5. Der Jahrmarkt (1)

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"So so, du bist also Danny. Interessant. Als ich gehört habe, dass ihr noch ein Kind aufgenommen habt, dachte ich. es wäre ein jüngeres", begutachtete mich Steven's Tante, als sie mich zum allerersten Mal sah. Sie war eine Frau inmitten ihrer Dreißiger. Sie trug relativ jugendliche Klamotten. Als ich sie so sprechen hörte, wusste ich, dass sie höchstwahrscheinlich die alleinstehende Tante ohne Kinder war, welche ihre Nichten und Neffen gerne in den Ferien betreute, aber niemals eigene Kinder haben wollen würde.

"Tut mir leid, dass ich es dir nicht gleich gesagt habe, aber Danny ist tatsächlich so alt wie Steven. Und außerdem sind die beiden zusammen", erklärte Tony seiner jüngeren Schwester. Sie blickte mich und Steven daraufhin ein wenig verwirrt an. "Also, nicht das du jetzt was Falsches denkst. Die Beiden sind schon zusammen gewesen, bevor wir Danny dazu geholt haben", befreite er uns schließlich aus dieser misslichen Lage.

"Aha. Aber macht euch keine Sorgen. Solange in euren Adern nicht das gleiche Blut fließt, ist alles noch legal", wollte sie uns wahrscheinlich aufheitern, doch es hörte sich trotzdem sehr seltsam an. Eine Adoption war nur notwendig, damit Steven's Eltern das Sorgerecht für mich bekamen.

"Ja das klingt logisch, könnten wir bitte das Thema wechseln", verlangte Steven, da ihn dieses Gespräch anscheinend ebenfalls unwohl fühlen ließ.

"Also, ihr könnt gerne schon mal ins Auto steigen. Wenn wir zu spät losfahren, bekommen wir nachher keinen Parkplatz mehr", kaum dass sie ihren Satz beendet hatte, stürmten Steven und ich zum Auto und setzten uns auf die Rücksitze. 'Gott, war das unangenehm!' Tony wollte uns sicher nur vor einer unangenehmen Situation bewahren, hatte aber dadurch gleich eine neue geschaffen.

Kurz nachdem ich Platz genommen hatte, stiegen auch Stevie und seine Tante nacheinander dazu. "Sorry, eigentlich wollte ich euch fahren, aber ich bin einfach zu neugierig", brannte sie förmlich danach, neue Informationen zu bekommen. "Du kennst mich noch gar nicht richtig. Ich bin, wie du sicher schon gehört hast Steven's Tante, aber du kannst mich ruhig Lucía nennen. Wie lange seid ihr Beiden denn schon zusammen? Wie habt ihr euch kennengelernt?", durchlöcherte sie uns gleich mit tausend Fragen. Sie schien voller Energie und Temperament zu stecken.

"Also, ich habe Steven damals in der Grundschule kennengelernt. So richtig zusammen sind wir aber erst seit zwei Monaten", erklärte ich es so kurz und knapp wie möglich. Das ganze Drama was vorher zwischen uns war, wollte ich gar nicht erwähnen. Letztendlich zählte nur das hier und jetzt. "Awww wie süß. So eine waschechte Kindheitsliebe gibt es wirklich selten heutzutage", schwärmte sie. Naja, wäre die Geschichte unserer Beziehung eines von diesen Liebesromanen, dann würde es sicher 200 Seiten lang darum gehen, wie wir uns streiten, dann wieder näher kommen, einander dann wieder wegstoßen würden und immer so weiter.

"Keine Sorge, so einfach war es nicht", meinte Steven und grinste mich dabei kurz an. Irgendwie niedlich wie er dachte, sie würde aufhören uns Fragen zu stellen, wenn er sie nur noch neugieriger machte. Die ganze Fahrt über, stillten wir also die brennende Neugierde von Lucia. Es war nicht so, dass ich sie aufdringlich fand, es lag vielmehr daran, dass Steven und ich einfach noch nicht so wirklich bereit waren, mit anderen über unsere Vergangenheit zu sprechen. Also wichen wir den meisten unangenehmen Fragen aus.

Die Einzigen, die wussten, was zwischen uns passiert war, waren Steven' s Eltern und irgendwie auch Samantha. Als wir schließlich ankamen, stiegen wir aus und betrachteten erstaunt den wunderschön hergerichteten Festplatz. An jeder Ecke roch es nach frischem Popcorn oder gebrannten Mandeln. Alles war in blauen und roten Tönen, passend zum Feiertag, dekoriert. Im Hintergrund hörte man fröhliche Kinder, welche schon zu früher Stunde über den Platz tobten.

Es waren so viele interessante Fahrgeschäfte und Stände aufgebaut, dass ich gar nicht wusste, wo wir zuerst hingegen sollten.

Da nun sehr viele Reize auf Steven einwirkten, versteckte er sich zunächst hinter meinem Rücken und griff aus Reflex nach meiner Hand. Seine Hand zuckte immer leicht bei Reizüberflutungen. Ich stellte mich schützend vor ihn und hakte seine Hand in meine ein, um ihm zu signalisieren, dass ich für ihn da war.
Als ich dann ein sanftes Herzklopfen in seiner Brust spürte, wusste ich nicht ob dies der Aufregung wegen war oder wegen mir.

Feel the Summer Rain Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt