„Also langsam bin ich echt überfordert", klagte Nyle, als er, sein Zwillingsbruder, Claire und Sue uns wenig später abholten. „Wir haben Jake und Ethan versprochen, dass wir niemanden an euch ran lassen, solange sie ihr Abendtraining haben, aber warum macht ihr es uns dann so verdammt schwer?" Sein Blick flog über Hope und mich.
„Soll das ein Kompliment sein?", fragte Hope, während sie sich ihre Umhängetasche über die Schulter hing.
„Aber sowas von." Er zwinkerte.
Tatsächlich fühlte ich mich wie die Königin der Nacht. Noch nie hatten Hope und ich uns so sehr herausgeputzt wie heute, und der Antrieb war klar. Unsere Männer. Wir wollten ihnen schlichtweg gefallen, und ich war mir sehr sicher, dass Jake und Ethan die Augen rausfallen würden, wenn sie uns später sehen.
„Wir sind echt Glückspilze. Wir bringen die vier heißesten Ladies des Campus zur Party." Kyle schlang zufrieden seinen Arm um Sues Hals und küsste sie flüchtig auf die Wange. Ich musste lächeln. Ich wusste zwar nicht genau, was da zwischen ihnen lief, aber sie sahen sehr gut zusammen aus.
„Also, wollen wir?", fragte Claire, die sich daraufhin bei Nyle einhakte.
„Sofern unsere VIP ... ich meinte, unsere VIH fertig ist?" Nyle sah mich breit grinsend an. Innerlich verdrehte ich die Augen.
„VIH?", hakte Hope nach.
„Ein Insider.", murmelte ich, lächelte gekünstelt und schnappte meine Handtasche. Very Important Halbblut wäre jetzt wohl etwas kompliziert zu erklären gewesen, aber ich bin mir ziemlich sicher, hätte Nyle das vor Chris oder Ethan abgezogen, hätte er sich in jedem Falle eine gefangen.
Als wir ankamen, war die Party bereits in vollem Gange. Sofort versorgten wir uns mit Drinks, Kyle und Nyle jedoch blieben zur Verwunderung aller nüchtern - jedenfalls vorerst. Nur ich wusste, warum. Auflage von Chris. Jedenfalls bis der Rest des Rudels eintraf.
Nach ein paar Minuten entdeckte Hope Lenny in der Menge und ich war tatsächlich etwas verblüfft darüber, dass sie ihn zu uns rüber winkte. Als er bei uns ankam, im Muttersöhnchen-Style wie immer, drückte ihm Hope ein Küsschen links und rechts auf die Wange. Sofort wurde Lenny rot, doch ich fand es irgendwie süß. Vor allem aber von Hope. Denn ganz offenbar hatte Lenny es mit seiner besonderen Art in dieser Woche doch irgendwie in Hopes Herz geschafft.
„Freundchen, heute stoßen wir auf unsere Note an", ließ Hope Lenny wissen, und etwas überfordert lächelte er in die Runde.
„Das wird schon", baute ich ihn auf. „Augen zu und durch."
Hope drückte Lenny einen Becher in die Hand. Von allen anderen angefeuert nippte er immerhin daran, und sofort brach Jubel um ihn herum aus. Die Stimmung war sehr ausgelassen, und fast hätte ich kurz alle Gedanken an die Wolfswandler vergessen, wäre mir nicht plötzlich der herb-sinnliche Duft meines Lieblingswolfs in die Nase gestiegen. Nur eine Sekunde später schlang sich Ethans starken Arme um meine Taille und von hinten presste er sich an meinen Körper.
„Willst du mich eigentlich verscheißern, Baby?", raunte er streng und verführerisch zugleich an meinem Ohr und sofort jagte mir seine Stimme eine Gänsehaut über den Körper. „Nicht nur, dass ich es nach wie vor nicht gut finde, dass wir in der jetzigen Lage auf eine Party gehen ... aber was verstehst du nicht daran, wenn ich dir sage, du sollst kein Aufsehen erregen?"
„Tu ich das denn?", wollte ich wissen und drehte lächelnd meinen Kopf zu ihm.
„Scheiße..." Besitzeinnehmend drückte er sein Becken an meinen Hintern. „Was denkst du denn?"
Ungeachtet von allen anderen drehte er mich an der Hüfte zu ihm um und sofort war ich von seiner Erscheinung berauscht.
Ethan sah verdammt heiß aus. Seine dunkelbraunen Haare waren entgegen des üblichen Chaos' fast schon so etwas wie geordnet, er trug ein schwarzes, an den Unterarmen hochgeschobenes Hemd und eine schwarze Jeans. Himmel ... allein dieser Anblick brachte mein Unterleib in Wallung.
Ziemlich angetan schlang ich meine Arme um seinen Hals, was mir dank meiner hohen Stilettos besser gelang, als üblich. Er strich mir über die nackten Arme, ehe seine großen Hände kurz über meinem Hintern Platz fanden.
„Das sagt gerade der Richtige", ließ ich ihn wissen. „Aufsehen erregen kannst du auch ziemlich gut."
„Ich spiele aber keine Rolle, Kitz. Du bist hier die Einzige, die zählt." Ermahnend blickte er mich von oben herab und durch seine dunklen Wimpern an. Ich wusste, dass er es ernst meinte, dennoch liebte ich diese leicht provokant-erotische Spannung zwischen uns mittlerweile so sehr, dass ich Ethan nur zu gerne herausforderte.
„Bist du nur gekommen, um mit mir zu diskutieren?"
Der Blauäugige zog mich noch näher an sich heran, dass nicht mal mehr ein Blatt zwischen uns gepasst hätte. „Du wirst am Ende des Abends noch froh sein, wenn ich nur mit dir diskutiert hätte", raunte Ethan grinsend an meinem Ohr.
„Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?"
„Das darfst du dir selber aussuchen."
Ich musste lächeln, hielt inne und sah ihn einfach nur an. „Ich hab dich vermisst, Babe", ließ ich ihn wissen.
„Ich dich auch, Kitz." Er neigte sich zu mir hinab und küsste mich ein paar Mal zärtlich auf den Mund. „Aber ehrlich, mir ist immer noch nicht wohl bei dem Gedanken, dass du dich hier herumtreibst."
„Ethan." Stirnrunzelnd sah ich ihn an. „Was sollte hier schon passieren, hm? Das ganze Rudel ist hier, du bist da und wir sind unter sehr vielen Menschen. Das würde doch kein Anwärter der Welt riskieren, oder?"
Ich sollte Recht behalten. Der weitere Abend verlief ziemlich gut. In jedem Falle ausreichend gut, dass ich keinen weiteren Gedanken an drohende Primusanwärter verschwendete und auch Ethan wurde mit der Zeit ein bisschen gelassener. Er trank sogar ein paar Schlucke Bier und ich freute mich riesig, dass er sich wenigstens ein bisschen entspannen konnte und fast schon zum alten Ethan mutierte. Der, der feierte, Spaß hatte und Mädels abschleppte. Letzteres nur noch mich – wohlgemerkt. In jedem Falle der Ethan, der nicht hinter jedem Baum einen Anwärter vermutetet.
Wir saßen mit allen zusammen im Wohnzimmer der Studentenverbindung und hatten wie üblich die Sofas in Beschlag genommen. Die Einzige, die noch in unserer Runde fehlte, war Samira, aber sie wartete wohl wie üblich auf ihren großen Auftritt.
Ich saß auf Ethans Schoß und ließ meinen Blick zu Chris hinüber gleiten, als ich innehielt.
Sein Blick war fest auf mich gerichtet. „Ivy ... können wir reden?"
Seine Stimme plötzlich in meinem Kopf zu hören erfreute mich mehr, als ich zugeben würde. Ich hatte nur darauf gewartet, ihm endlich meinen Vorschlag zu unterbreiten. Ich nickte ganz zaghaft, damit niemand verdacht schöpfte.
Chris stand auf und ging in Richtung Küche. Ethan unterhielt sich gerade mit Sue. Ich küsste ihn auf die Wange. „Ich hole mir schnell was zu trinken."
Ethan nickte nur kurz. Ich stand auf und quetschte mich durch ein paar Kommilitonen hindurch zu Chris, der bereits in der Küche auf mich wartete. Er stand angelehnt an die beige Arbeitsfläche, die Arme vor der Brust verschränkt, ein Bier in der Hand.
Schlagartig stieg die Aufregung in mir, angesichts meiner Idee, die ich Chris gleich unterbreiten würde.
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Das Flüstern des Alphas | ✔︎
Fantasy( WATTYS 2023 Shortlist ) Wolfsfieber oder Prägung sind für Ivy Adams Fremdwörter, mit denen sie rein gar nichts verbinden kann. Sie und ihre beste Freundin Hope sind vielmehr damit beschäftigt, endlich ins Campusleben einzutauchen und so genießen s...