Kapitel 35

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Sicht: Manuel

Er verstärkte, genauso wie ich den Druck um meinen Rücken und wir hielten einfach kurz inne. Ich atmete seinen Geruch ein und öffnete meine Augen wieder.
"Willst du mich erdrücken oder was?", scherzte ich in einer komischen, kindlichen, hohen, verstelllten Stimme, die ich ewig nicht mehr aufgesetzt hatte. Patrick lachte leicht und löste ich von mir.
Ich beobachtete kurz seine nicht zu deutende Mimik und rückte dann ein Stück zur Seite. "Komm setz dich alter Mann.", ich klopfte neben mich auf mein Bett und er setzte sich. Wir schwiegen uns kurz an, das piepende Gerät lief noch immer.

"Wie geht es dir?", fragte mich der Brünette nach einiger Zeit leise und unsicher. Ohne zu überlegen schüttelte ich beiläufig ab: "Ach es ist nichts, nur ein paar kleine Kratzer, sonst nichts." Auch wenn mir bewusst war, dass er Bescheid wusste, wie es mir wirklich ging, wollte ich es nicht zugeben. 'Wer Emotionen zeigt ist schwach und wird verprügelt', diese Message sitzt zu tief in mir nachdem sie mir jahrelang eingedrosselt wurde. Wie zu erwarten war, glaubte er mir kein Wort, aber er beließ es glücklicherweise dabei und fing an sich über die frühen Weckzeiten im Krankenhaus zu bechweren- auch wenn es ihn wie er meinte heute nicht betraf. "-nein aber ich mein, wozu? Die Leute langweilen sich doch eh den ganzen Tag, da könnten sie doch lieber erstmal ausschlafen!", prostetierte er gespielt aufgebracht und ich lächelte stumm.
Außerdem zählte er mir all die "tollen" Aktivitäten die für heute angesetzt waren auf, die wir gerade verpassten. "Bin ich froh, da nicht mit in dieses scheiß Museum zu müssen.", erwiderte ich daraufhin. "Ja same, aber ums Bowling später ist es wirklich schade."- "Naja.. geht so. Aber du musst hier auch nicht sein, du kannst ruhig gehen, das weißt du."

Er tat mir leid, er verschwendet seine Zeit mit sinnlosen warten bis es mir besser geht, aber Palle bestand darauf hier zu bleiben.
"-Ich hab dem Eickhoff heute Morgen erst erzählt wie scheiße es mir doch geht. Nene ich bleib hier, das bin ich gerne." Ich musste schmunzeln, ich konnte mir zu gut vorstellen, wie er unseren Lehrer komplett verarscht und danach Freudensprünge macht. Na gut, ganz so freudig war er ja scheinbar nicht, zumindest als ich aufgewacht war nicht.

"Willst du eigentlich drüber reden?", fragte mein Gegenüber irgendwann kleinlaut aus dem nichts. Ich überlegte wie ich ihm am freundlichsten sagen könnte, dass ich lieber all meine Probleme in mich reinfresse- weswegen ich so fett bin, und mich niemals jemanden komplett anvertrauen werde. Mir fiel allerdings nichts besseres ein als meinen Kopf zu schütteln und ins Leere zu starren. Aber auch das nahm er kommetarlos hin.

Auch danach fand er wieder eine neue Story zum erzählen um sich aufzuregen. Die meiste Zeit des Nachmittags, welcher super schnell verging, hörte ich lediglich zu und lächelte schwach aber aufrichtig. Es gab tatsächlich sogar ein paar wenige Momente in denen ich auflachte und das tat verdammt gut. Ich war froh, dass er hier war und genoss es ihm zuzuhören. Er war ein guter Erzähler, auch wenn er vielleicht das ein oder andere Mal etwas übertrieb und wahrscheinlich eine ganze Menge hinzudichtete um es spannender zu machen.
Da war die Geschichte, wo er auf der vorherigen Schule das Auto seiner Hasslehrerin vollgesprayt und anschließend wie bei SubwaySurfer weggerannt ist, oder der Klingelstreich der komplett in die Hose gegangen war, dann noch die als er eine Hausparty schmiss, die übelst aus dem Ruder lief und noch viele weitere. Mein Favorit war und blieb jedoch als er im Wald von einer Horde Wildschweinen verfolgt wurde, da ser und sein Kumpel den Frischlingen zu nah kam. Die Geschichte ansich mag nicht witzig sein, aber die Art wie er sie erzählte, diese Tonlage, diese Mimik und das Entertaining welches ihm perfekt liegt, machte sie unvergesslich.

Selbst für das Abendessen blieb er in meinem Zimmer und laberte weiterhin ohne Ende. Seine Augen waren zwar noch gereizt aber die Schwellung und Röte hatten eindeutig abgenommen. Später kam dann der Moment an dem er gehen musste und ich bedauerte es, aber sicherlich ist er müde und die Pfleger nerven schließlich auch schon wegen der Ruhezeit und so. "Ich schätze wenn wir die Aufforderung der Nachtruhe nocheinmal ignorieren, schmeißen die uns raus.". lachte Palle und kratzte sich am Hinterkopf, was extrem gut aussah- also auf eine lustige Art.
Ich nickte stumm, ja er muss gehen und ich muss damit klar kommen, muss mit mir selbst klar kommen sobald ich alleine bin. "Das bedeutet mir viel, dass ich hier sien darf.", hauchte er mir zum Abschied bei einer Umarmung bei der er vor dem Bett stand ins Ohr.
Bevor ich etwas erwidern konnte verschwand er auch schon mit einem letzten Lächeln, welches ich ich ihm gleichtat aus dem Zimmer.

Der Junge, den das Schicksal traf...|#kürbistumorfanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt