21. Kapitel

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     Nach einer weiteren Stunde hatten wir alles zusammengepackt. Dardan hatte die anderen böse angesehen, die gelacht hatten, weil ich nicht mehr im Stande war, etwas zu ihnen zu sagen. Meine Kochen fühlten sich an wie Wackelpudding. Bei jedem Brummen eines Tieres war ich aufgeschreckt. Es kam mir ja selbst dumm vor, solche Angst zu haben. Doch mein Kopf dachte nicht an das Tier an sich, sondern an die Folgen, die ein Stich haben konnte. Daran, wie ich eine gefühlte Ewigkeit keine Luft mehr bekommen hatte und das Gefühl gehabt hatte zu sterben.
     Es war schrecklich gewesen. Besonders, da nur Phoenix mich beruhigt hatte. Nur sie. Meine Mutter hatte immer wieder gesagt, dass ich mich nicht so haben sollte und Papa war in der Arbeit gewesen. Mum hatte ihn nicht mal angerufen. Erst am Abend hatte er davon erfahren und war ausgerastet, warum sie ihn nicht angerufen hatte, weil ich hätte sterben können. Denn das hätte passieren können, wenn wir nicht ins Krankenhaus gefahren wären. Deswegen hatte ich solche Angst.
     Dieses erdrückende Gefühl auf der Brust, dieses Brennen in den Lungen und diese Enge wollte ich einfach nie wieder haben. Alles war so heiß gewesen, alles hatte sich gedreht. Dardan sprach noch immer Tacheles mit den anderen und machte sie fertig. Nur am Rande bekam ich mit, was er zu ihnen sagte. Da ich zu schwach war, um etwas zu sagen, ließ ich ihn machen und starrte vor mich hin. Die Angst saß einfach noch immer in meinen Knochen, obwohl es nicht wollte. Ich wollte keine Angst haben.
     Ich wollte stark sein. In diesem Moment kam Dardan bereits zu mir, nahm meine Hand und zog mich mit sich. Langsam folgte ich ihm. Er trug beide Taschen in der einen Hand und mit der anderen Hand zog er mich mit sich zum Steg. Ehe wir das Boot erreichten hielt er an und musterte mich von Kopf bis Fuß. »Kannst du fahren?«, fragte er mich und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ich nickte, wenn auch etwas unsicher. Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Wenn nicht, dann kann ich Damir für dich anrufen und er kommt hierher. Ich könnte mit dem Auto zurückfahren und er würde dich rüber fahren.« Schnell schüttelte ich den Kopf.

     »Ich schaff das schon. Aber danke.« Lange musterte Dardan mich, dann nickte er. Ich zog mir die Schuhe aus, warf sie ins Boot und dann sprang ich hinein. Eine Sekunde lang suchte ich nach meinem Gleichgewicht, ehe ich es fand und Dardan eine Tasche abnahm. Er sagte nichts, er ließ mich machen. Und etwas später fuhren wir auch schon davon. Das Lachen der andere hallte noch immer in meinen Ohren und ich hoffte, betete, dass es verklingen würde, sobald ich am Campingplatz war.
    Sie lachten nicht wirklich. Ich hörte dieses Lachen nur in meinem Kopf, da es sich dort festgebrannt hatte. Sie schienen wohl nicht zu verstehen, wie das war. Warum auch? Sie waren wohl noch nie gestochen worden und hatten dabei Todesängste ausstehen müssen. Ich hingegen schon und ich wünschte das niemanden. Diese Angst war... sie war nervenaufreibend und führte nur zu schlechten Dingen.
    Ich war nur froh, dass Dardan mich nicht darauf ansprach, sondern mich fahren ließ. Er sprach mich auch nicht mehr darauf an, als wir eine halbe Stunde später im Bungalow waren und erstmal unter der Dusche verschwand, während er sich umzog, um uns Pizza holen zu gehen. Er sprach mich einfach nicht darauf an. In der Dusche duschte ich so kalt wie möglich, um an etwas anderes zu denken.

     In der Hoffnung, dass das kalte Wasser die Angst vertreiben würde, drehte ich noch mal ein bisschen auf. Woher diese große Angst kam wusste ich nicht. Vermutlich, weil ich nicht gedacht hatte, so schnell mit einer Wespe konfrontiert zu werden. Eigentlich war immer darauf vorbereitet, weswegen dadurch die Angst nicht so stark ausgeprägt war. Doch heute hatte sie mich auf dem falschen Fuß erwischt und ich konnte kaum etwas dagegen tun. Stattdessen stand ich in dieser Dusche, in der Hoffnung, dass das kalte Wasser die Angst vertreiben würde.
     Die Zeit schien stillzustehen, während ich mich mit kaltem Wasser duschte. Mit jeder Sekunde wurde alles tauber. Wie lange ich in der Dusche stand konnte ich schon gar nicht mehr sagen. Erst als mein Körper zu zittern begann und mein Kopf von dem ganzen kalten Wasser wehtat, drehte ich die Dusche aus und stieg hinaus. Die plötzliche Hitze im Raum traf mich wie ein Vorschlaghammer und am liebsten hätte ich mich wieder in die kühle Dusche verzogen.
    Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass meine Lippen blass waren und schon langsam einen bläulichen Ton angenommen hatten. Gerade so schien ich wohl den richtigen Moment abgepasst zu haben. Nachdenklich griff ich nach dem Handtuch und trocknete mich ab, in der Hoffnung, die letzten Reste der Angst von mir schrubben zu können. Ich schrubbte so hart über meine Haut, dass sich die Haut etwas pellte.

Das Rätsel der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt