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Aeris' Klatschen ließ mich zusammen zucken. "Eine Familienzusammenführung, na wenn das kein Trost ist für all das, was auf euch zukommt!"

Erst dann verstand ich. Die blonde Frau und der grau melierte Mann mussten Chris und Sams Eltern sein. Chris hatte sie seit Jahren nicht gesehen, dass letzte Mal als er Sam abgeholt hatte, jedenfalls hatte Ethan das mal erzählt. Dass erst Chris, und dann auch Sam sich damals gegen die Primus und für ein menschlich-orientierteres Leben entschieden hatten, nahmen ihre Eltern ihnen übel.

Als Chris sie begrüßte, verzogen sie keine Miene. Kein herzzerreißendes  Wiedersehens-Schluchzen einer Mutter. Kein stolzes Rückenklopfen eines Vaters. Was Sam und Chris aber erhielten, war ein eisiger, schier vernichtender Blick. Von beiden. Dass ihre Kinder nun in dieser Sache mit mir mit drin hangen, machte die Schande für die Familie offensichtlich perfekt.

„War ja klar, dass du und dein kleines Rudel da mit drin hängen." Citos' Stimme peitschte durch mein Inneres, genau wie die Backpfeife, von der Ethan mir erzählt hatte und die Chris vor Jahren zum Abschied von seinem Vater bekommen hatte. 

Cito musterte ihn abschätzig von oben bis unten, ehe sein Blick zu Sam rüber glitt.

„Wie kannst du diesem Nichtsnutz nur folgen?", zischte er seiner Tochter zu und schüttelte seinen gräulichen, verfilzten Schopf. „Sieh, wohin es dich gebracht hat. War es das, was du wolltest, Samira? Sieht so deine Selbstbestimmung aus? Indem ihr auf falschen Pfaden wandelt?"

Samira senkte ihren Blick und starrte verlegen auf ihre Füße. Offenbar machte ihr Vater nach wie vor bei ihr Eindruck. 

„Wenn du etwas zu sagen hast, dann sprich mit mir!", raunte Chris in strenger Alpha-Manier seinem Vater zu, der ihn daraufhin hasserfüllt ansah.

„Du kannst froh sein, wenn ich überhaupt mit dir spreche und dir nicht auch gleich deinen verdammten Kopf abbeiße, Christobal!", knurrte er ihn an. „Als uns die Gerüchte über diese Region erreicht haben, wussten wir gleich, dass du da mit drin steckst. Es ist ja das eine, dass du dich von uns abgewandt hast und Samira diese Flausen ins Ohr gesetzt hast – aber es ist eine ganz andere Sache, den Hohn des gesamten Ur-Rudels über mich und deine Mutter zu bringen, indem du und dein vermaledeites, treuloses Rudel ein Alpha-Halbblut verstecken!" Voller Abscheu trat er einen Schritt vor. „Ich verfluche den Tag deiner Geburt, Christobal."

Chris atmete schwer, seine Nasenflügel bebten. Er versuchte, Ruhe zu bewahren. Er ließ den Hass seines Vaters an ihm abprallen, nickte stattdessen. „Du hast Recht. Ich habe meinem Rudel angeordnet, sie zu schützen." Er deutete auf mich. „Ich alleinig übernehme die Verantwortung dafür."

„Chris, nein..." Jakes Stimme unterbrach sein Schuldeingeständnis, doch er hob die Hand und brachte seinen Freund damit zum Verstummen.

„Ich alleinig übernehme die Verantwortung dafür", wiederholte er mit fester Stimme. „Aber Ivy ist eben nicht einfach nur Halbblut. Ihre Fähigkeiten ... die sind die eines Reinblutes."

„Dass du es wagst!", zischte seine Mutter und trat einen Schritt vor.

„Ich mein es ernst! Ivy hat bisher niemandem geschadet und wird es auch in Zukunft nicht. Sie ist ... sie ist ..." Er blickte zu mir hinüber, als ihm das Wort einfiel, dass er zu suchen schien. „Einzigartig."

Aeris schüttelte seinen Kopf und ging langsam auf ihn zu. Furchtlos sah er Chris tief in die Augen, so dass dieser instinktiv einen Schritt zurück ging. „Ein Alpha-Halbblut mag vielleicht selten sein Junge, aber es ist sicher nicht einzigartig und schon gar nichts besonderes, auch wenn die Natur das einem vielleicht glauben machen will." Seine Stimme klang kratzig und tief. Dann warf er mir einen abwertenden Blick zu. „Ihr Alpha-Flüstern war regelrecht kläglich ... gar enttäuschend ... dem einer Alpha-Tochter gar nicht würdig."

Ethan atmete scharf ein, doch Chris' Hand schnellte vor ihm hoch und ließ Ethan die Containence bewahren. Stattdessen versuchte Chris die Wogen weiter zu glätten. „Aber ... aber sie hat sich sogar verwandelt. Und war danach nicht tollwütig. Von ihr geht keinerlei Gefahr aus."

Aeris drehte sich wieder zu mir um und ging langsam auf mich zu. „Das ist wahr." Ich konnte sehen, wie Ethan sich neben Chris versteifte, und doch sah er mich nicht an. „Denn Alpha-Halbblüter werden auch nicht wahnsinnig", informierte er uns weiter, während er vor mir zu stehen kam. „Im Gegensatz zu gewöhnlichen Halbblütern. Das Alpha-Gen schützt sie davor. Sonderbar, nicht?"

„Aber was ist dann euer Problem?" Chris trat einen Schritt vor. "Wenn von ihr nachweislich keine Gefahr ausgeht? Wieso ... wieso ist Ivy dann ein Probl-...?" Plötzlich hielt er inne. „Moment mal. Es ... es geht euch gar nicht darum", zählte Chris offenbar eins und eins zusammen. „Es spielt für euch gar keine Rolle, dass sie ungefährlich ist! Es geht euch einfach ums Prinzip. Einfach, weil sie Halbblut ist, stimmt's?! Egal, wie ungefährlich sie in Wirklichkeit ist! Euer Problem ist vielmehr, dass sie ... dass sie nicht rein ist?!"

Aeris legte den Kopf schief. „So ist das eben mit Mutationen. Denn genau das ist sie. Eine Mutation. Nichts weiter." Aeris straffte seine Schultern, ehe er in die Hocke ging und sich vor mich kniete. „Eine Mutation, die es zu beseitigen gilt." Er streckte seine Hand aus, legte sie unter mein Kinn, um meinen Kopf anzuheben. Ich wimmerte unter seiner Berührung leise auf.

Ethan hielt es nicht länger aus. Er kam einen Schritt auf mich zu, doch Chris' Arm schnellte aus und hielt ihn zurück. 

Langsam folgte ich dem Druck unter meinem Kinn, hob meinen Kopf an, bis ich Aeris schließlich ängstlich anschaute. Er legte seinen Kopf schief und musterte mich, ehe er leise seine kalte Stimme erhob. „Wie alle anderen vor dir bist auch du nur eine weitere Unwürdige. Die Tochter eines räudigen Alphas, der seine Triebe lieber mit Menschen auslebt, als mit seinesgleichen. Eine unreine Brut, die unserer nicht würd–..."

„BULLSHIT!", schepperte Ethans tiefe Stimme plötzlich durch die Nacht. Er riss sich von Chris Griff los, doch dieser fing ihn schnell wieder ein. „Dieses Mädchen ist reiner als ihr alle zusammen!", brüllte Ethan ungeachtet in die Runde und bewies in dem Moment wohl mehr Mut als Vernunft. „Wenn ihr Ivy auch nur ein weiteres Haar krümmt, so schwöre ich bei den Urwölfen, ich reiße euch allen euren beschissenen, ach so reinen Kopf ab, ihr Bastarde!"

Aeris sah mir tief in die Augen und lächelte. Auf einen Angriff hatte er offenbar nur gewartet. Dann wandte er sich von mir ab und ging regelrecht genussvoll auf den bebenden Ethan zu. „Auf die Urwölfe zu schwören ist mutig von dir, Junge. Wo du doch so weit abseits des reinen Pfades wandelst, Fehlgeprägter."

„Ich scheiße auf den reinen Pfad!", feuert Ethan ihm entgegen. Er zitterte vor Wut am ganzen Körper, seine Muskeln waren angespannt, seine Brust geschwollen. Ethan war unerschrocken – und offenbar völlig lebensmüde. Blitzartig riss er sich erneut von Chris los, dann rannte wutentbrannt auf Aeris zu. 

Ich wusste, nun war es für uns vorbei. 







Das Flüstern des Alphas | ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt