18. Kapitel

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     Wann der Plan schiefgegangen war? Ich wusste es nicht mehr. Das Buch lag vergessen auf dem Boden, während Dardans Lippen sich gegen meine bewegten. Feuchte Strähnen fielen dabei auf mein Gesicht, doch das störte mich nicht. Im Gegenteil. Ich mochte es. Er roch nach einem Duschgel, dessen Geruch ich nicht einordnen konnte. Es war kein Duschgel, dass die meisten Männer nutzten. Eher etwas anderes. Frischeres. Es roch wundervoll. Wann er sich zu mir gebeugt hatte?
     Ich war rot geworden, als eine Sexstellte begonnen hatte und hatte nicht weiterlesen wollen, deswegen hatte ich begonnen das Buch zuzuklappen und hatte ihm mitgeteilt, dass ich nun gehen würde, doch schon hatte er sich zu mir gebeugt und die Lippen auf meine gedrückt. Doch der Plan war vermutlich schon vorher schiefgegangen, als ich mich zu dicht neben ihn gesetzt hatte. So dicht, dass ich seine Körperwärme hatte spüren können. Vermutlich hätte ich das einfach unterlassen sollen.
     Mein Kopf war nach rechts gedreht und langsam tat mein Hals durch diese Haltung weh, gleichzeitig wollte ich aber nicht aufhören ihn zu küssen. Das kam nicht für mich in Frage. Nicht wirklich jedenfalls. Ich wollte es nicht. Ich wollte einfach nicht aufhören ihn zu küssen. Nicht jetzt. Womöglich merkte er, dass es langsam wehtat, denn er bewegte sich und eine Sekunde später waren meine Beine zwischen seinen Schenkeln und seine Hände neben meinem Kopf, an der Lehne des Bettes.

     Neue Hitze wallte durch meinen Körper, als ich realisierte, dass er nun auf mir war. Wirklich auf mir. Ein Kribbeln jagte durch meinen Körper und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Er war mir so nah. Sein Kuss war stürmischer als vorhin. Wilder. Drängender. Je länger ich hier saß und ihn küsste, desto mehr wurde ich zu Wachs in seinen Händen. Mein Gehirn stand kurz davor sich abzuschalten. Einfach so.
     Bei einem Mann war mir das noch nie passiert. Nicht so richtig jedenfalls. Einige Zeit hatte ich an nichts gedacht, doch dann waren die Gedanken wieder gekommen. Ich hatte mir Sorgen gemacht, wo ich meine Hände hintun sollte, ob ich gut küssen konnte oder ob ich Mundgeruch hatte. Bei Dardan kamen diese Gedanken nicht.
     Vielleicht, weil wir beide uns ergänzten? Vielleicht, weil ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte? Ich wusste nicht, warum diese Gedanken nicht kamen, doch ich war froh darüber. Wirklich froh darüber. Denn so konnte ich das hier genießen. Mein Blut war so in Wallung, dass ich jede Müdigkeit vergaß, obwohl es sicher bereits nach Mitternacht war. Mitternacht... wir mussten morgen früh aufstehen!

     Widerwillig drückte ich sanft gegen Dardans Brust. Irritiert löste er sich von mir und sah mich fragend an. »Ist es zu viel?«, fragte er, mit Sorge in seiner Stimme. Schnell schüttelte ich den Kopf. »Nein. Ich mag es, wenn du mich so küsst aber... wir müssen morgen sehr früh aufstehen und deswegen sollten wir schlafen«, erwiderte ich mit geröteten Wangen, als ich auf seine Lippen sah, die viel zu einladend zum Küssen waren.
     »Du hast recht. Tut mir leid. Du warst nur so süß, als du rot wurdest und ich musste dich einfach küssen«, hauchte er und schon legte er sich wieder neben mich. Mit klopfendem Herzen sah ich ihn an, unsicher ob ich nun in mein Zimmer gehen oder hierbleiben sollte. Mein Herz schrie, dass ich neben ihm schlafen sollte, mein Kopf schrie, dass ich in mein Zimmer gehen sollte. Was ich nun tun sollte war mir noch unklar. Hier zu schlafen könnte bedeuten, dass... nein, ich werde nicht wieder zu viel nachdenken, sagte ich zu mir selbst, bereit all das hinter mir zu lassen.
     Zumindest für die nächsten drei Wochen. Also ließ ich meinen Kopf auf das Kissen sinken und drehte mich zu ihm. Schmollend verzog er das Gesicht, zog mich an sich und bettete meinen Kopf auf seine nackte Brust. Leise lachte ich und schmiegte ich mich an seinen warmen Oberkörper. Seine Nähe fühlte sich gut an. In seine Nähe hatte ich das Gefühl atmen zu können, als würde eine uralte Last von meinen Schultern und von meiner Brust fallen. Es fühlte sich gut an. Sehr gut sogar.

     Lange hatte ich immer dieses drückende Gefühl auf der Brust gehabt. In den USA war immer dieser Druck auf meiner Brust und auf mir. Dieser Druck, zu wissen, dass meine Familie mich nicht so liebte wie ich war. Natürlich blieb ich so, wie ich war, was nicht bedeutete, dass ich nicht darunter litt. Natürlich blieb ich mir selbst treu, doch es war schwer, wenn ich den Blick meiner Mutter sah. Ich fühlte mich dort einfach nicht mehr wohl. Hier in seiner Nähe tat ich das aber. Als wäre ich endlich frei. Frei von allen bösen Worten und Vorurteilen. Ich war frei.
     »Gute Nacht, Dardan«, wisperte ich und drückte mich enger an ihn. »Gute Nacht, kleiner Wildfang«, wisperte er. Auf meinen Kosenamen konnte ich nicht mehr reagieren, da mich dann doch die Müdigkeit packte. Gerade so bekam ich noch mit, wie Dardan das Licht ausschaltete, ehe ich von den sanften Schwingen des Schlafes hinfort in die Dunkelheit getragen wurde.

Das Rätsel der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt