochmal loszumüssen, dementsprechend war das Haus leer, ruhig, zu ruhig. Sie raffte sich etwas auf, strich sich die durcheinander geratenen Haare aus der Stirn. Sie konnte nicht glauben, wie sehr sie in Selbstmitleid versank. Sie war doch sonst nicht so. Sie rollte sich zurück auf den Rücken, streckte alle viere von sich, wie ein Stern, der als einziger vom Himmel gefallen war. Fehlte nur noch, dass sie sich einen Zacken abbrach. Sie schloss für einen Moment die Augen, öffnete sie wieder. „Verdammt. Schluss damit."
Nachdem sie sich irgendwann tatsächlich dazu durchgerungen hatte aus dem Bett zu kriechen, ging sie als Erstes ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, zu duschen und wickelte sich schließlich in ihren gemütlichen Bademantel, der sich auf ihrer Haut angenehm weich und warm anfühlte. Als sie schließlich unten in der Küche stand, war es zu ihrer Erleichterung bereits früher Nachmittag. Wenn die kommenden Stunden auch so schnell verfliegen würden, dann würde das vielleicht alles gar nicht so schlimm, wie gedacht. Erleichtert atmete sie auf und drückte den Knopf ihrer Kaffeemaschine, die wenig später eine perfekt gebrühte Tasse Kaffee ausspuckte, die sie sich in Ruhe auf der Couch gönnen würde, mit einer Serie vielleicht, und Kopfschmerztabletten. Als sie sich mit dem Gedanken bereits angefreundet hatte und gerade dabei war ein paar Kerzen anzuzünden, rein für das Ambiente, klingelte es unerwartet an der Tür, was sie ganz schön stutzen ließ. Wie automatisiert zog sie ihren Bademantel enger und lief barfuß den gefliesten Flur hinab. Nach der Scheidung war sie mit ihren Töchtern in ein großes Einfamilienhaus gezogen, das sich vor allem durch seine Helligkeit und das ganze Tageslicht auszeichnete, etwas, dass ihr wichtig gewesen war. Sie warf einen kurzen Blick auf den kleinen Kamerabildschirm der Gegensprechanlage, die sie viel zu selten benutzte, und rümpfte bei dem sich ihr bietenden Anblick belustigt die Nase. Sie öffnete daraufhin mit einem Schwung die Haustür und blickte ihn fragend an. „Was machst du denn hier?" Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, das ehrlich und aufrichtig war. „Ich kann doch nicht zulassen, dass du an Weihnachten ganz allein bist. Und da es mir ähnlich geht, habe ich mir gedacht, wir feiern einfach zusammen." Ihr Herz zog sich aufgrund dieser selbstlosen Geste angenehm zusammen und sie musste unaufhaltsam schmunzeln, als ihr zum ersten Mal der voll geschmückte Baum auffiel, den er klammernd in einer Hand hielt. „Na dann komm mal rein." Im Flur nahm sie ihm die volle Tüte mit Lebensmitteln ab und ging voran in die Küche. „Ich zieh mir mal schnell was an." Murmelte sie und bemerkte, wie er das erste Mal an diesem Tag seinen Blick an ihr hinab wandern ließ. „Also wegen mir nicht." Neckend boxte sie ihm gegen den Oberarm und schüttelte den Kopf. „Das hättest du wohl gern." Wenige Minuten später kam sie eingekuschelt in eine schwarze Leggings und einen Pullover zurück in die Küche und hielt für einen Moment inne. Er hatte sich bereits aus seiner Jacke und den Schuhen geschält und war gerade dabei sämtliche Lebensmittel aus der braunen Papiertüte zu räumen, was zugegebenermaßen wahnsinnig häuslich anzusehen war. „Da bist du ja wieder. Ich hab mir überlegt, wir kochen was für heute Abend, also, nur wenn du willst. Pizza finde ich an so einem Tag ehrlich gesagt etwas schäbig." Sie stützte sich mit ihren Ellbogen auf der schwarz-weiß marmorierten Arbeitsplatte ab und schaute ihn beobachtend an. „Klingt gut. Was gibt es denn?" Sie hatte bereits die Packung mit frischen Gnocchi entdeckt, sowie Blattspinat und Sahne. Allein bei dem Gedanken, was man daraus alles leckeres zaubern könnte, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. „Feldsalat mit Pinienkernen als Vorspeise, dazu ein dunkles Balsamico Dressing und Baguette. Als Hauptspeise gibt es frische Gnocchi mit Blattspinat, für dich mit Lachs, für mich ohne, in einer cremigen Sahnesoße und als Dessert Lavaküchlein mit Vanilleeis. Das habe ich übrigens beides bereits in deiner Gefriertruhe verstaut, bevor uns Kuchen und Eis wegschmelzen." Fast wäre ihr herausgerutscht, dass sie sich als Dessert anbot, rein aus Scherz natürlich, weil sie sein gekonntes Gerede über die hochwertigen Lebensmittel irgendwie anmachte, behielt es jedoch gerade noch für sich. „Das klingt köstlich. Richtiger Spitzenkoch bist du." Er grinste breit und hielt abschließend noch eine teuer aussehende Flasche Bio-Rotwein in die Luft, was ihr ein wenig die Übelkeit in den Magen trieb. „Für mich nicht, danke. Ich hatte gestern Abend schon reichlich." Mit sanftem Blick stellte er die Flasche zurück auf die Arbeitsplatte und streifte einmal ihren Oberarm entlang, so als wollte er ihr sagen, dass er sie verstand, dass sie sich für den kleinen Exzess am Vorabend nicht schämen musste. „Was ist eigentlich mit dem geschmückten Baum, den du mitgebracht hast? Der hat noch keinen geeigneten Platz." Kurz darauf verfrachteten sie den Baum gemeinsam ins Wohnzimmer, sodass man ihn sowohl von der Küche, als auch vom Esstisch aus, sehen konnte.
Vielleicht wird das ja doch noch was, mit dem gemeinsamen Weihnachtsfest. Teil zwei meiner weihnachtlichen Kurzgeschichte. Wie glaubt ihr geht es weiter? :) <3
DU LIEST GERADE
One Shots & Short Stories (Annalena Baerbock x Robert Habeck)
FanfictionIhr findet hier eine Sammlung von One Shots und Short Stories, kleine Momente, Szenarien, die ich schriftlich festhalten wollte. Einen Ort, wo man für kurze Zeit eintauchen kann, in ein Allerlei unterschiedlichster Emotionen. :) Bitte beachtet, das...