Kapitel 29

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Sicht: Manuel

Denn wen ich da sah, hätte ich mir in meinen phantasievollsten Träumen nicht vortsellen können. Mich starrten zwei, mir nur allzu bekannte, eissblaue Augen an, die mindestens genauso verwirrt schienen wie ich. Meine Tränen die ich zuvor aus Trauer vergossen hatte stoppten. Das kann nicht wahr sein. Nach all den Jahren, er hat sich kaum verändert. Der Wind stoppte genau wie mein Atem. Er war es.

"Manu?", hauchte der Junge auf der Bank die einige Meter entfernt stand.
Zeitgleich sprangen wir auf und beseitigten die letzte Entfernung die uns trennte. Ich fiel ihm in die Arme und wir klammerten uns gierig aneinander. Ohne Worte und es fühlte sich so verdammt richtig und gut an. Mein Herz wollte fliegen und aus meinem Brustkorb weichen so leicht wurde es. Keiner wollte den anderen los lassen, meine Tränen flossen stumm ihren Weg. Doch diese Tränen waren die schönsten die ich jemals geweint hatte, es war pure Freude und Erleichterung. Die Wärme die er ausstrahlte erwärmte meinen ausgekühlten, dürren Körper und mein Blut kochte förmlich in meinen Adern. Es war, als würde alles gut sein und die Zeit still stehen. Dieses Gefühl war so unbeschreiblich und besser als jeder Schnitt den ich mir bisher zugeführt hatte.

Michael, der ziemlich gewachsen war seit der Grundschule legte seinen Kopf auf meinen und drückte mich noch einmal fester an sich. Ich fühlte mich so geborgen und sicher, selbst nachdem wir uns etliche Jahre nicht gesehen haben. Mein Gott hab ich ihn vermisst. Ich kann nicht mehr. Und jetzt ist er da, endlich ist er wieder da. Genau da, wo ich ihn am meisten brauche.
Nun konnte ich auch Schluchzer nicht mehr unterdrücken, ich krallte mich in seine Jacke und grub mein Gesicht in diese. Beruhiged strich er mir über den Rücken, was sich tatsächlich gut anfühlte.

Verheult schaute ich nach oben in seine wunderschönen eisblauen Augen, in denen ebenfalls eine leichte Nässe schwamm. "Ich hab dich so vermisst, Micha." flüsterte ich rau und lockerte meinen Griff etwas, ließ ihn dennoch nicht ganz los. Ich kann ihn nicht nocheinmal verlieren. "Ich dich auch... Ich bin ja hier.. aber Manu, warum weinst du? ... Was ist los? Müssen wir uns nicht eigentlich freuen?", flüsterte mein alter Freund besorgt. Da ich nicht wusste wo ich anfangen soll und mir die Luft eng wurde, umarmte ich ihn erneut so stark es meine Kraft erlaubte.

Seine Wärme gewährte mir wieder zu atmen. Mit seinen kalten Fingern strich er mir durch die Haare. Ich zitterte und suchte nach den richtigen Worten, ohne von ihm abzulassen. "Hey.. du brauchst keine richtigen Worte, ich bin's doch.." sprach Micha weiter beruhigend auf mich ein, er kannte mich einfach. Ich fühlte mich so zerbrechlich und diese Situation machte mir klar, wie kaputt ich bin, wie ich gelitten habe und täglich leide.
"Es..ist einfach... Ich fr..freue mich so.. das.. das du da bist...", ich holte tief Luft. "Micha...ich.. ich kann nicht mehr..", weinte ich in seine Brust. Ich brauchte sein Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass er schockiert war. "Es.. ich.. es geht nicht mehr.. ich bin... es nicht wert.. du.. du.. verschwendest deine Zeit... mit.. mit.. mir" stotterte ich unter Tränen und er gab mir alle Zeit der Welt. So kannte er mich nicht, so kleinlaut, leise und schwach. Ich im Gegensatz kannte ihn schon als Kind als kleinen Beschützer, was sich bloß noch viel mehr ausgeprägt hatte.
"Bitte Manu.. du darfst sowas nicht sagen.. Ich bin doch da, ich verschwende nicht meine Zeit.. Geb nicht auf..", flehte er schon fast etwas verzweifelt. Ich nickte stumm gegen den Stoff seiner Jacke, ich wollte doch auch gar nicht aufgeben. Ich fand nur keinen anderen Weg mehr. "Kannst.. Willst... erzählst du es mir?", flüsterte der Brünette leise und wieder nickte ich. Ihm konnte man schon immer alles anvertrauen, selbst als er ein kleines Kind war.

Um nicht die ganze Zeit zu stehen, setzten wir uns auf die Bank. Ich löste mein Gesicht keinen Moment von ihm, so sollte er mich nicht sehen, es war mir peinlich. Es herrschte eine Stille um uns, ich hatte Zeit. Zeit die er sich nehmen und mir geben würde bis mein letztes Wort gesprochen hatte. Ich zog tief und zittrig die kalte Luft ein, während ich an Michael gelehnt auf den Rasen unter uns schaute.
"Ich.. also.. Nachdem du weg warst.. also als i..ich alleine war.. da fing es an.. Mein Vater mochte mich nie leiden.. und .. als er eines Tages seinen Frust... er hatte getrunken... zu viel..." (...)

Der Junge, den das Schicksal traf...|#kürbistumorfanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt