Kapitel 19

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Lorana's Sicht

Mitten in der Nacht schreckte ich von den lauten Klang der Hörner auf. Ransia stürmte in unser Zimmer und rief in voller Panik: „Der König ist tot!"

Sofort schreckten Talua und ich auf. Immer wenn ein König aus dem nichts verstarb, herrschte das blanke Chaos. Die Thronfolge war nicht vorbereitet – manchmal gab es Streitigkeiten, wenn das Erbe nicht vorher bekannt gegeben wurde. Zudem war das Land in so einem Moment am verwundbarsten. Talua zitterte vor Aufregung. Kein Wunder, ihr Liebhaber Bard der II. wäre rechtmäßiger Thronfolger und würde von heute auf Morgen über Thal und deren Ländereien herrschen. War er wirklich schon soweit?

Meine Freundin konnte sich auch nicht sicher sein, was aus deren Liebe wird. Würde er sich über alle Gepflogenheiten hinwegsetzen und eine Bürgerliche heiraten?

Ich drückte beiden die Daumen, dass sie eine gemeinsame Zukunft Hand in Hand beschreiten würden.

Eomer würde auch König werden, wenn Theoden verstarb. Doch er wäre nicht unbedingt unvorbereitet. Als Hauptmann konnte er viel vom König lernen. Er wäre ein guter König, doch wen würde er zu seiner Königin machen? Bisher wusste ich nichts über meine Abstammung und nun, da der König verstarb, wird es einige Tage dauern, bis ich mir Zutritt zu den Schriften erbeten würde. Zumindest wusste Bard von meinem Anliegen und er versprach mir zu helfen. An dieses Versprechen werde ich ihn zu gegebener Zeit erinnern.

Brand wurde ausgiebig betrauert – vor allem die Königin war von seinem Tod sehr betroffen. Es wurde berichtet, dass er einen plötzlichen Herzanfall bekam und tot war, ehe die Heiler gerufen werden konnten. Er war noch nicht mal ansatzweise in einem Alter wo man damit gerechnet hätte. Das Leben spielte einem manchmal übel mit. Es hatte ständig Hürden bereit und Überraschungen auf die man gut und gerne verzichten konnte. Doch manchmal meinte das Leben es auch gut mit einem ... immerhin war ich nicht die Schwester des Mannes, den ich so sehr liebte.

Ransia legte mir ein schwarzes Kleid für das offizielle Begräbnis, drei Tage nach dem Tod des Königs aufs Bett. Inzwischen benötigte ich größere Kleider, da meine alten mich zu sehr beengten und sowohl Bauch als auch Busen hinein gequetscht werden mussten.

Talua half mir beim ankleiden. „Ist es ein Omen, dass der König so plötzlich verstarb?" sinnierte sie vor sich hin. Ich blickte hinauf zu dem grauen Himmel. Schon seit Tagen sahen wir kein Tageslicht mehr. Der Ringkrieg war im vollem Gange und das Böse bereitete sich aus. Krieger aus Thal marschierten nach Gondor, um gemeinsam mit den anderen Völkern gegen Sauron zu kämpfen und den Feind zu verdrängen. An jenen Tag, wo sie aufbrachen, wurde ebenfalls schwarz getragen und um sie getrauert – niemand glaubte an deren Rückkehr.

So dunkel auch die Zeiten waren... in meinem Herzen war Licht. Ich hatte noch Hoffnung auf ein gutes Ende. Ich hoffte das für mein Baby und mein Seelenheil. Würde ich nicht daran glauben, hätte ich Eomer bereits aufgegeben!

Nach der Trauerfeier wurde bekannt gegeben, das am kommenden Tag Bard der II gekrönt werden solle und jeder an dieser Zeremonie teilnehmen darf.

Heimlich trafen Talua und der Prinz sich am Abend. Ich sorgte dafür, dass sie unentdeckt blieben.

Als meine Freundin und ich uns auf dem Heimweg machten, war sie sehr aufgeregt und nahezu außer sich. „Nun sag schon endlich was ist passiert?" fragte ich sie neugierig.

Als Antwort hielt sie mir grinsend ihre Hand vor die Nase.

Mir fiel die Kinnlade runter, als ich den riesigen Diamantring erblickte.

„Ich bin verlobt!" platzte es aus Talua heraus, noch ehe ich konkret nachfragen konnte.

„Verlobt?" fragte ich ungläubig.

Eifrig nickend wedelte sie mit ihrer Hand vor meiner Nase herum.

Ich freute mich wirklich sehr für sie, doch meine Skepsis überwog. Meine Befürchtung war, dass es schlichtweg nicht zur Heirat kommen würde, was Talua tief verletzen und ins Unglück stürzen würde.

„Du wirst meine Brautjungfer!" riss sie mich aus den Gedanken.

Ich nahm sie fest in den Arm und gratulierte ihr ausgiebig. Talua war froh, dass ich mich für sie freute. So hatte der Tod des Königs etwas gutes bewirkt – eventuell.

Die Krönung fand am Marktplatz statt, dem Zentrum von Thal und vor dem Rathaus. Talua hatte ein sagenhaft schönes Kleid an und ihren besten Schmuck an sich, inklusive ihren Diamantring von Bard. Ihre Eltern hatten den noch nicht gesehen, denn sie trug ihn umgedreht. Führte sie etwas im Schilde?

Trotz der Finsternis war es ein besonderer und prunkvoller Tag. Sogar der König unter dem Berge und die wunderschöne Königin Lyrann erschienen auf der Feier. Sie hatten einen guten Ruf und waren hier zu Lande beliebt, weil sie Thal in vielerlei Hinsicht gut taten. Lyrann war nicht nur Königin sondern auch eine begabte Heilerin. Ihre halbelbische Abstammung kam ihr sicherlich in diesem Bereich zu Gute und schenkte ihr auch ewige Jugend. Ihr Mann Thorin hingegen war in die Jahre gekommen, doch bei seinen liebevollen Blicken gegenüber seiner Frau könnte man meinen, er wäre blutjung und frisch verliebt .... nach all den Jahren... was für eine schöne und beneidenswerte Ehe.

Gerade wurde eine festliche Rede gehalten, als ich vor Schreck die Luft anhielt und an meinen Bauch fasste. Mein Kind bewegte sich im Mutterleib und ich vernahm diese Bewegung.

Doch dieser Schreck war nichts im Vergleich als meine Freundin Talua zu den neuen König gerufen wurde. Talua hingegen wirkte nicht überrascht. Ihre Eltern kamen schockiert auf mich zu und überhäuften mich mit Fragen. Ich versuchte sie zu beruhigen und gleichzeitig mich zu beherrschen. Die Bewegungen in meinem Bauch lösten Übelkeit aus und brachten meinen Kreislauf durcheinander. „Ransia...." war das Letzte was ich sagen konnte, ehe meine Beine nachgaben und mir schwarz vor Augen wurde. Dunkelheit umfing mich und ließ mich auch nicht mehr frei.

Mit dicken Schädel erwachte ich in einem erstaunlich warmen, weichen, großen Bett. Meine Augen waren schwer, es war mühevoll sie zu öffnen.

„Ich glaube sie wird wach." hörte ich eine mir nur allzu bekannte Stimme flüstern.

„Talua..." fragte ich in den Raum hinein.

„Lorana, du musst unbedingt liegen bleiben. Ich bleibe bei dir, bis du wach bist, dann werde ich dir alles berichten."

Der Schlaf holte mich erneut, nur nicht so brutal wie beim letzten mal.

Ich hatte das Glück einen Traum zu haben – einen schönen Traum.

Ich lief nackt in einem glasklaren See. Als ich an mir hinunter sah, bemerkte ich, dass ich nicht mehr schwanger war. Es gab auch keine Spuren davon. Dann viel mir auf, dass mein Spiegelbild ein jüngeres Ich zeigte. Aus dem Wasser tauchte auf einmal vor mir ein Schopf auf, wovon ich nur den Hinterkopf erblicken konnte. Ohne Zweifel war das der Oberkörper eines stattlichen Mannes. Eben dieser drehte langsam seinen Kopf zu mir um und lächelte mich verführerisch an. Ich erkannte Eomer, wie er noch vor ein paar Jahren aussah, ohne Sorgenfalten, ohne Narben, ohne diese Last auf seinen Schultern.

Mit einer Kopfbewegung forderte er mich auf zu ihm zu schwimmen. Freudig folgte ich seiner Anweisung und tauchte in das Nass, was eine angenehme Temperatur hatte und nicht im geringsten kalt war.

Doch der Traum entwickelte sich zum Albtraum ... ich schwamm wie eine Verrückte und schaffte es doch nicht ihn einzuholen. Ich begann ihn zu rufen, so laut und verzweifelt, dass mir Wasser in den Mund lief und ich nicht mehr atmen konnte. Ich begann hektisch zu strampeln, doch etwas zog mich in die Tiefe. Die Luft wurde knapp und das schöne hellblau des Wassers um mich, wurde dunkler und dunkler.

Gerade als ich dachte dunkler kann es nicht mehr werden, zog mich jemand kraftvoll nach oben. Erleichtert sog ich die Luft ein und wurde damit aus meinen Traum gerissen und wach.

„Hallo Lorana."

Bruderherz (Eomer FF (beendet))Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt