14. Kapitel

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     Mit einem Eis in der Hand liefen wir beide durch die Gassen von Cres, abseits der Menge. Vorhin hatte ich ihm noch alles nötige in der kleinen Stadt gezeigt, doch irgendwann war es uns beiden zu viel gewesen und jetzt schlängelten wir uns durch die Gassen, in der Nähe der Kirche. Hier in den Gassen gab es viele versteckte schöne Dinge. Zum Beispiel ein Restaurant, dass sehr gut kochte und sogar einen Jubilier mit viel Schmuck. Doch hauptsächlich liefen wir hier um den Menschen und der Sonne zu entgehen.
     Hier in den Gassen war es gemütlich, ruhig und schattig. Ab und an sah man eine Katze oder hörte die Einwohner miteinander reden. Andere wuschen ihre Wäsche und hingen sie gerade über unseren Köpfen auf. Zwischen den Häusern hindurch zu laufen, fernab vom Trubel, bot einem meist einen tieferen Einblick als wenn man nur am Hafen entlang lief. Viele wollten nicht in die Gassen hinein, um sich nicht zu verlaufen.
     Verständlich. Oft hatte man das Gefühl das es Labyrinth an Gassen war. Man konnte sich hier schnell verlaufen, wenn man sich keine Mühe gab nachzudenken. Es kam immer darauf an, in welche Richtung man wollte. Man konnte nicht einfach darauf losgehen. Wenn man aber einen Plan hatte, in welche Richtung man wollte, fand man den Weg eigentlich immer. Dardan schien sich zumindest nicht unwohl zu fühlen mit mir zu laufen.
     Ganz interessiert blickte er die alten Häuser an, die weit nach oben ragten. Als Kind hatte ich immer befürchtet, dass sie umkippen würden. Von unten, wenn man nach oben sah, hatten sie fast schief gewirkt, so hoch waren sie, wenn man ein Kind war, und deswegen hatte ich immer gedacht, dass sie umkippen würden. Natürlich waren sie nicht wirklich schief. Aber gedacht hatte ich das. »Es macht mir irgendwie mehr Spaß durch diese ruhigen Gassen zu laufen als mit den Menschen die ganzen Geschäfte anzusehen«, meinte Dardan und sah mich lange an.

     Sein intensiver Blick jagte mir einen Schauer über den Rücken, während mein Herz bei seinen Worten wilder begann zu schlagen. Es freute mich einfach, dass es ihn gefiel. Warum auch immer. Ein Teil in mir wollte immer, dass es ihm gefiel. Das wollte er wirklich. Dabei könnte es mir ja egal sein, weil Dardan sicher nicht mehr hierher kommen würde. Warum auch? Er war ja nur hier, weil ich hier war. Vermutlich würde er nicht mehr kommen, schon allein, weil er das Fliegen hasste.
     »Es ist schön, dass es dir gefällt. Ich hatte schon Angst du würdest die Gassen nicht toll finden«, kamen die Worte über meine Lippen, ehe ich sie aufhalten konnte. Dardans Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Wieso hattest du davor Angst? Was hätte ich denn böses denken oder sagen sollen?« Schnell zuckte ich mit den Schultern, um das alles zu überspielen. Er musste es ja nicht unbedingt wissen, nicht wahr? Es ihm zu sagen wäre nur peinlich. »Keine Ahnung.« Damit lief ich schnell weiter. Dardan folgte mir.
     Wir liefen so lange, bis wir aus der Stand draußen waren und nun auf die Straße trafen, wo auch ein großer Parkplatz war. Traurig glitt mein Blick zu dem Restaurant, dass es nicht mehr gab. Es war einfach weg. Einfach so. Es war schon länger weg, doch es traf mich immer wieder, wenn ich das leerstehende Gebäude sah. Es traf mich einfach und sorgte immer für einen Stich in meiner Brust. Man merkte die Veränderung. Auch hier hatte sie bereits eingesetzt, sie ging nur langsamer voran.
     Um einiges langsamer. Viel langsamer. Und trotzdem war sie da. Es war... beängstigend. In vielerlei Hinsicht. Niemand schien diesen Wandle aufhalten zu können. Niemand. Er war einfach da. Von heute auf morgen und ging langsam voran. Dardan schien zu merken, dass mein Blick an dem verwahrlosten Gebäude immer wieder hängeblieb. Er war so schlau nicht zu fragen, was ich dachte. Vermutlich wäre ich sonst in Tränen ausgebrochen. Meine Kindheit hatte ich in diesem Restaurant verbracht. Zumindest im Sommer. Wir hatten gelacht. Wir hatten gespielt und wir hatten Spaß gehabt.

     Das alles war vorbei und jetzt kümmerte sich niemand mehr um das Restaurant. Es war nur noch ein leerstehendes Gebäude. Dort wo mal Leute gesessen und gegessen hatten, standen keine Tische mehr. Dort, wo Musik aus den Boxen gekommen war, war nicht mehr. Nur Leere. Sie fanden nicht mal einen neuen Besitzer für dieses Haus. Eilig wandte ich den Blick ab, um nicht doch in Tränen auszubrechen. Es war ein schöner Tag. Ich wollte ihn nicht damit verbringen zu weinen.
     Nachdem wir beide unser Eis aufgegessen hatten und uns noch ein bisschen umgesehen hatten, liefen wir wieder zurück. »Und? Was kochen wir heute?«, fragte ich, rein aus Neugier, aber auch, um mich abzulenken. Dardan grinste. »Wir? Möchtest du mitkochen?«, fragte Dardan mich. Schnell nickte ich, obwohl ich vermutlich den Kopf hätte schütteln sollen. Mit ihm in der kleinen Küche zu kochen wäre wohl keine gute Idee. Überhaupt nicht. Denn sie war klein und wir würden nah beieinander stehen.
     Auf der anderen Seite wollte ich ihn nicht alles allein machen lassen. Mir fiel auf, dass ich mich in die Scheiße geritten hatte. Ich muss ihm aus dem Weg gehen, erinnerte ich mich. Um ihm nicht wehzutun. Das wäre das einzig Faire an der Sache. So viel war ich ihm schuldig. »Nein. Das war anders gemeint. Du kochst und ich warte wieder.« Diese Worte kamen schärfer aus meinem Mund als beabsichtig und schon bereute ich sie auch. Allerdings wusste ich auch, dass ich ihn auf Abstand halten musste.
     Dardan war ein Mensch, der sich nicht so leicht auf Abstand halten ließ, meiner Meinung nach, weswegen ich wohl oder übel zu böseren Mitteln greifen musste. Leider wusste ich nicht, ob es klappen würde. Unsicher sah ich auf den Boden. Noch nie hatte ich so sein müssen. Noch nie. Allerdings wusste ich langsam nicht mehr, was ich tun sollte. Ich wusste es einfach nicht mehr. Er verwirrte mich. Sein Schweigen sagte mir, dass ich ihn vermutlich gekränkt hatte. Irgendwie jedenfalls. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, obwohl es ja eigentlich so geplant gewesen war.

Das Rätsel der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt