Fely - Teil 5

3 2 0
                                    

Es war mittlerweile Abend geworden. Wir drei hatten unsere Sachen ausgepackt und saßen jetzt im angrenzenden Park auf der Wiese und unterhielten uns. Der Park gehörte zum Internatsgelände. Das Gelände war zwar nicht umzäunt, trotzdem wusste jeder, wo es endete. Als Unterstufenschüler durfte man das Gelände nur an den Wochenenden verlassen und bekam schwere Strafen, wenn man auch nur 5 Meter zu weit entfernt war. Wir, als 11 Klässler, dürfen das Gelände verlassen, wann wir wollen, hauptsache wir sind pünktlich bis 23 Uhr zur Sperrstunde wieder da.

„Im Schatten ist es echt auszuhalten. Danke Baum." Lexy tätschelte liebevoll den Baum, unter dem wir saßen. Ich lachte. „Ja, das ist sehr nett vom ihm uns Schatten zu spenden." Meine Freundin grinste mich an. „Weiß jemand wie viel Uhr es ist?" fragte Ich in die Runde. „Ich habe mein Handy nicht dabei, einer von euch?" Die beiden schüttelten die Köpfe. Ich biss mir auf die Lippe. „Ich habe nämlich langsam Hunger. Eigentlich müsste es doch Zeit für das Abendessen sein, oder?" Christy nickte. „Stimmt. Lass uns einfach einpacken und dann gehen wir rein. Die Stundenpläne sollten auch schon aushängen. Dann können Wir uns einen nehmen." Also standen wir auf und Lexy und Christy begannen damit, die Picknickdecke so zu falten, dass sie wieder in die Tasche passte. Funktionierte natürlich nicht. Während die beiden mit der Decke kämpften, sah Ich mich um. Wir hatten uns ziemlich weit an den Rand des Parks gesetzt, sodass es nur wenige Schritte bis zum öffentlichen Gelände waren. Das Internat stand in einer eher abgelegenen Gegend der Stadt. Nur das Industriegebiet war von hier aus zu sehen. In den einzigen Häuser, die hier standen, wohnten Mitarbeiter des Internats: Reinigungskräfte, Köche, Gärtner, Hausmeister und so weiter. Als junger Schüler hat man es echt nicht leicht, von hier in die Stadt zu kommen. Aber Ich vermute, das war so gewollt. Man sollte sich nicht ablenken lassen, sondern lernen. Jetzt, wo fast jeder sein eigenes Auto hatte, war es leichter. Der Parkplatz der Schule lag ebenfalls in der Richtung, in die Ich schaute. Dort sah Ich meinen Audi stehen. Ich hatte ihn mir selbst gekauft. Er war zwar nicht der neuste, aber das störte mich nicht. Ich liebte ihn. Er bot mir Selbstständigkeit. Neben meinem Audi parkte gerade ein Auto ein. Ein fetter, schwarzer Mercedes SUV. Ich beobachte das Auto grimmig da Ich Angst hatte, der Fahrer könnte mit seinem großen Schiff von Auto meinen Lack zerkratzen oder sogar eine Beule reinfahren. Doch zum Glück passierte nichts dergleichen. Der Mercedes hatte perfekt eingeparkt. Ich wollte mich gerade schon wieder meinen Freundinnen widmen, da sah Ich, wer dort ausstieg. Natürlich war es Gerrit Parker. War ja klar, dass der so ein Protz Auto fahren muss. Wahrscheinlich muss er damit irgendetwas kompensieren, was nicht so groß wie seine Muskeln ist. Er schlug die Tür zu und drehte sich zu mir um. Zum Glück bemerkte er mich nicht. Das wäre wieder peinlich geworden. Er griff in seine Hosentasche und zog, wie es aussah, eine Packung Zigaretten heraus. Na großartig, er raucht, dachte Ich mir. Das machte ihn sofort wieder eine Stufe unattraktiver. Er nahm eine Zigarette aus der Box, steckte sie sich in den Mund, packte die Schachtel wieder weg und zündete sich die Zigarette an. Normalerweise sollten die Lehrer nicht vor den Schülern rauchen. Das schien ihm egal zu sein. Stattdessen lehnte er sich jetzt an die Motorhaube seines Autos und zog an seiner Zigarette. Nachdem er den Rauch ausgepustet hatte, bemerkte er mich dann doch. Stumm und ohne irgendeine Regung in seinem Gesicht, schaute er mich an. Ich überlegte, ob Ich ihm irgendwas zurufen sollte, sowas wie „Pass auf, das ist mein Auto" oder so. Aber dann ließ Ich es doch. Das hätte es nur noch schlimmer gemacht. Wie selbstverständlich drehte Ich mich um und tat so, als hätte Ich ihn nicht gesehen. „Fertig?" fragte Ich meine Freundinnen. Diese stopften gerade die Decke in die Tasche und die Nähte begannen gefährlich zu knacken. „Fast." Stieß die blonde mühsam zwischen ihren Zähnen hervor.

Die Picknickdecke war wieder brav unter meinem Bett verstaut worden. Jetzt standen wir, wie alle anderen Schüler, vor dem schwarzen Brett und warteten darauf, dass wir uns unseren Stundenplan aus dem Fach nehmen konnten. Ich drängte mich nach vorne durch, wofür Ich viele böse Blicke erntete. Dann schnappte Ich mir drei Blätter aus dem Fach 11 und ging zu meinen Freundinnen zurück. Die beiden rissen mir die Blätter fast aus den Händen. „Und? Haben wir ihn?" Christy hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere. Auch Ich schaute den Stundenplan durch. Und tatsächlich: Sport: Parker, Deutsch: Parker. Christy klatschte in die Hände, wobei sie ihren Stundenplan vollkommen zerknitterte. „Wir haben ich echt?!" rief Lexy. Dann fasste sie sich an die Stirn. „Leute, Ich glaube das wird das beste Halbjahr unseres Lebens." Ich lachte. Das wäre schön. „Aber jetzt gehen wir bitte zum Abendessen, sonst verhungere Ich." Nun lachten meine Freundinnen auch.

Es war schon der nächste Morgen. Mein Wecker klingelte. Verschlafen streckte Ich meinen Arm aus, um ihn auszuschalten. Es war viel zu früh am Morgen, das war Ich nach den Ferien nicht mehr gewöhnt. Meine Zimmernachbarin wiederum sprang förmlich aus dem Bett und streckte sich. „Guten Morgen Fely!" begrüßte sie mich. „Morgen." Erwiderte Ich trocken. Sie riss die Vorhänge auf und ließ die Morgensonne rein. Ich kniff die Augen zusammen und zog die Decke über meinen Kopf. „Kannst du mich nicht vorwarnen?" murmelte Ich. „Tut mir leid Fely, aber wir müssen aufstehen. Heute wird ein guter Tag!" Damit hüpfte sie ins Badezimmer. Kurz darauf hörte Ich die Dusche. Wie kann man so früh am Morgen so motiviert sein? Ich rollte mich auf die Seite und wagte mich, die Decke von meinem Kopf zu nehmen. Ich blinzelte in die grelle Sonne. Mein Wecker zeigte 7 Uhr an. Das war ein weiterer Vorteil, wenn man in einem Internat wohnte: man muss nicht allzu früh aufstehen, weil man nicht noch zur Schule fahren muss. Ich muss nur über den Hinterhof in das angrenzende Gebäude und dann bin Ich schon da. Frühstücken tat Ich fast nie. Ich bekam so früh nichts runter. Christy dagegen schon, deshalb war sie immer die erste, die unter die Dusche ging. Sie ging dann immer noch schnell runter in die Große Halle und holte sich was zu Essen. Während Ich noch im Bett lag, kam meine Freunde schon wieder aus dem Badezimmer raus. Komplett angezogen und bereit zu gehen. „Du liegst ja immer noch. Hopp hopp, steh auf. Heute ist ein guter Tag. Erst haben wir Geschichte, nicht so toll, um ehrlich zu sein. Aber dann, aber dann Fely! Dann haben wir Sport. Das wird super!" Ich konnte ihre Freude nicht verstehen. Ja, der neue Lehrer sah gut aus, aber er war immer noch ein Lehrer. Er wird uns genauso unterrichten wie alle anderen. „Ich steh ja schon auf. Geh ruhig runter, sonst bekommst du kein Essen mehr." Ich quälte mich aus meinem gemütlichen Bett raus und stand auf. „Alles klar, dann bin Ich weg! Wir treffen uns in Geschichte. Ciao!" Und schon war sie weg. Ich dagegen stand immer noch in der Mitte des Raumes und starrte müde an die Wand. Dann stöhnte Ich und ging zum Kleiderschrank, um meine Schuluniform rauszuholen. Jeder Schüler durfte sich bei seiner erst Ankunft am Internat seine Unform eigenhändig zusammenstellen. Man hatte die Wahl zwischen Rock oder Hose, Bluse oder Poloshirt, Krawatte oder keine Krawatte. Ich hatte mich damals tatsächlich für die Hose statt des Rocks entschieden, weil, Ich hasste Röcke. Ich fühlte mich damit immer so nackt, auch wenn ich darunter eine Strumpfhose trug. Dann hatte Ich mir eine Bluse ausgesucht und mich dazu entschieden, keine Krawatte zu tragen, das fand Ich komisch. Meine beiden Freundinnen trugen Röcke. Die Jacke, die jedoch keiner bei dieser Hitze trug, war ganz dunkelblau, fast schwarz. Auf der linken Seite der Brust war das Wappen der Schule aufgenäht worden. Die Hose war in derselben Farbe. Die Bluse war natürlich weiß. Unsere Schuhe durften wir uns selbst aussuchen. Ich trug einfache, schwarze Sneaker. Ich war ziemlich zufrieden mit der Uniform. Das Einzige, was mich störte, war, dass es keine kurze Hosen gab. Da hatten die Mädchen, die sich einen Rock ausgesucht hatten, es im Sommer deutlich einfacher als Ich, da sie nicht so schwitzen mussten. Aber damit hatte Ich mich abgefunden. Nachdem Ich mir meine Klamotten über den Arm geworfen hatte, ging Ich duschen.

„Ich habe das Gefühl Geschichte wird von Halbjahr zu Halbjahr langweiliger." Beschwerte Ich mich bei meinen Freundinnen als wir aus dem Kurs rauskamen. Sie stimmten mir zu. Das römische Imperium hat mich nicht gerade wacher gemacht und Ich war genau so müde wie zuvor. Nur Lexy und Christy waren aufgedreht. „Aber hey, dafür haben wir jetzt Sport." Jubelte Christy. Ich wunderte mich. „Du hast dich noch nie so sehr auf Sport gefreut." Merkte Ich an. „Da hatten wir ja auch noch nicht so einen heißen Lehrer." Sie zwinkerte mir zu. Langsam fing das Thema an mich zu nerven. Ja, er ist neu, ja er sieht gut aus, aber die haben ja seit gestern kein anderes Thema. Auf dem Weg zur Sporthalle war er ebenfalls Thema Nummer eins. Aber nicht nur bei uns wie Ich hörte. Auch die anderen Mädchen aus dem Sportkurs redet von ihm. Sogar einige von den Jungs. Wobei die eher über sein Auto redeten. Ich war wohl nicht die Einzige, die ihn gesehen hatte.

Fire & IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt