22. Die große Rede

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"Ich hoffe es stört dich nicht, dass ich jemanden mitgebracht habe. Du kennst doch noch Noel oder?", fragte ich. Jamie saß bereits am Tisch und hielt eine Speisekarte in der Hand. Noel sah mich ziemlich verwundert an. Kein Wunder, schließlich hatte er Jamie damals als Jungen kennengelernt. Es war übrigens Stevens Idee, Noel bei seinem Vortrag zu helfen. Er hatte extra seine Tante gefragt, ob wir ihr Restaurant dafür benutzen dürfen.

"Ja, du hast mir damals geholfen. Selbst wenn meine Flucht nicht gelungen ist, wollte ich dir gerne noch einmal danken", lächelte sie. Noel nickte nur und nahm direkt gegenüber von ihr Platz. "Ist eine Weile her, dass wir uns gesehen haben", meinte Noel. Er schien etwas schüchtern ihr gegenüber zu sein. "Also, ich wollte dich fragen ob du mir bei meinem Schulprojekt helfen möchtest", druckste Noel herum. Er kam sogar leicht ins Stottern. Jamie nickte nur und war einverstanden damit, dass Noel alles fragen durfte, was er wollte.

"Ja, ich soll eine Präsentation über Transgender erstellen und Danny hat mir erzählt, dass er da eine Person kennt, welche mir helfen könnte", begann Noel das Gespräch.

Jamie grinste verlegen. "In der Tat".

Noel kramte einen Notizblock mit Fragen heraus welche er sich im Vorfeld herausgesucht hatte. Gerade als er ihn öffnen und etwas vorlesen wollte, schnappte Jamie sich den Block und legte ihn zur Seite. "Was ist dir durch den Kopf gegangen als du mich nach so langer Zeit wieder gesehen hast und ich nun in Frauenklamotten vor dir sitze?", drehte sie den Spieß um.

"Nun...Ich war überrascht, aber nicht abgeneigt von dem Anblick", Noel wurde rot und kratzte sich am Hinterkopf. "Ach Wirklich? Du weißt schon, dass die hier nicht echt sind oder?", meinte Jamie. Sie schnappte sich in Windeseile Noels Hand und ließ ihn an ihren Oberkörper fassen. Jamie war schon immer sehr direkt. Da Noel dazu tendierte, nie aus der Tasche zu kommen, war dies gar nicht mal so schlecht. "Sind das Socken?", fragte er verwundert. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. "Ein BH in welchen ich Socken gestopft habe!", korrigierte Jamie ihn.

"Wohlgefühlt, habe ich mich noch nie in meinem Körper. Als dann jedoch die Pubertät kam, du weißt schon -Stimmbruch, Körperbehaarung etc.- da fing ich an, mich äußerlich verändern zu wollen. Den Trick mit dem BH, erlernte ich aus einem Forum für Jugendliche, welche im falschen Körper gefangen sind. Ja, ich kann mir meinem Penis entfernen lassen, das habe jedoch nicht ich zu entscheiden, schon gar nicht als 15-Jährige. Ich muss mehrere Gutachten über mich ergehen lassen und dann entscheidet irgendein Arzt, ob ich Frau genug bin, um mich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen, obwohl dies mein Körper ist. Meinen Dead Name, kann ich mir für ein paar tausend Euro vom Ausweis streichen lassen, doch das hat ebenfalls, jemand anders zu entscheiden. Damit hätten wir alle Fragen geklärt, oder?", erzählte Jamie und blickte auf den Notizblock. "Ja, alle Fragen beantwortet", lächelte sie.

Noel ließ seinen Kugelschreiber fallen, mit welchem er eigentlich vorhatte, mir zu schreiben. "Deshalb wolltest du nach Kanada gehen, richtig?", schloss folgerte er daraus. Jamie nickte und klopfte ihm auf die Schulter. "Bist doch nicht so blöd, wie ich immer gedacht hatte", kicherte sie.

Noel schnaufte. "Sonst noch irgendwelche Fragen?", sagte Jamie.

"Pizza oder Pasta, was willst du bestellen?", lautete seine nächste Frage. Jamie's Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. "Pizza!", verkündete sie ihre Antwort. "Gute Wahl! Wenn ich errate, was deine Lieblingssorte ist, bekomme ich dann...deine Nummer?", schlug Noel vor. Das er mal den nächsten Schritt wagt, hätte ich niemals erwartet. Jamie nickte nur verlegen. "Es ist, Thunfisch!", riet Noel. Jamie schüttelte den Kopf und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

"Das muss dir doch nicht peinlich sein, Pizza Hawaii mag doch jeder heimlich gerne oder?", munterte er sie auf. "Ich mag sie eigentlich auch", flüsterte er ihr zu.

Feel the Summer Rain Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt