Amirs Wings

K32

Ich holte die Briefe aus meinem BH raus und legte sie auf mein Bett. Ich ordnete sie nach dem neusten Stand. Diese Leyla war ja Verrückt nach ihm. Jeden Monat sendete sie ihm zwei bis drei Briefe. Ich hatte eins von 2013 erwischt. Ich öffnete es.

Stimmt es das du nach London gehen wirst? Du willst studieren? Ich habe es von deiner Schwester erfahren. Mein Herz ist in hundert Teile zerissen.
Ich dachte wir lieben uns und wollen für immer zusammen sein. Wenn du gehst, werde ich mein Leben ein Ende setzten...

Was sie schreibt. Sie muss ihn sehr geliebt haben. Ich öffnete einen anderen Brief.

Lieber Amir.

Du bist jetzt in Englang und ich bin hier. Gefangen in einem goldenen Käfig. Ich werde verrückt. Bitte. Komm mich besuchen. Ich vermisse dich. Nimm mich in deine Arme und sing mir dein Lied vor, dass du deiner Schwester immer vorsingst (...).

Mir tat Leyla so Leid. Amir ist so kalt zu ihr. Ich überpfüfte die Datumsangaben. Sie sind alle von 2013. Das war mir gar nicht aufgefallen. Sie schreibt also seit zwei Jahren nicht mehr. Ist sie jetzt mit einem anderen glücklich?

Ich öffnete einen weiteren.

Amir. Ich hab dir hundert Briefe zukommen lassen und du hast dir keine Mühe gegeben, mir zurück zu schreiben. Hasst du mich? Was habe ich dir getan? Ich dachte wir lieben uns. Amir. Amir. Amir. Ich würde wieder gerne dich so rufen.
Sind in London schöne Mädchen?
Vielleicht schreibst du mir nicht, weil du eine Schönere gefunden hast. Falls du eine Hast, bring ich mich um.

Ich kann es einfach nicht fassen. Wie in einem Film. Ich wusste nicht, ob ich in der Lage war, weiter zu lesen. Die Neugier siegte über die Angst.

Lieber Amir,

Deine Schwester hat geheiratet. Warum bist du nicht gekommen? Versuchst du mir aus dem Weg zu gehen? Seit zwei Jahren hab ich von dir nichts mehr gehört. Meine Eltern wollen mich verheiraten. Ich will nicht. Ich will nur dich und das weißt du auch. Wenn du mir bis zum Monatsendes nicht antwortest, werde ich mein Leben ein Ende setzten.

Ich schaute auf das Datum. 02.09.2013. kam danach noch ein Brief? Ich stand auf und ging in die Küche. Ich durchstörberte im Mülleimer. Amir war schlafen gegangen.
Ich muss wissen ob das der letzte Brief war. Dann gingen die Lichter an. Geschockt fiel ich auf den Boden. Amir stand mit verrenkten Armen vor mir.

"Wusst ichs doch." Sagte er.

Ich schämte mich Bodenlos.

"E...Es..tut mir Leid." Kam nur aus mir heraus.
Er ging auf mich zu nahm die Briefe aus meiner Hand und warf sie in den Mülleimer. Dann zog er mich barbarisch nach oben. Mein Oberarm schmerzte. So aggressiv habe ich ihn noch nie erlebt.

"Was durchstörbst du in meinen Angelegenheiten?" Schrie er. Ich war einfach nur sprachlos.

"Ich...weiß nicht. Ich wollte einfach nur mehr über dich erfahren und es kam einfach dazu, dass ich ihre Briefe gesehen habe und dann kam es dazu..."

Er ließ mich los. Ich fasste an mein Arm. Es tat so weh. Tränen bildeten sich.
Amir lief wütend hin und her.

"Hast du alle gelesen?" Fragte er mich.

"N..nein." Ich schluchzte weil ich weinte. Ich dachte er würde sich jetzt bei mir entschuldigen und mich umarmen, stattdessen fragte er mich weiter aus.

"Hast du den letzten Brief gelesen?"

"Welcher war der letzte?"

"02.09.2013."

Ich stand wie gelähmt da.

"Also hat Leyla..."

"Ja."

Leyla war schon Seit zwei Jahren tot?

"Aber deine Tante...Sie meinte du seist verlobt mit ihr und..."

"Sie ist nicht meine Tante. Sie ist Leylas Mutter. Sie hat nach ihrem Tot einen Schlaganfall erlitten und jetzt glaubt sie Leyla sei noch am Leben und würde mich bald heiraten."

Ich fiel erneut auf den Boden. Amir kniete sich neben mich.

"Ich hab Halime hier her gebracht. Ich bin verantwortlich dafür, dass es ihr so geht. Ich hab ihre Tochter umgebracht. Ich habe keine andere Wahl, als sie zu belügen und ihr ein friedliches Leben zu schenken."

Auch Amir brach in Tränen aus.

"Ich hab sie umgebracht..." Schrie er.

"Amir... Amir. Nein."

"Ich hab ihr nie geantwortet. Ich war viel zu beschäftigt mit Mädchen abzugeben. Ich habe ihre Gefühle ignoriert. Ich habe ihre Briefe nie geöffnet. Ich wusste nicht was Sie geschrieben hatte. Sie hat sich umgebracht und dass wegen mir."

"Amir beruhig dich." Ich umarmte ihn fester und streichelte seinen Kopf.

"Du wusstest doch nicht was Sie vor hatte. Du bist unschuldig. Sie hat sich selber umgebracht. Sie hätte einen anderen Weg wählen können, aber sie hat diesen Weg genommen."

Ich fragte mich, warum er sie nie beachtet hatte. Sie war ein bildhübsches, schlaues und nettes Mädchen, dass ihn unsterblich liebte.
Mich liebt er und sie konnte er nicht lieben. Sicher freue ich mich darüber, aber ich verstehe nicht weshalb.

"Harun ... Harun liebte sie. Aber sie liebte mich. Ich konnte doch nicht die Frau lieben, die mein Bruder liebte. Ich hatte einfach keine Gefühle für sie. Ich sah sie wie eine kleine Schwester. Sie hatte das nie verstanden."

"Harun?"

"Ja... Seit dem haben wir unsere Rollen getauscht. Er war früher der gutgläubige und sanfte und ich der unerziehbare."

Ich konnte das alles nicht glauben.

Ich brachte ihn ins Wohnzimmer. Ich gab ihm ein Glas Wasser.

"Das Wichtige ist was hier und jetzt ist ich bin hier und wir sind jetzt zusammen." Flüsterte ich. Er nahm mich auf sein Schoß.

Er krempelte meinen Ärmel hoch. Sein roter Handabdruck auf meinem Arm. Er küsste die Stelle.

Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er streichelte mir durchs Haar.

"Lass uns die Sache vergessen." Sagte ich. Amir nickte.

"Aber eins würde ich gerne wissen."

"Ja?"

"Warum wirfst du die Sachen erst jetzt weg?"

"Ich will nicht mehr jede Nacht in mein Arbeitszimmer gehen und zitternd versuchen die Briefe zu öffnen."

"Hättest du sie gelesen, würde sie..."

"Hätte ich sie gelesen, wärst du jetzt nicht hier, sondern sie."

Ich lächelte. Schicksal.

Ruhe in Frieden Leyla...