Kapitel 4

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Sicht: Manuel
Ich war gerade auf dem Weg ins Klassenzimmer und hoffte, dass unser Lehrer schon da sein würde. Wir hatten jetzt Herr Kaup, unseren Geschichts Lehrer. Der Unterricht ist immer langweilig, doch heute freute ich mich sogar ein kleines bisschen, was wohl daran lag, dass wir jetzt eine Arbeit schreiben würden.

Da ich keine Freunde habe, verbringe ich nachmittags auch viel Zeit damit zu lernen, weshalb ich auch immer gute Noten schrieb. Arbeiten zu schreiben war also für mich entspannend und ich hatte Ruhe von meinen Mitschülern, da keiner reden durfte. Es ärgert die anderen sowieso sichtlich, dass ich immer besser bin und oft nennen sie mich "Streber" oder so welche Sachen, was mich aber wenig stört, da das noch harmlos ist, im Gegensatz zu anderen Beleidigungen, die ich mir immer anhören muss.

Ich sah von weitem, dass der Klassenraum schon auf war. Wenigstens schon mal etwas und wenn jetzt noch der Lehrer da ist, habe ich Glück. Doch dem war nicht so und als ich gerade in den Klassenraum rein gehen wollte, wurde die Tür in dem Moment zugeschlagen. Sie knallte mir gegen meine Stirn. Der körperliche Schmerz war aber gar nicht das Schlimmste. Es war viel schlimmer das Lachen zu hören,  das von meinen Mitschülern ausging.

Ich atmete einmal tief durch, öffnete die Tür und beeilte mich zu meinem Platz in die zweite Reihe am Fenster zu gelangen. Genervt sah ich auf die Uhr, schon 5 Minuten nach acht und Herr Kaup ist immer noch nicht da. Doch als wenn man vom Teufel spricht kam er gerade die Tür herein.

Er ist sehr unfreundlich, aber das mag ich an ihm. Er behandelt alle gleich und erfordert Disziplin. Die Arbeiten waren verteilt und ohne eine weitere Besprechung ging es los.

Eigentlich sollte man die ganze Schulstunde an ist dem Ding hängen, ich war schon nach einer halben Stunde fertig. Jetzt könnte ich den Rest der Stunde die Ruhe genießen. Als ich aus dem Fenster sah, sah ich, weit in der Ferne, wie langsam die Sonne aufging...

/flashback/ Da saß ich nun, mit höllischen Kopfschmerzen auf der Straße. Weit entfernt von meinem kranken Vater. Einige Tage streunerte ich durch die Straßen und entfernte mich immer weiter von der gewohnten Umgebung. Ich wollte nie mehr zurück, nie mehr. Genau das hatte ich mir vor ein paar Tagen geschworen, als ich mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Fenster stieg und davon lief. An etwas zu Essen hatte ich da nicht gedacht, weswegen mein Bauch sich zusammenzog und ich einige Stunden echte Schmerzen vor Hunger hatte. Doch auch dies und das Gefühl, ich müsste kotzen hatte ich überwunden. Trotzdem wusste ich natürlich, dass es so nicht weiter gehen konnte. Angst kam in mir hoch. Was würde ich denn jetzt alleine machen? Was wird aus mir werden, wenn ich vor allem weglaufen? Ich war gerade mal 11 Jahre alt und hatte schon so viel schlimmes durchgestanden. War auf mich ganz alleine gestellt. Meine Kraft wurde weniger und erneut bekam ich heftige Krämpfe vor Hunger. Ich fragte eine ältere Dame, die sich soeben neben mich auf die Bank gesetzt hatte, ob sie wüsste, wo ich etwas zu essen und zu trinken her bekommen würde. Sie stellte sich als echt nett heraus und fragte mich viele Sachen. Vor allem was ich hier so alleine, in der Kälte mache. Ich konnte nicht anders, konnte diese nette Frau nicht anlügen. Sie war so wie eine Oma, die ich mir immer gewünscht hatte. Schließlich erzählte ich es ihr dann, den Grund, warum ich hier saß, auf der Straße. Keine Ahnung, aber ich vertraute ihr, was hätte ich denn auch schon für eine andere Wahl gehabt? Am Abend nahm sie mich mit zu sich nach Hause. Dort bekam ich warme Suppe, was zu trinken und reichlich liebe, wie ich es noch gar nicht kannte. Kein Wunder, das jeder von Oma's schwärmte, wenn sie so sind. In einer Decke eingekuschelt im Bett liegend hörte ich noch, wie sie telefonierte. Leider war ich zu müde um zu verstehen, worum es dabei ging. Der nächste Tag kam und ich fühlte mich wohl, richtig wohl. Zu meinem ehrlichen enttäuschen erklärte mir die alte Dame "Miss Channing", dass sie mit der Polizei gesprochen hatte. Sie wusste wo ich hin gehöre, wer meine Eltern, bzw mein Vater ist. Kopfschüttelnd, mit Tränen in den Augen erklärte ich ihr abermals, dass ich nicht zurück will. Sie verstand mich natürlich, aber meinte dennoch: "Mein Junge, bitte versteh doch, dass ich einfach zu alt bin. Ich werde bald 80, da habe ich keine Kraft mehr, mich um dich zu kümmern." Ihre Stimme zitterte "Aber ich kann für mich selbst Sorgen, bitte. Ich kann nicht zurück, bitte." Genauso hatte ich sie mit verheulten Augen angefleht. "Ich werde mich darum kümmern, dass du nicht mehr nach Hause musst, Kind. Aber hier kannst du nicht bleiben." Schniefend wendete ich mich ab und wenige Stunden später klingelte es an der Tür. Mir war klar, dass sie zu alt war und es womöglich nicht mal durfte, mich hier zu behalten. Aber damals als Kind verstand ich es natürlich nicht. Mir war auch klar, wo sie mich hinbringen würden: in ein Heim. /flashback Ende/

Ja so war es gewesen. Ich kam in ein Kindeheim, wo ich bis heute fest sitze. Damit hätte Ich nie gerechnet.

Im Nachhinein ärgerte ich mich über meine kindliche Unvernunft. Ich hätte mich der alten Frau nicht anvertrauen dürfen. Wobei irgendjemand mich wahrscheinlich früher oder später eh gefunden hätte. Zwar weiß ich schon, dass sie es nur gut mit mir meinte, schließlich hatte sie mir essen und trinken und ein warmes Bett gegeben, aber so wie sie gehandelt hatte, war es auch nicht richtig.

Ich bin nicht glücklich so wie es ist, wobei ich nicht glaube, dass ich auf der Straße glücklich geworden wäre, sicherlich nicht. Etwas in mir wollte Miss Channing aber wieder sehen. Das Problem nur, ich weiß nicht ob sie noch da wohnt und ob sie überhaupt noch lebt. Sie müsste fast 85 Jahre alt sein.

Anfangs hatte ich heftige Schwierigkeiten im Heim uns hatte sogar einmal wechseln müssen. Ja, vielleicht war ich etwas schwierig, aber mittlerweile geht es. Ich habe mich etwas eingelebt. Wobei eingelebt nicht heißt, dass ich glücklich damit bin, oder mich wie zu Hause fühle. Ich weiß generell gar nicht mehr, wie es sich anfühlt zu Hause zu sein. Ich habe kein Zuhause und selbst wenn es so ist wie alle sagem, von wegen zuhause ist da, wo deine Freunde sind, kann ich es nicht beurteilen. Ich habe ja nicht mal Freunde.

Aus meiner Klasse weiß natürlich auch niemand, in was für scheußlichen Verhältnissen ich lebe. Es ist und bleibt mein Geheimnis. Wie dumm wäre ich, würde ich Ihnen noch einen Grund mehr geben, mich zu mobben, oder womit sie mich aufziehen können.

Der Lehrer sammelte gerade die Arbeiten ein und ich überlegte mir schonmal, wo ich die nächste Pause verbringen würde.

Da meine Auswahlmöglichkeiten nicht sonderlich viele waren, war die Entscheidung schnell getroffen. So wie meistens werde ich gleich versuchen, so schnell es geht in die Jungstoiletten zu gelangen. Ich werde mich wie immer einschließen und auf den Dong zur nächsten Stunde warten. Alles wie immer.

"Ihr dürft gehen." Rief der Lehrer und ich stürmte los...

1201 Wörter

Der Junge, den das Schicksal traf...|#kürbistumorfanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt