Obwohl er eine riesige Wasserquelle ist, haben Sky und ich uns gestern ziemlich schnell von dem See entfernt. Nachdem ein Hovercraft die tote Liliana abgeholt hat, sind wir bloß noch einmal zurückgekehrt, um unsere einzige Flasche aufzufüllen.
Unser neues Nachtlager liegt nun aber trotzdem etwa einen Kilometer vom See und dem abgebrannten Dschungel dahinter entfernt. Hier ist die Gegend weniger dicht bewachsen, weshalb ich gestern Abend noch ein Netz aus Lianen geflochten habe, das uns zumindest etwas vor den letzten Rauchspuren und fremden Blicken schützen konnte.
Gerade durchdringen die ersten Sonnenstrahlen das dichte Blätterdach, das uns umringt. Das Feuer ist zwar inzwischen erloschen, allerdings steigen noch immer dicke Rauchwolken aus dem hinteren Teil des Dschungels auf. Ich sehe, dass auch Sky, die sich zum schlafen an einen Baumstumpf gelehnt hat, allmählich die Augen aufmacht.
Als sie mich entdeckt, nickt sie mir zu, ein kurzer Dank dafür, dass ich in den letzten paar Stunden Wache gehalten und sie schlafen lassen habe. Mir hat es ehrlich gesagt auch wenig ausgemacht - an Schlafen konnte ich letzte Nacht sowieso kaum denken. Noch zu schmerzhaft sind die Gedanken an Liliana, noch zu real das Gefühl ihres toten Körpers in meinen Armen.
Zum Glück kann mich die Produktivität, die Sky auch an diesem Morgen packt, ein wenig wieder auf andere Gedanken bringen. Ein paar Minuten lauschen wir nur dem Zwitschern der Vögel, während wir uns ein paar Schlucke aus unserer Wasserflasche und schließlich auch die letzten Kräcker untereinander aufteilen.
Nach dem kargen Frühstück habe ich noch immer Hunger. Doch wir haben keine Vorräte mehr - also schnappe mir anschließend meinen Dreizack und trete aus unserem Versteck hinaus.
Sky folgt, die Schlaufe des Rucksack über die eine und ihren Bogen über die andere Schulter geschwungen. Sie blickt für einen Moment lang prüfend durch die schmalen Bäume hindurch, die diesen Teil des Dschungels bilden.
Wie schon an den letzten Tagen warte ich darauf, dass sie entscheidet, welchen Weg wir einschlagen werden. Ich habe mich schnell damit abgefunden, dass sie einen viel besseren Orientierungssinn zu haben scheint.
„Ich denke, heute müssen wir auf jeden Fall..."
Skys Stimme verstummt, denn auf einmal ertönt ein lauter, metallener Gong. Ich erschrecke, als ich die hallende Stimme des Moderators der Hungerspiele, Claudius Templesmith, mit einem Mal direkt hier in der Arena ausmache.
„Liebe Tribute! Das Kapitol gratuliert euch, dass ihr es unter die letzen sechs geschafft habt. Eine große Leistung! Als Belohnung für euren großen Mut und den Kampfgeist, den ein jeder von euch uns nur zu gut bewiesen hat, wird das Kapitol euch heute seine Dankbarkeit zugute kommen lassen. Jedem von euch wird ein Geschenk überreicht werden - vorausgesetzt, ihr nehmt es an! Wir haben festgestellt, dass in diesem Moment jeder von euch etwas hat, was er oder sie sehr dringend benötigt. Das Kapitol war also mal wieder großzügig und hat daher für jeden von euch etwas am Füllhorn platziert. Mein ganz persönlicher Rat: Nehmt das Geschenk an, andernfalls wird es euch sicherlich sehr schwer fallen, weiterzukommen. In diesem Sinne: Fröhliche Hungerspiele! Und möge das Glück stets mit euch sein!"
So schnell wie sie kam, ist die Ansage auch schon wieder verstummt. Ein paar Sekunden starre ich bloß an den strahlend blauen Himmel, unfähig, zu begreifen, was ich da gerade gehört habe. Doch langsam wird mir klar, worauf das Kapitol hinauswill.
Ein Festmahl.
Beinahe jedes Jahr wird eins veranstaltet, meistens, damit sich die Zahl der Tribute auf zwei oder drei reduziert, damit sie ein gutes Finale haben können. Die unterschiedlichsten Geschenke werden jedem Tribut zuteil - doch dies ist eine Masche des Kapitols. Alle Tribute werden auf einen Haufen getrieben, damit ein Gemetzel entsteht. Manche haben auch die Geschenke anderer gestohlen, um selbst mehr zu besitzen und ihren Gegnern den meist überlebenswichtigen Inhalt zu entreißen.
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Tribute von Panem | Flüsternder Ozean
Fanfiction»Das ist der einzige Vorteil, den ich habe. Das Wasser.« Was tust du, wenn du für die Hungerspiele ausgewählt wirst und von nun an das Schicksal deiner gesamten Familie allein von dir abhängt? Das Glück verlässt Librae Olgivy, eine Waise aus Distri...