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Nie im Leben war mir jemals so heiß. Und nie im Leben spürte ich jemals solche Schmerzen. 

Eine unerträgliche, sich in mein Fleisch brennende Hitze floss wie ein ein dickflüssiger Lavastrom in die kleinste Zelle meines Körpers, jede noch so kühle Stelle erbarmungslos findend, mich innerlich verbrennend.

In Panik rief ich nach Hope, aber über meine Lippen kam kein Wort. Ich wollte aufstehen, sie suchen, Hilfe holen, doch meine bis zum Zerreißen gespannten Muskeln versagten mir den Dienst.

Meine Knochen fühlten sich an, als würden sie jeden Moment brechen, ich hatte das Knacken bereits im Ohr, während mich eine weitere Welle des Schmerzes erfasste.

Ich schrie um mein Leben, aber mein Mund blieb still.

Stattdessen versank ich immer tiefer und tiefer in meiner Matratze, ehe sie mich schließlich freigab und ich in die Unendlichkeit des Nichts fiel. 

Lange. Dunkel, trostlos und beängstigend. 

Ich fiel und fiel und fiel.

*

„Guten Morgen, Hope." Ethans weit entfernte, tiefe Stimme war das Erste, was ich hörte, als ich wach wurde. Wie die Motte dem Licht folgte, so folgte ich seiner anziehenden Stimme – raus aus der Dunkelheit meines Alptraums.

Langsam öffnete ich meine Augen.

„Hey, du bist es." Hopes überraschte Stimme.

„Ist Ivy da?" Unterschwellig klang Ethans Frage eher rhetorisch. „Ich wollte mit ihr zum Frühstücken gehen."

Ihre Stimmen drangen nur wie durch Watte gedämpft an meine Ohren.

„Ou, klingt gut. Und ja, sie ist da. Aber..." Ihre Stimme wurde etwas leiser, so dass ich sie kaum noch verstehen konnte. „Aber ich glaube, du kannst sie heute leider nicht sehen. Sorry. Sie ist ein bisschen krank und sie würde mich töten, wenn ich es zulassen würde, dass du sie so siehst."

Ein bisschen krank? Die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich fühlte mich beschissen. Ganz so, als hätte mich ein Bus überfahren, danach ein Baumstamm erschlagen und, weil es noch nicht genug war, zum Schluss ein Blitz getroffen. Die drei martialischen B's. Bus, Baumstamm, Blitz.

„Krank?", hakte Ethan argwöhnisch nach. „Was hat sie?"

„Denke, sie hat sich etwas verkühlt gestern Abend", hörte ich Hope. „Sie hat ein bisschen Fieber. Ist aber auch wirklich beschissen kalt hier in eurem Orono. Kein Wunder. Vielleicht hat sie aber auch nur was falsches gegessen, keine Ahnung ... hey ... hey Ethan, halt!"

Ich hörte, wie Ethan unser Zimmer betrat und schnurstracks an mein Bett kam.

Auch wenn ich es sehr nett von Hope fand, dass sie mein momentan eher grässliches Antlitz vor Ethan verstecken wollte, um mich zu schützen, so freute ich mich dennoch, dass er gekommen war. Und dass er Hopes Anweisung einfach missachtet hatte, fand ich irgendwie süß.

Wenn da nicht mein ziemlich beschissener Zustand wäre, der all dies in den Schatten stellte. Mein ganzer Körper kribbelte, als wäre ich eine einzige Ameisenstraße. Auf der Haut, unter der Haut ... überall. Und mir war heiß. Unglaublich heiß. Es waren ganz sicher riesige, teuflische Feuerameisen ... anders konnte ich mir das nicht erklären.

„Ethan, ich muss doch schwer bitten, du kannst hier nicht einfach so reinspazieren!", tadelte Hope ihn.

„Shhhht." Sein Zischen hallte durch das Zimmer und brachte Hope zum Schweigen.

Langsam drehte ich mich zu ihm um und blickte in sein hübsches Gesicht. Er blickte besorgt zu mir hinab.

„Hi Kitz", murmelte er leise und lächelte sanft. Würde nicht mein ganzer Körper schon schwitzen und kribbeln, würde er es spätestens jetzt.

Ich versuchte zurück zu lächeln, doch ich fühlte mich einfach viel zu schwach. „Hi", hauchte ich diesem perfekten Wesen stattdessen matt zu und versuchte zu schlucken, um meine ausgetrocknete Kehle zu befeuchten.

Das Nächste was ich spürte, war seine große, schwere Hand prüfend auf meiner Stirn. Es ist das erste Mal, dass sich seine Haut fast kalt anfühlte.

„Shit", raunte Ethan plötzlich erschrocken zu Hope. „Das nennst du ein bisschen Fieber? Scheiße ... sie glüht ja! Wie lange ist das schon so?"

„Ich ... ich weiß es nicht genau. Jake hat mich heute morgen so um zwei von der Party nach Hause gebracht. Da war sie schon ziemlich warm."

Ethan ließ von meiner Stirn ab und strich mir über die Wange. Er musterte mich besorgt.  Auf seiner Stirn war eine große Sorgenfalte erkennbar. „Wie gehts dir?", fragte er schließlich, doch irgendetwas in seiner Stimme war plötzlich anders als üblich.

„Mir ist ... sehr warm", nuschle ich matt. „Und ... und ich träume ganz ... furchtbar."

„Sie hat Fieberträume", erläutert Hope von hinten. „Schon die ganze Nacht."

Vorsichtig schob Ethan mir eine vom Schweiß nasse Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Brauchst du was?" Ethan schaute mit tief in die Augen. 

Dieses ozeanblau ... augenblicklich durchströmte mich ein Gefühl puren Glücks. Nach dem gestrigen, unbeschreiblich schönen Abend war ich mir sehr sicher, dass ich mich in Ethan verguckt hatte. So richtig. Über beide, zur Zeit leider etwas fiebrigen Ohren. 

Dass er nun hier war, ließ es mir augenblicklich ein bisschen besser gehen und machte mein Fieber schlagartig erträglicher. Liebevoll schmiegte ich mich in seine Hand ein und atmete wohlig und tief aus.

Doch ganz plötzlich verengten sich Ethans Augen zu Schlitzen und er zog sichtlich irritiert seine Brauen zusammen und rümpfte regelrecht seine Nase. Sein Blick flog über mich, zurück ins Gesicht, alles ging sehr schnell. Sekunden später wurden seine Augen größer. Seine gesamte, sonst so klare, markante Mimik entglitt ihm und er starrte mich völlig fassungslos an. Entgeistert wich er von mir zurück und stand auf.

Was hatte er? 

„Ethan?", fragte ich leise und kraftlos, versuchte aber trotzdem mich aufzurichten.

„Alles okay, Ethan?" Auch Hopes Stimme klang überrascht. „Du siehst irgendwie blass aus? Nicht, dass du auch krank wirst?"

Ethan antwortete nicht. Er starrte mich einfach nur an, ehe er ungläubig den Kopf schüttelte. "Das ... das ... das kann nicht sein", stammelte er.

„Hallo? Erde an Ethan?", hakte Hope nach. 

Sekunden vergingen. Ethan war ganz woanders. Dann, ganz plötzlich, wandte er sich ab und stürmte lautstark aus dem Zimmer.

„Was ist denn mit dem los?", zischte Hope und warf mir einen irritierten Blick zu.

Ich wollte etwas sagen, doch meine Zunge war schwer, mein Mund trocken und ich hatte auch keine Kraft mehr. Ich ließ mich zurück aufs Kopfkissen gleiten.

Erschöpft schloss ich meine Augen. Mein Kopf begann so stark zu wummern und seit Ethans Verschwinden war das Fieber wieder viel präsenter.

„Süße." Hope setze sich auf die Kante meines Bettes. „Schlaf noch ein bisschen. Wir klären das mit Ethan später, okay? Und ich rufe jetzt den Campus-Arzt."

Ich schüttelte sanft den Kopf. Ich hasste Arztbesuche. 

„Okay, aber wenn es dir morgen nicht besser geht, wirst du um einen Arzt nicht drum rum kommen. Keine Widerrede."

Ich blinzelte ihr zur Bestätigung zu, als mich auch schon wieder die selbe Müdigkeit übermannte, die mich heute bereits mehrfach und mit aller Kraft in den Schlaf zurück gezerrt hatte. 


Das Flüstern des Alphas | ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt