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Auch wenn ich mich noch eine ganze Weile unruhig in Ethans Bett hin und her wälzte, so war ich doch froh, hier bei ihm zu sein. Er war zwar nicht hier, doch fühlte ich mich ihm in seinem Shirt und unter seiner Bettdecke trotzdem nah.

Ich fragte mich, wo er gerade war. Hatte Jake recht und musste sich erstmal abreagieren? Hatte er sich verwandelt? Lief er sich gerade im Orono Nationalpark die Pfoten wund, um die Wut auszuschwitzen? Oder saß er in einer Bar, trank ein paar Biere und verfluchte mich innerlich?

Genervt rollte ich mich noch fester in die Decke ein und schloss die Augen, in der Hoffnung, die Schuldgefühle würde mich endlich verlassen, doch dem war nicht so. Sie hingen über mir wie eine dicke, undurchdringliche Wolke und selbst, als der Schlaf mich irgendwann übermannte, träumte ich davon, wie ich Ethan ein Messer in den Rücken stach. Prost Mahlzeit. Das nannte man dann wohl Karma.

*

Lautes Rufen riss mich aus dem Schlaf. Blitzartig saß ich kerzengrade im Bett und schaute mich um, doch ich war immer noch alleine.

Ich hielt inne und horchte, ob ich erneut etwas hören würde. Und dann drang tatsächlich Ethans wütende Stimme an mein Ohr. Er schien außer sich zu sein.

„Und du willst mein bester Freund sein?", brüllte er.

Sofort sprang ich vom Bett auf, eilte zur Tür und riss sie auf.

„Du bist ein verdammtes Arschloch und nichts anderes! Was willst du von ihr?", setzte Ethan nach und seine wütende Stimme, die den Flur entlang donnerte, schnürte meine Kehle zu. Beruhigt hatte er sich definitiv nicht.

„Ich sag dir nur, wie die Lage ist", hörte ich Chris zurück sagen. Er schien ganz ruhig zu sein. Sofort rannte ich den Flur entlang, den Stimmen folgend, Richtung Wohnzimmer.

„Diese Scheiße werde ich niemals zulassen, dass weißt du doch hoffentlich!"

„Du handelst also lieber gegen ihren Willen?", antwortete Chris, nun doch ungehalten.

„Was weißt du schon, Penner? Du kennst sie überhaupt nicht!", feuerte Ethan zurück.

Als ich angespannt im Türrahmen des Wohnzimmer ankam, verschlug es mir die Sprache. Die beiden Streithähne – oder Streitwölfe – standen sich erneut nur wenige Zentimeter gegenüber und bauten sich voreinander auf.

Als die beiden mich bemerkten, ließen sie voneinander ab und blickten sie zu mir rüber. Sofort kam Ethan mir aufgebracht entgegen.

„Fragen wir sie doch einfach!", schlug er dabei lauthals vor und der Blick, mit dem er mich ansah, ging mir durch Mark und Bein. Er war enttäuscht, aufgewühlt, verzweifelt und liebend zugleich. „Stimmt es, was Chris sagt? Stimmt es, Ivy?" Sein Adamsapfel zuckt nervös hoch und runter.

Ich musste schlucken. „W-was hat er denn gesagt?" Fragend sah ich zu dem Schwarzhaarigen herüber.

„Er weiß es", sagte Chris schlicht und seine Worte ließen meinen Magen schuldbewusst zusammen krampfen.

Innerlich verfluchte ich Chris gerade, dass er Ethan wirklich von unserem Primus-Plan erzählt hatte. Wenn überhaupt, dann hätte ich das schon gerne selber getan.

„Stimmt es?", brüllte Ethan mir plötzlich verzweifelt entgegen und ich zuckte zusammen. „Willst du dich freiwillig stellen? Bist du von allen guten Geistern verlassen, Ivy?"

„Ich ... i-ich will mich ja nicht ausliefern, aber wir dachten, es könnte eine wirkliche Chance sein, aus dem ganzen Schlamassel raus zu kommen. Wir..."

Wir?", unterbrach er mich harsch. „Wo komme ich in deinem wir vor?"

„Ethan, ich...", setze ich an, doch er wollte meine Antwort gar nicht hören.

Das Flüstern des Alphas | ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt