Kapitel 17

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Sicht: Manuel

Ich hatte mich auf meinen Platz gesetzt und saß da auch alleine, da es diesem Lehrer egal war, wo wir saßen solange wir ruhig waren. In der zweiten Stunde bemühte ich mich alles verpasste nachzuholen was mir auch relativ gut gelang.

Als ich damit fertig war legte ich meinen Kopf, der sich heute mal wieder besonders schwer anfühlte auf die alte Tischplatte und schnaufte leise und erschöpft vom Leben. Kurz war ich sogar eingenickt. Bis zu dem Zeitpunkt bis Mr. strenger Lehrer das dicke Religionsbuch neben mir auf den Tisch knallte.
Ich schreckte hoch und mir wurde mal wieder bewusst wie sehr ich diesen drecks Lehrer hasse. Er ist einfach immer arrogant, weiß alles besser, nimmt auf nichts und niemanden Rücksicht und rastet aus, sobald man den Kopf auch nur kurz ablegt.

Die anderen aus meiner Klasse lachten und verschwanden aus dem Raum, denn es war Pause. Genervt und hektisch räumte ich meine Sachen ein. Das schlimmste überhaupt ist es alleine mit einem Lehrer im Raum zu sein, weil man selber zu langsam ist. Sowas unangenehmes kann nichts übertrumpfen, dewegen sehe ich immer zu direkt hinter dem letzten, aber trotzdem mit der Masse zu verschwinden.

Mit dem Gedanken an gleich- Sportunterricht, verbrachte ich die Pause wie üblich in den Toiletten und kam danach zum Treffpunkt an der Turnhalle. Ich war mal wieder maximal motiviert, letzte Woche lief ja auch alles super gut. Nicht. Müde stellte ich mich abseits von allen hin und wartete bis die Türen aufgeschlossen wurden. Vom Sportlehrer, der wie immer zu spät und mit dem Auto ankam, typisch. In der Umkleide verpieselte ich mich in "meine" Ecke in der ich mich immer umzog.
Gerade zog ich mir meinen Pullover aus und wollte mir mein Sport T-Shirt über streifen, als Rewi einen dummen Kommentar von sich gab:
"Boah Manu, du bist aber fett geworden! Sieht schon echt scheiße aus.", woraufhin mich alle anglotzten. Natoll, jetzt fühlte ich mich noch unwohler. "Oha haha ja stimmt, ich würdˋs mal mit weniger fressen versuchen!", lachte ein anderer. Ich stand sowieso mit dem Rücken zu allen, zog mich schnell zuende an und verschwand in die Halle.

Herr Hussl brüllte gerade irgendwas von Disziplin und verkündete, dass wir heute laufen werden. Ich könnte mich wahrscheinlich nichtmal entscheiden was für einen Sport ich am schlimmsten fand, aber turnen und laufen steht da sehr sehr weit oben. Er stellte ein paar Hütchen auf und bestimmte Rewi und Dner, die jeweils abwechselnd Mannschaften wählen sollten.
Diese Art von Mannschaften wählen war mit Abstand die demütigendste von allen: jeder sucht sich die besten raus und zum Schluss bleiben jedes Mal die schlechten und unsportlichen übrig. Dann wird noch entschieden wer von ihnen das kleinere Übel darstellt und siehe da, ich bin als letzter zur "Auswahl".

Als Rewi sah, dass er mich in sein Team aufnehmen musste, stöhnte er genervt auf, was mich natürlich unfassbar aufbaute. Die zwei Mannschaften stellten ich nebeneinander und eine Art Staffellauf, wo immer zwei gegeneinander wettrennen mussten begann.
Ich musste gegen ein relativ unsportliches Mädchen antreten und selbst da war es sofort klar, wer gewinnen würde. Damit meinte ich nicht mich.

Der Pfiff ertönte und wir sprinteten los. Ich lief so schnell ich konnte aber die Distanz zwischen mir und ihr wurde trotzdem immer größer. Sie war schon einige Sekunden im Ziel doch für meine Note "bemühte" ich mich weiter. Wenige Meter vor der Ziellinie war ich schon heftig am schnaufen und konzentrierte mich nicht mehr ausreichend, sodass sich meine Beine ineinander verschlangen und ich stolperte. Ich bin einfach so dumm um über meine eigenen Beine zu stolpern! Es klatschte laut, als ich längs auf dem Bauch auf dem komischen Hallenboden landete.
Einen Moment war es ganz ruhig aber es dauerte nicht lange, da lachten sie. Ich wollte nicht mehr aufstehen, warum kann ich mir nicht den Kopf aufgestoßen haben? Dann könnte ich hier sofort weg, ich will nicht aufstehen und in ihre Gesichter blicken.

"Aufstehen und mach die Bahn frei!" schrie Hussl und selbst seine Stimme hörte sich alles andere als mitleidig an. Niemand hier hatte gefragt ob bei mir alles okay sei. Fucking niemand! Hab schon lange verstanden, es ist allen egal. Hauptsache sie können ihr Ding weiter machen und laufen, als wenn das so wichtig wäre. Wenigstens konnten sie lachen.
Ich hatte rüber zu Patrick geschaut der mich genauso lustig fand wie jeder. Bei ihm tat es, warum auch immer am meisten weh.

Eigentlich sollte ich den Unterricht normal weiter mitmachen, aber ich weigerte mich stumpf. Ich saß auf der Abseitsbank und schob es darauf, dass ich Knieschmerzen hätte und kaum laufen konnte. Mein Lehrer hatte dafür kein Verständnis und war sauer, drohte mir mit einer 6. Mir war das mit einem Mal alles egal. Ich sah keinen Sinn darin mich für ein paar kleine Zahlen weiter zu zerstören und die Witzfigur zu spielen.
Mit dem umziehen wartete ich, bis die Jungs aus der Umkleide raus waren.

Als Patrick als letzter den kleinen Raum verließ sprach er mir noch was zu, was Taddl vor ihm zum schmunzeln brachte: "Ich hoffe mal du hast dir wirklich weh getan. Hat auf jeden Fall schön geklatscht, kein Wunder bei deinem Übergewicht." Verletzt quetschte ich mich an ihm vorbei und schloss wortlos die Tür.
Scheinbar habe ich wirklich zugenommen, bin wirklich zu fett. Zwar dachte ich, ich sei wenigstens in dieser einen Sache normal, jedoch wird mir das in letzter Zeit so oft gesagt, dass es einfach stimmen muss! Ich kann ja nichtmal mehr vernünftig laufen ohne gleich hinzuklatschen.

In der Pause schlenderte ich langsam zur Schule zurück, sodass ich rechtzeitig zum Geschichtsunterricht zurück war ohne die Pause irgendwo rumhängen zu müssen. Ich setzte mich schonnmal auf meinen Platz, wo sich gleich Rewi neben mich setzen wird und kritzelte auf meinem Block sinnlos herum.

(...)

Während des Unterrichts verschwand die Lehrerin, die übringends sehr lahm ist, um was zu kopieren. Jeder der mal zur Schule war, weiß jetzt was passiert wenn die Schüler kurz alleine sind: Chaos. Das reinste Chaos brach aus. Rewi und Taddl schlenderten zum Pult und Dner und Patrick malten was an die Tafel, wo ich später mich erkannte, der sehr rund gezeichnet wurde. Daran stand ein Pfeil mit "Fetti". Wirklich lustig. Ich hab doch verstanden, dass ich abnehmen soll!
In der Zeit hatte Taddl die Klassenliste mit allen wichtigen Informationen gefunden und diese, warum auch immer mit einem Grinsen in seine Tasche gepackt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich absolut keinen Plan, was er damit wollte, jedoch würde diese Liste noch sehr wichtig werden. Hätte ich das gewusst, wäre mir einiges erspart geblieben...

(...)

Am Nachmittag ließ ich absichtlich mal wieder das Essen aus, sie hatten ja Recht. Ich bin fett und sollte mich nicht immer so vollfressen. Vielleicht sollte ich öfter auf das hören was die mir raten, ich weiß ja selber nicht mehr was richtig ist.

Aus Langeweile las ich mir die neusten Nachrichten aus der Anti-Manuel Gruppe durch und wurde dabei ungewollt sauer. Nicht auf meine Klassenkameraden oder jedes einzelne Mitglied dieser Gruppe, sondern auf mich. Weil ich es bin, der alle stört und nervt. Weil ich das fette Kind bin, dass mit seinem hässlichen Dasein jede gute Laune zerstört. Weil ich selber Schuld an allem bin, daran dass ich einsam bin, daran dass ich ein Opfer bin und gemobbt werde. Ich habe es nicht anders verdient und sollte mich ändern und anpassen. Doch genau bei diesem Versuch bin ich schon etliche Male gescheitert, ich schaffe es einfach nicht. Jedes mal wenn ich dachte ich mache was sie wollen konnte ich es nicht, war zu schwach. Genauso schwach wie ich jetzt bin, indem ich hier heule anstatt es bloß zu beenden. Oft hatte und habe ich den Gedanken das Leid zu beenden, aber ich schaffe es nicht. Niemand möchte mit mir zu tun haben, aber wem kann ich da böse sein? Ich bin doch selber daran Schuld...

Der Junge, den das Schicksal traf...|#kürbistumorfanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt