34. Kapitel

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    Damir sah aus, als wäre sein sehnlichster Wunsch wahrgeworden. Phoenix war hier. Die beiden sahen sich eine ganze Weile an, ohne das jemand etwas sagte. Dann räusperte Damir sich und sah mich an. Er erkannte wohl das ich geweint hatte, denn er verzog den Mund. »Was ist passiert?«, fragte er. »Ich wurde mit der Vergangenheit konfrontiert«, antwortete ich. Dardan schnaubte.
    »Du meinst wohl, dass jemand dich damit konfrontiert hat.« Sein wütender Blick schien Phoenix zu erdolchen. Genau das hatte ich nicht sagen wollen. Vermutlich, weil sie meine Schwester war und ich verstand, was los war. Ich konnte es verstehen. Damir sah Phoenix an. Bevor er etwas sagen konnte, ergriff sie das Wort. »Bevor du sagst, dass ich nur dafür hier bin. Nein, das bin ich nicht. Ich wollte für sie da sein, weil sie sonst immer allein war an ihrem Geburtstag. Doch dann komme ich hierher, will sie überraschen und wo finde ich sie? Auf seinem Schoß mit der Zunge in seinem Hals. Beide haben mich angelogen. Tut mir ja leid, dass ich da sauer werde.«
     Dardan schnaubte erneut, doch sagte nichts weiter dazu. Damir sah Phoenix an. »Bist du sauer, weil sie gelogen hat oder weil sie dir den Mann wegnimmt?« Der intensive Blick aus seinen Augen verriet, welche Antwort er hören wollte. Die beiden schienen uns vergessen zu haben, denn Tränen traten in ihre Augen, die sie schnell wegblinzelte. »Das ausgerechnet du das fragen musst...« Sie wandte sich ab und sah mich an.

    »Ich bin nicht sauer, dass du ihn magst. Ich bin sauer, weil du dachtest, dass du es mir nicht sagen kannst und mich anlügen musst. Ich bin sauer, weil dich alle mehr zu mögen schienen als mich... ich stehe euch nicht im Weg.« Meine Lippen zitterten etwas und Dardan kam zu mir und zog mich an seine Brust.
    »Dann bist du wirklich hier, um meinen Geburtstag mit mir zu feiern?«, fragte ich leise. Sie nickte und nun rollte auch ihre eine Träne über die Wange. »Natürlich, du Idiotin. Du bist doch meine Schwester.« Und dann bewegten wir uns beide einfach aufeinander zu und kurz darauf lagen wir uns in den Armen und weinten noch mal eine Runde.
    Erst als Damir sich räusperte, lösten wir uns voneinander und sahen ihn an. »Ja?«, fragte ich. Er schenkte mir ein kleines Lächeln, wagte aber nicht in Phoenix' Richtung zu sehen, als würde er sich schämen. »Wir sollten langsam los. Also falls du noch essen gehen willst. Wir würden zwar etwas zu spät sein, aber das ist in Ordnung.« Ich warf einen Blick auf die Uhr... oh Gott, es war schon so spät.

     »Okay, ich dusche nur ganz kurz und dann komme ich«, meinte ich und huschte ins Bad, ehe jemand etwas anderes sagen konnte. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, fiel damit auch ein gewisser Druck von meiner Brust. Kein Blick brannte mehr auf mir und wenn dem so war schirmte mich die Tür davon ab. Ich genoss es. Ich genoss diese plötzliche Stille, die mich umgab. Ich genoss es.
    Meine Gedanken wurden ruhig und friedlich. Die wilde Achterbahnfahrt war vorbei. Der Druck auf meiner Brust ließ nach und es fühlte sich an als könnte ich endlich wieder atmen. Alles war so... so ruhig. So verdammt ruhig. Langsam stieß ich mich von der Tür ab und streifte die Kleidung von meinem Körper, ehe ich einen Blick in den Spiegel warf und erschrak. Rote Ränder zierten meine Augen, meine Lippen waren zu einem schmalen Strich verzogen und mein Blick wirkte trüb.
     Nicht gerade der Anblick eines Geburtstagkindes. Eher der Anblick eines tieftraurigen Mädchens. Doch damit musste ich wohl leben. Fürs erste zumindest. Eine Dusche würde guttun und neues Leben in meinem Körper erwecken. Zumindest hoffte ich das. Sicher konnte ich mir da aber nicht sein. Entschlossen schlüpfte ich unter die Dusche und stellte das Wasser an, um das Salz des Meeres und meiner Tränen von meinem Körper zu waschen.

     Meine Ohren lauschten angestrengent dem Rauschen des Wassers, um ja nicht in den dunklen und tiefen Gedanken der Welt zu versinken. Phoenix war hier. Meine Eltern hatten mir nicht geschrieben und auch nicht angerufen. Nur Mace hatte das getan, auch gleich für seinen Freund. Von meiner Familie war nur meine Schwester hier.
    Nichts anderes hatte ich erwartet, doch es tat dennoch weh. Nein, rief ich mir in Erinnerung. Nicht in diesen Gedanken versinken. Also tat ich mein Bestes um genau das nicht zu tun. Und es klappte. Zumindest für den Moment. Etwas später huschte ich in mein Zimmer und mir etwas zum Anziehen zu suchen. Nachdem ich mich für ein schönes Oberteil entschieden hatte, dass an den Schultern frei war und knappe Shorts war ich mit meinem Aussehen zufrieden. Dardan war anscheinend im Bad, denn als ich daran vorbeilief hörte ich das Rauschen der Dusche.
    Im Wohnzimmer herrschte eisige Stille. Phoenix saß auf dem Sofa und blätterte wahllos in dem Prospekt des Campingplatzes herum, während Damir am Esstisch lehnte und sie beobachtete. Keiner der beiden sprach ein Wort, doch ich sah die Sehnsucht in Damirs Augen und eine gewisse Qual. Er wollte sie anfassen. Sie berühren. Sie in den Armen halten und nie wieder loslassen. So sah es zumindest aus.

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