62) Ein Gedanke,der schlichten Klarheit.

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Von meinem Platz aus konnte ich durch die hohen Fenster des Terminals auf die Rollbahn sehen.

Die Sonne ging bereits unter,und ihre letzten Strahlen blinkten hell auf den Rümpfen der geparkten Flugzeuge.

Ich musste zugeben…der Heimflug war jedes Mal eine Wohltat.

Ein paar Stunden in der Luft,hinter dem Sonnenuntergang her,und ich war wieder ich selbst.

Ich trank nichts,las und schlief auch nie,sondern saß einfach nur ganz still da,atmete die abgestandene Luft des Flugzeuges und schaute starr aus dem Fenster,während die Erde unter mir in der Dunkelheit verschwand.

Wir sind diesmal um eine Gewitterfront herumgeflogen,die so groß war,dass sie aussah wie ein fliegendes Gebirge,und das wabernde Innere war von Blitzen erleuchtet gewesen wie eine Weihnachtskrippe.

In der Kabine war es dunkel.

Fast alle im Flugzeug schliefen.

Volle zwanzig Minuten lang flog das Flugzeug am Rand des Gewitters entlang,ohne auch nur einmal zu bocken.

In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie solch ein gigantisches Naturschauspiel gesehen,noch nie die immense Gewalt der Natur so direkt vor Augen geführt bekommen.

Die Luft im Inneren des Gewitters war ein Tumult aus purer atmosphärischer Hochspannung,und doch saß ich hier,von Stille unhüllt,jagte dahin mit nichts als dreißigtausend Fuß Luft unter mir und beobachtete das alles,als wäre es ein Film auf einer Leinwand,ein Stummfilm.

Ich wartete darauf,dass die näselmde Stimme des Piloten knisternd aus den Lautsprechern kam und etwas über das Wetter sagte,damit die anderen Passagiere die Show ebenfalls genießen könnten,aber das geschah nicht,und als wir mit vierzig Minuten Verspätung in Berlin gelandet waren,hatte ich auch nicht mehr darüber dachgedacht.

Ist er zärtlich zu dir?,hatte mich meine Mutter mal gefragt.

Ist er liebevoll?Kümmert es ihn,was mit dir passiert?Mehr will ich nicht wissen.

Aber Samu war nur zu gern zärtlich.

Ich kann es nicht glauben!,sagten sein Gesicht und sein ganzer Körper.

Ich kann nicht glauben,dass du mir gehörst!

Wenn Samu im Dunkeln auf mir schnaufte und keuchte,ich seine Nähe spührte,wenn kein einziger Laut aus unseren Mündern kam,die Einzigen waren die Laute der Liebe.

Alles war Teil unseres Glückes im Nebel der Liebe.

Dann war mir ein Gedanke heraufgedämmert,ein Gedanke,der schlichten Klarheit:ein Baby.

Wir bekamen ein Baby.

Mein Baby,Samu's Baby,unser gemeinsames Baby.

Ein Kind war nichts,was nur im Kopf existierte,so war die Liebe.

Ein Kind war eine Tatsache.

Es war ein Mensch,und es hatte einen eigenen Charakter und einen eigenen Willen.

Und letztlich scherte es sich nicht darum,was man von ihm dachte.

Durch seine bloße Existenz verlangte es,dass man an die Zukunft glaubte,an eine spätere Zeit,in der es krabbeln,laufen,leben würde.

Ein Kind war ein Stück Zeit;es war ein Versprechen,das man gab und von der Welt zurückbekam.

Ein Kind war die älteste Abmachung zum Weiterleben,die es gab.

Liebe lebt finnisch(done)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt