26 | Flammen

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Ich schwitze. Der Dreizack in meiner Hand scheint wie Feuer zu brennen und doch wickle ich meine Finger nur noch fester um das heiße Metall. Der Dreck von mittlerweile elf Tagen Arena hat sich um mich gelegt wie ein Fischernetz.

Sky und ich sind bereits seit einigen Stunden auf den Beinen und beinahe schon genau so lang auf der Suche nach Wasser. In den vergangenen Tagen ist beinahe nichts in der Arena geschehen - drei Nächte lang wurde kein einzigen Gesicht am Himmel gezeigt. Und doch sind wir noch immer sieben Tribute. Sieben Tribute, die allesamt so überlebensfähig sind, dass keiner von ihnen in den vergangenen Tagen an einer natürlichen Ursache gestorben ist. Ungewöhnlich für die Hungerspiele.

Die Karrieros haben wir seit der Sache mit Willow ebenfalls nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das liegt wohl daran, dass Sky und ich ein Lager an der anderen Seite der Arena aufgeschlagen haben, die ich zuvor noch garnicht betreten hatte.

Freundlicherweise hat sich meine Verbündete an diesem Morgen bereiterklärt, den Rucksack zu tragen. Zwar ist von den Vorräten beinahe nichts mehr drin, doch die ständige Belastung seit Tagen, hat sich gestern Abend bei mir an enormen Schulterschmerzen bemerkbar gemacht.

Die Anzahl der Sponsorengeschenke - zumindest bei Sky und mir - hat ebenfalls in den letzten Tagen abgenommen. Den Zuschauern wird wohl auf Dauer langweilig, wenn in der Arena nichts spannendes geschieht. Wofür sollten sie auch ihr Geld ausgeben, wenn es keinen Tribut gibt, bei dem sie richtig mitfiebern können?

Ich schüttele meinen Kopf, um diese grässlichen Gedanken zu verdrängen.

Obwohl sie noch immer aufmerksam nach Anzeichen eines Sees Ausschau hält, scheint auch Sky über die ungewöhnliche Ruhe der Spielmacher nachzudenken. Was auch immer das heißen mag, es bedeutet auf Dauer nichts gutes.

Als die Sonne ihren Zenit erreicht hat, beginne ich, wie schon so oft in den letzten Tagen, ein Gespräch mit Sky. Irgendwie habe ich zu ihr schneller Anschluss gefunden als zu Willow und daher fällt es weder ihr noch mir schwer, etwas über unsere Leben und Heimatdistrikte zu erzählen.

Ich erfahre, dass die Zustände in Elf noch um einiges schlimmer sind, als ich es mir vorgestellt habe. Zwar herrscht in Vier auch Armut und Hunger, jedoch scheint das nichts gegen das, was Sky von ihrem Zuhause erzählt.

Ich lerne, dass ihre Eltern getötet wurden, weil sie eine geheime Rebellenorganisation gegründet hatten. Seitdem lebt Sky mit ihren jungen Geschwistern im Waisenhaus und laut ihren Erzählungen ist das kein schöner Ort.

Daher bewundere ich es mit der Zeit umso mehr, wie stark sie trotzdem weiterkämpft, um wieder nach Hause zu kommen. Doch trotzdem - auch ihr haben die elf Tage Arena mittlerweile zugesetzt. Ich beobachte sie aus dem Augenwinkel, während sie neben mir durch den Dschungel stapft und etwas über traditionelle Kunst in Distrikt elf erzählt. Ihre Augen sind müde geworden und leuchten längst nicht mehr so wachsam, wie noch vor ein paar Tagen.

Ich wende mich wieder ab und höre ihre Stimme, das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Blätter im Wind.

Es erinnert mich an einen der Hochsommertage zuhause, wenn Nale, Atala und ich mit anderen Jugendlichen nach der Schule in einer einsamen Bucht am Strand sitzen und das bunte Stimmengewirr beinahe schon in der Luft zu schweben scheint.

Instinktiv blicke ich an den Himmel. Mittlerweile haben dunkle Wolken ihn verfinstert, doch an der enormen Temperatur in der Arena ändert das garnichts. Im Gegenteil - es scheint beinahe, dass die dunklen Wolken die Hitze nur noch steigen lassen.

Ich spüre, wie mein Hemd an meinem Körper klebt, die Jacke habe ich mir längst umgebunden. Es scheint mit einem Mal beinahe ein unheilvolles Knistern in der Luft zu liegen, welches selbst das Zwitschern der munteren Vögel verstummen lässt.

Tribute von Panem | Flüsternder OzeanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt