"Schlaf schön, mein kleiner Held." Das war das Letzte, was mein Bruder Neo zu mir gesagt hat, bevor er vor sieben Jahren verschwunden ist. Ich werde sein breites Lächeln nie vergessen. Alle haben schon mit ihm abgeschlossen, so, als hätte er nie existiert. Sogar meine Eltern haben aufgegeben, nach ihm zu suchen, nur ich nicht. Er ist noch irgendwo da draußen, ich weiß das, und ich werde niemals aufgeben, nach ihm zu suchen. Aber jetzt weg von meinem Bruder. Kommen wir erstmal zu mir. Ich meine, es geht hier ja um mich. Ich bin Zero Edwards, 17 Jahre alt und komme aus Brooklyn. Ich bin halb Amerikaner und halb Japaner. Ich wohne mein ganzes Leben schon in Brooklyn, und ich werde auch mein ganzes Leben hier bleiben, dachte ich zumindest. Ich ziehe bald mit meinen Eltern nach Berlin, eine Stadt in Deutschland. Ich war noch nie in Deutschland und will es eigentlich auch nicht, aber ich kann meine Eltern nicht umstimmen. Sie haben zu viele schlechte Erinnerungen an Brooklyn und New York allgemein. Aber ich nicht, abgesehen von der Sache mit Neo.
Ich gehe hier zur Uni mit meinen besten Freunden Kyle und Tora. Ich kann sie nicht einfach verlassen. Wo wir gerade dabei sind, ich habe ihnen noch gar nicht erzählt, dass wir umziehen. Ich denke, ich sollte das mal machen. Na gut, genug von mir und allem anderen, fangen wir jetzt endlich mit der Geschichte an. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen "Bitch I'm Gay". Das hat keinen bestimmten Grund, außer den, dass ich mich bei den beiden neulich erst als schwul geoutet habe. Sie stehen hinter mir und probieren auch die ganze Zeit, einen Freund für mich zu finden. Ich bin leider sehr spezifisch, nicht mal bei Dating-Seiten finde ich meinen Traummann, aber ich kann damit leben. Ein Single zu sein ist super.
"Heyyy Leute, Bock, sich heute im Brooklyn Bridge Park zu treffen?", schrieb ich. Ohne lange zu warten, antwortete Tora: "Klar, um 14 Uhr, so wie immer?" "Jap, bringst du auch Nele wieder mit?", antwortete ich. Nele war Toras Hund. Ich mag es immer, mit ihr zu spielen, wenn wir im Park sind. Da kann sie ihre Verrücktheit vollkommen auslassen. Kurze Zeit später antwortete Kyle auch: "Ich bin auch dabei, aber ich komme erst um halb 3. Mein Vater schiebt schon wieder bisschen Welle." Kyle seine Familie ist sehr streng und reich. Sie wollen, dass Kyle der perfekte Sohn wird. Sein Vater ist Chef einer eigenen Firma, und seine Mutter ist Model.
"Alles gut, passt. Ich möchte euch auf jeden Fall etwas Wichtiges sagen", schrieb ich. "Uhhh, hat da jemand etwa endlich einen Freund?" "Woop Woop", schrieben Kyle und Tora. "Wer weiß ;)", antwortete ich, und wir beendeten das Schreiben.
Ich machte mich auf den Weg zum Brooklyn Bridge Park. Als ich ankam, war Tora schon da, und Nele rannte auf mich zu. Ich habe direkt angefangen, mit ihr zu spielen. Tora und ich haben ein bisschen normal geredet, da wir uns seit 2 Wochen nicht mehr gesehen haben. Natürlich habe ich währenddessen mit Nele gespielt. Nach knapp einer Stunde kam Kyle auch mal an. "Wie immer zu spät, du Opf", sagte Tora, worauf Kyle mit einem Schmunzeln antwortete: "Halt die Fresse, du bist nicht gerade besser." "Ich war wenigstens heute pünktlich, und außerdem kamst du noch später, als du es eigentlich gesagt hast", widersprach Tora. "Ach, lass mich doch in Ruhe", sagte Kyle, und wir lachten.
"Also Zero, was ist deine wichtige Mitteilung?", fragte Tora. Ich habe Angst. Ich weiß nicht, wie sie reagieren werden, vor allem, weil Deutschland auch so weit weg ist von den USA. Wir können uns gar nicht mehr so oft sehen, und wenn dann bestimmt nur zu Ferienzeiten. Egal, ich muss es ihnen sagen. "Nun ja, es gibt da etwas, was ich lange für mich behalten habe, da ich nicht wusste, wie ihr reagieren würdet." "Jetzt sag schon, was los ist", antwortete Kyle. "Meine Familie und ich ziehen in ein paar Tagen um, aber nicht einfach in ein anderes Haus hier in Brooklyn oder in einen anderen Stadtteil in New York, nein. Wir ziehen in ein anderes Land, um genau zu sein nach Deutschland."
Für lange Zeit war nur Stille. Niemand sagte etwas. Niemand traute sich etwas zu sagen. "I-Ich weiß nicht... Seit wann wusstest du davon?" fragte Tora mit zittriger Stimme. "Schon seit einem halben Jahr", antwortete ich leise. Tora fing an zu weinen, nahm Nele an die Leine, und ohne etwas zu sagen, verschwand sie. "Wieso hast du nicht früher etwas gesagt, dann hätten wir uns darauf einstellen können?", fragte Kyle. Ich antwortete nicht und starrte einfach nur auf den Boden, und ehe ich mich versah, war auch Kyle plötzlich weg, und ich stand allein da. Aber was habe ich auch anderes erwartet? Auf jeden Fall nicht, dass sie sich freuen. Jetzt ist es so. Ich sollte mich wieder auf den Weg nach Hause machen. Ich schrieb immer mal wieder etwas in die Gruppe: "Hey", "Es tut mir leid", "Alles gut?" Alle aber nur auf "Gelesen", ohne Antworten.
Als ich zu Hause ankam, stand der Umzugswagen, den mein Vater ausgeliehen hat, vor der Tür. Es ist also soweit. Meine Eltern haben schon einige Kartons in den Wagen gebracht. Ich habe mein Zimmer noch nicht einmal aufgeräumt, und das Zimmer von Neo war auch noch nicht leer. Ich habe gesagt, dass ich das übernehme. Wir waren seit dem Vorfall damals nicht mehr in seinem Zimmer. Ich öffnete mit zitternder Hand die Tür zum Zimmer. Alles war voller Staub, Spinnennetzen, Schimmel und anderem Zeug. Ich zog eine Maske und Handschuhe an. Ohne kann man es drinnen nicht aushalten. Ich fing mit seinem Schreibtisch an. Sein Laptop stand offen da, alte Schulmaterialien von ihm auch und ein komisches Buch mit der Aufschrift "The Twisted World". Es war mit einem Schloss zugemacht, aber kein Schlüssel in der Nähe. Es sah alt aus, und die Seiten waren an einigen Stellen zerrissen. Ob es irgendetwas mit Neos Verschwinden zu tun hat? Mhm, darüber denke ich später nach. Erstmal räume ich jetzt weiter aus.
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Twisted World
FantasíaDer 17-jährige Zero und seine Familie zieht um, beim Ausräumen der alten Wohnung findet Zero im Zimmer seines seit 7 Jahren verschollenen Bruder Neo ein verschlossenes Buch, mit der Aufschrift „The Twisted World" er zeigte das Buch seinen besten Fre...