Der heutige Tag verläuft quälend langsam.
Irgendein schwacher Funken in mir bringt mich dazu, mein letztes bisschen Kraft für die Kameras noch zu behalten, doch trotzdem habe ich das Gefühl, ich bekomme es kaum mit, wie ich durch den Dschungel wandere.
Das Metall des Dreizacks in meiner Hand scheint durch die Hitze förmlich zu brennen, doch nicht nur das führt dazu, dass ich ihn mehrmals am liebsten einfach davon schleudern würde.
Immer wieder taucht die Szene vor meinen Augen auf, in der Coopers Schwert Willows Körper durchbohrt. In der ich für einen bloßen Moment kurz einfach nur dort sitze, unfähig, auch nur irgendetwas zu tun und dann den Karriero in einem Rausch aus Wut und Trauer völlig überraschend angreife.
Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich daran denke, wie das für die Zuschauer wohl ausgelesen hat, als ich wutentbrannt auf den Zweier eingeschlagen habe, bis er sogar bewusstlos geworden ist.
Ich, Librae Olgivy!
Als ich im Laufe des Tages schließlich an unserem alten Nachtlager ankomme, ist Cooper zum Glück verschwunden. Nicht irgendetwas weist daraufhin, dass zwischen den sonnenbeschienenen Gräsern und Bäumen vor wenigen Stunden noch so ein schrecklicher Kampf stattgefunden hat.
Wo Cooper jetzt wohl ist? Wie lange hat es gedauert, bis er wieder zu Bewusstsein gefunden hat? Ist er zu den Karrieros zurückgekehrt? Die vielen Gedanken schwirren in meinem Kopf umher und ich spüre, wie schmerzende Druckwellen durch meine Stirn flammen.
Schnell tragen mich meine Arme und Beine den hohen Baum hinauf, auf dem zum Glück noch unser Rucksack liegt, unversehrt und gut versteckt zwischen dichten Ästen. Seufzend schwinge ich mir die Tasche über die Schultern und sofort macht sich ihr Gewicht auf meinen schmerzenden Schultern bemerkbar.
Mein Körper hat in den letzten Stunden kaum Schlaf gefunden, dadurch, dass Cooper Willow mitten in der Nacht angegriffen hat. Ob er mich überhaupt gesehen hat, als ich in der Dunkelheit auf ihn zugerannt bin und ihn angegriffen habe? Ich habe es ja selbst kaum bemerkt.
Doch so oder so - er hat sein Ziel erreicht. Willow ist tot.
Sobald der Gedanke wieder völlig ausgesprochen ist, zieht sich erneut alles in mir zusammen. Vor meinen Augen tauchen schleierhafte Bilder davon auf, wie Cooper mich für meine Aktion bezahlen lässt, genau wie er es bei Willow getan hat.
Es fällt mir nur wenig schwer, unser altes Versteck schließlich wieder zu verlassen, zu schmerzlich sind die Erinnerungen an das Geschehene.
Doch trotzdem, die ersten paar Minuten, die ich fortgehe, sind seltsam. Die Trauer hat mich immer noch stark gepackt und es fühlt sich so seltsam an, einfach alleine weiterzugehen - das erste Mal seit Tagen.
Doch ich muss wieder zu Kräften kommen. Ich darf nicht aufgeben. Für meine Geschwister. Egal, was geschieht, am Ende zählen nur ihre Leben. Und ich bin dafür verantwortlich.
Ich straffe meine Schultern und versuche das letzte bisschen Haltung zu bewahren, die mir die sieben Tage Arena noch übrig lassen. So wachsam wie möglich richte ich meinen Blick nach vorne anstatt hinab auf den Boden.
Was die Sponsoren wohl jetzt über mich denken? Ich habe mich schon beinahe zu einem zornigen Karriero verwandelt, als ich Cooper angegriffen habe und doch bin ich vor Tränen beinahe zusammengebrochen, als Willow in meinen Armen gestorben ist.
Ist mir überhaupt noch irgendeine Unterstützung zuteil? Habe ich mein Sponsorengeschenk vor ein paar Tagen womöglich nur bekommen, weil ich mit Willow verbündet und so in einer relativ guten Lage war? Wer bin ich allein? Habe ich überhaupt noch eine Chance? Was wird geschehen, wenn ich mich gegen die Karrieros behaupten muss?
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Tribute von Panem | Flüsternder Ozean
Fanfiction»Das ist der einzige Vorteil, den ich habe. Das Wasser.« Was tust du, wenn du für die Hungerspiele ausgewählt wirst und von nun an das Schicksal deiner gesamten Familie allein von dir abhängt? Das Glück verlässt Librae Olgivy, eine Waise aus Distri...