1 - Wer hat Angst vorm Bösen Wolf?

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𝕊𝕒𝕕𝕟𝕖𝕤𝕤 𝕚𝕤 𝕜𝕟𝕠𝕨𝕚𝕟𝕘 𝕥𝕙𝕒𝕥 𝕪𝕠𝕦 𝕔𝕒𝕟'𝕥 𝕥𝕦𝕣𝕟 𝕓𝕒𝕔𝕜 𝕥𝕚𝕞𝕖

Ich wurde von heißem Atem an meiner Wange aus dem Schlaf gerissen. Als ich blinzelnd die Augen öffnete, hätte mich fast der Schlag getroffen. Erschrocken schrie ich auf, doch sofort könnte ich mich selbst dafür ohrfeigen. Nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt befand sich eine riesige Wolfsschnauze!

Nur, dass die Schnauze keineswegs wie eine gewöhnliche Wolfsschnauze aussah – Wölfe waren meine Lieblingstiere, daher wusste ich das. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag: Vor mir saß keineswegs ein gewöhnlicher Wolf – im Gegenteil, ich befand mich in unmittelbarer Nähe eines Werwolfes. Und gerade kam er knurrend auf mich zu.

„Braver Wolf?", erkundigte ich mich mit leicht zittriger Stimme.

Keine Reaktion. Naja, immerhin hatte er mich noch nicht zerfleischt oder gebissen oder... Okay, an dieser Stelle würde ich diese Gedankengänge lieber beenden.

Fast schon fragend blickte mich der Werwolf an – und dann machte er doch tatsächlich einen Schritt zurück. Erst jetzt, als ich das Gefühl hatte, nicht mehr in unmittelbarer Gefahr zu sein, realisierte ich, wo ich war. Die Heulende Hütte. Ja, hierher hatte ich mich am Abend geschlichen, um meine Ruhe zu haben. Aus irgendeinem Grund hatte dieser Ort eine beruhigende Wirkung auf mich, auch, wenn es hier ja eigentlich gruselig sein sollte.

Alle sagten, hier spukte es, aber ehrlich, es würde mir auch nichts ausmachen, über ein paar Geister zu stolpern – dann hätte ich wenigstens jemanden, mit dem ich über meine zahlreichen Probleme und Sorgen sprechen könnte. Das war auch eines meiner Probleme. Dass ich keinen zum Reden hatte.

Mein Blick wanderte erneut zu dem Werwolf, der jetzt ruhig vor mir zum Stehen gekommen war und mich mit schiefgelegtem Kopf musterte.

„Weißt du-", begann ich, mit ihm zu reden.

Sofort fing er wieder an zu knurren – doch jetzt hatte ich genug. Sollte er doch knurren, mir war sowieso schon alles egal!

„Jetzt hör' mir mal gut zu!", fauchte ich sauer, „Mach' doch, was du willst! Meinetwegen, beiß' mich, reiß' mich in Stücke, ist mir verdammt nochmal egal! Ich versuche hier gerade, dir mein miserables Leben zu erklären, also entweder hör' zu oder bring' es zu Ende!"

Der Werwolf sah mich an, als hätte ich einen an der Waffel – da ich mich nicht gerade situationsgerecht verhielt, hatte ich das vielleicht wirklich.

„Mein Zwillingsbruder redet nicht mehr mit mir – oder eher ich mit ihm, aber, nur fürs Protokoll, Mutter hat gesagt, dass er das sonst ausbaden muss und sie meint das verdammt ernst, das weiß ich. Dann wäre da natürlich noch mein anderer Bruder und seine Freunde, weißt du. Sie können mich allesamt nicht leiden, und ich weiß nicht mal warum..."

Das war der Moment, in dem meine Gedanken abdrifteten, zu meinem ersten Tag in Hogwarts, zu dieser verhängnisvollen Häuserverteilung, bei der alles Übel seinen Anfang genommen hatte...

When the moon is bleeding...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt