16. Kapitel

373 29 6
                                    

     Meine Gedanken drohten sich zu überschlagen, während er hier noch immer vor mir stand, mit Sorge im Blick. Einmal holte er tief Luft und sah er mir dann in die Augen. Mein Herz pochte plötzlich noch wilder in meiner Brust. »Du hast mir nicht gesagt wo du hingehst. Du bist einfach gegangen und ich habe mir Sorgen gemacht. Ich habe dich überall gesucht und wollte das mit dir klären, da du offensichtlich nicht möchtest, dass ich da bin. Doch ich fand dich nicht. Zufällig fand ich Sita und fragte sie, ob sie wüsste, wo du bist. Sie meinte, dass sie auch nach Damir suchen würde, weil er auch nicht da wäre. Da ich deine Nummer nicht hatte, schrieb sie Damir an und er schrieb ihr, dass wir hier wären. Dann habe ich mir ein Taxi genommen und bin hergefahren, weil ich mir Sorgen gemacht habe und weil ich das klären wollte.«
     Noch einmal holte er tief Luft und schien sich einen Moment lang sammeln zu müssen. Dann sah er mich mit plötzlicher Unsicherheit im Blick an. »Wenn du mich nicht da haben willst, dann sag es mir jetzt. Dann buche ich mir morgen einen Flieger und fliege wieder zurück.« Mein Herz krampfte, als ich die Entschlossenheit in seinem Blick sah. Er würde es tun. Er würde gehen, wenn ich ihm sagte, dass er das tun sollte. Die Wahrheit aber war, dass ich das nicht wollte. Ich wollte nicht, dass er ging.
     Gleichzeitig wollte ich, dass er ging. Gott, langsam wusste ich wohl nicht mehr, was ich wollte. Ich wusste es einfach nicht mehr. Es wäre richtig ihm zu sagen, dass er gehen sollte, doch ich konnte auch nicht vergessen, was Damir mir gesagt hatte. Denn er hatte recht. Dardan war nicht ihr Typ. Überhaupt nicht. Trotzdem kam es mir wie Verrat vor, wenn ich nur daran dachte, dass ich ihn mochte. Denn das tat ich. Es fühlte sich komisch und gleichzeitig so richtig an. Lange sah ich ihn an, ohne einen Ton von mir zu geben. Als ich länger nichts sagte, schien er das als Antwort zu deuten, denn Schmerz machte sich in seinen Augen breit.
     »Okay, gut. Ich gehe schon mal vor zum Auto un-« Ehe er weiter sprechen konnte, schlang ich meine Arme um ihn und drückte mich an ihn. Überrascht keuchte er auf, schlang aber seine Arme reflexartig um mich. »Geh nicht«, wisperte ich. Bei diesen Worten drückte er mich noch fester an sich. »Manchmal verstehe ich nicht genau, was du willst, Mika«, murmelte er in mein Haar, hielt mich aber weiterhin fest. Die Wahrheit war, dass ich oft wusste, was ich wollte, es mir aber verwehrte, um anderen nicht wehzutun. Vielleicht hatten Damir und Dardan recht. Vielleicht musste ich auch mal etwas für mich tun. Auch, wenn es andere verletzten könnte.

     »Manchmal verstehe ich mich selbst nicht«, erwiderte ich leise, was der vollen Wahrheit entsprach. Manchmal wusste ich selbst nicht, warum ich immer an andere dachte. Ich verstand nicht, warum mir andere wichtiger waren als meine eigenen Gefühle. Was ich in diesem Moment wusste war, dass ich Dardan kennenlernen wollte. Nicht nur wollte, sondern auch musste. Er sah mich. Er sah mich wirklich und ich wollte mir das nicht entgehen lassen, nur weil meine Schwester vielleicht darunter leiden würde.
     Dabei gab ich Damir allerdings recht. Dardan war nicht wirklich ihr Typ. Vielleicht hatte sie wirklich nur so traurig gewirkt, wegen der Tatsache, dass Dardan sich für mich entschieden hatte. Was noch immer absurd war. Gleichzeitig hatte ich Angst Dardan nun näher an mich heran zu lassen.
     Mein Vertrauen gegenüber anderen wuchs nur langsam voran und oft rannte ich vor Angst davon, ehe ich ihnen vollkommen vertrauen konnte. Mit meinem Vertrauen legte ich ebenfalls mein Herz in die Hände dieser Person und momentan war es einfach noch immer etwas zu schwach, um einen Rückschlag zu verkraften. Ich wusste nicht, ob ich das konnte. Bis jetzt hatten sich nur Mace und Damir für mich entschieden. Alle anderen Jungs hatten immer meine Schwester bevorzugt.
     Manchmal hatte ich in ihrem Schatten gestanden. Meine Mutter sah mich nicht mal, so dunkel war der Schatten, den meine Schwester auf mich warf, wenn meine Mutter in der Nähe war. Alle sprachen nur von Phoenix. Nicht, dass ich ihr das nicht gönnte. Ich liebte meine kleine Schwester und sie verdiente jedes Glück der Welt. Nur gleichzeitig fiel es mir so schwer in dieser Familie zu leben. In ihrem Schatten. Nur mein Dad sprach ab und an mit mir, aber auch nur ab und zu mal.

Das Rätsel der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt