29 | Wellenkinder

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Mein schriller Schrei durchdringt die Stille des Dschungels. Unfähig, zu begreifen, was soeben passiert ist, lasse ich meinen Dreizack zu Boden fallen und stürze auf Sky zu. Zitternd lasse ich mich vor ihr auf die Knie sinken und blicke bloß entsetzt auf sie hinab. Wie in Trance gleitet meine Hand zu ihrer Wange - sie ist eiskalt.

„Nein, nein Sky..." wispere ich, während die ersten Tränen drohen, mich zu überwältigen. Doch plötzlich öffnet meine Verbündete ganz langsam wieder die Augen. Ich atme erleichtert auf, doch ein Blick zurück auf die tiefe Wunde, die ihr die Raubkatze zugefügt hat, scheint ein Fischernetz um meine Kehle zu schnüren. Ich will die Augen verschließen vor der Tatsache, die mir schlagartig klar wird.

„Du kannst nichts mehr tun. Es ist zu spät."

Skys Stimme ist bloß noch ein Flüstern, so leise wie das Rauschen eines fernen Windes. Ich spüre den salzigen Geschmack von Tränen auf meinen Lippen, als auch ihre Augen feucht zu glitzern beginnen.

Ich werde sie verlieren, genau wie Willow.

Erneut ertönt Skys Stimme. „Librae, ich glaube, du kannst es schaffen, nach Hause zu kommen." Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals und nimmt mir jede Möglichkeit, auch nur ein Wort herauszubringen.

Die Zeit, die ich gemeinsam mit Sky verbracht habe, scheint schon unendlich lang zu gehen. Und doch waren es in Wirklichkeit nur ein paar Tage, gefangen in einem Spiel des Kapitols. Wie gerne hätte ich Sky zuhause kennengelernt, in Distrikt vier, und mit ihr jede freie Minute verbracht. Doch es sind nun mal die Hungerspiele, die unsere Schicksale zusammengeführt haben und jetzt auch für immer trennen werden.

Verzweifelt suche ich nach Worten, an denen sich Sky festklammern kann, doch meine Kehle scheint ausgetrocknet. Es gibt nichts, absolut gar nichts, mit dem ich sie aufheitern kann. Außer falsche Worte. Doch Sky mag diese genau so wenig, wie ich es tue.

„Es ist wirklich schade, dass uns unsere Schicksale nur durch ... die Hungerspiele zusammengeführt haben." wispert Sky kaum hörbar. Ein wehmütiges Lächeln umspielt mit einem Mal meine Lippen, obwohl Tränen meine Wangen hinablaufen. Wieder einmal und auch ein letztes Mal zeigt sich, wie ähnlich Sky und ich uns sind.

Und genau so wie bei mir, warten in ihrem Zuhause Geschwister auf sie. Geschwister, deren Hände Sky ihr ganzes Leben lang gehalten hat, bis das Glück sie für die Hungerspiele und nun für den Tod ausgewählt hat.

„Wenn...", bringe ich mit ersticktes Stimme hervor. „Wenn ich es tatsächlich schaffen sollte, zu gewinnen, dann werde ich alles daran setzen, dass deine Geschwister ein gutes Leben haben werden. Das verspreche ich dir."

Jetzt laufen auch Sky endgültig die Tränen über die Wangen. Ihr flacher Atem wird von heftigen Schluchzern durchzogen. Ohne zu zögern nehme ich ihre Hand und drücke sie fest.

Und es ist die letzte menschliche Geste, die sie je zur Gesicht bekommen wird. Langsam, aber sicher fallen ihre Augen zu und sie macht einen letzten flachen Atemzug.

Als die Kanone ertönt, verschwimmt die Welt vor meinen Augen. Es ist schon wieder passiert. Schon wieder ist ein Tribut, ein Mädchen, eine Verbündete, eine Freundin für das verrückte Spiel des Kapitols gestorben.

Der Schmerz über Skys Verlust packt mich von allen Seiten, doch zum ersten Mal wehre ich mich mit aller Kraft dagegen. Ich blicke hinab zu meiner toten Verbündeten, dessen eiskalte Finger immer noch in den meinen liegen. Alles in mir will den Schmerz, die Wut, die Trauer laut aus mir herausschreien, doch dann denke ich zurück an Sky. Wäre es das, was sie für mich gewollt hätte? Dass ich erneut zusammenbreche, begraben unter all den Schmerzen, die mir das Kapitol zugefügt hätte?

Tribute von Panem | Flüsternder OzeanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt