𝑇𝑅𝐸𝐼𝑁𝑇𝐴

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Zwei Jahre nach dem Überfall, Athen, Griechenland .

„¿Papá? Darf ich das behalten?“, meistens bedeutet diese Frage nichts Gutes.
Meistens geht es nämlich dabei um irgendwelche Dinge, die Reya überhaupt nicht braucht und die sie nach ein paar Wochen schon wieder vergessen hat.
Und meistens bekommt sie dann trotzdem ihren Willen, indem sie zu Martín rennt und bei ihm so lange ihren Hundeblick aufsetzt, bis er sich erweichen lässt, oder mich prinzipiell damit provozieren will.

Seit zwei Jahren leben wir in unendlichem Reichtum, da zieht das Argument „Das ist zu teuer“ einfach nicht mehr.
Doch heute… da ist es anders:

„Was hast du denn da?“, stirnrunzelnd schlage ich die Autotür hinter mir zu und nehme meiner Tochter die Post aus der Hand, die sie aus dem Briefkasten geholt hat, während ich noch mit dem Einparken beschäftigt gewesen bin.

„Weiß ich nicht… darf ich den Umschlag haben?“, ungeduldig deutet sie auf ein beiges Kuvert, das mit irgendwelchen Blumenranken verziert ist und den Worten ‚Athen‘ und ‚Palermo‘ beschriftet ist – breit grinse ich.
„Kannst du“, schmunzelnd ziehe ich die Karte aus seinem Inneren heraus und überreiche Reya den Umschlag, mit dem sie sofort, im Haus angekommen, in ihr Reich abzischt.

„Du ahnst nicht, was passiert ist“, feixend betrete ich das Wohnzimmer, in dem Martín gerade mit einem „Alles klar, Neapel“ das Telefon zurück in die Station steckt.
Offensichtlich hat er gerade mit Matías gesprochen, den wir auch noch Monate nach unserem Besuch in seiner heißgeliebten Fiesta-Stadt mit unserem Ersatznamen für ihn sticheln, da wir wirklich, wirklich enttäuscht worden waren… hätte er mal lieber nicht ganz so große Töne gespuckt!

„Reyas Lehrerin ist krank geworden und du musst heute Abend nicht zum Elternsprechtag?“, tippt mein Freund belustigt und gibt mir einen kurzen Kuss zur Begrüßung.
Eine Sekunde lang verziehe ich mein Gesicht – diese Pflichttermine sind absolut grauenvoll!

Außerdem würde ich sowieso nur dasselbe hören wie die vergangenen zwei Jahre über: „Ihre Tochter ist stets freundlich und arbeitet gewissenhaft. Vor allem im Musikunterricht zeichnet sie sich durch hervorragende Mitarbeit aus“. Ganz toll!

Natürlich bin ich froh, dass mich nicht andauernd Anrufe von entsetzten Lehrkräften erreichen, weil sie wieder einmal den Unterricht gestört hätte, aber ich kenne mittlerweile alle Texte in- und auswendig.

„Viel besser. Viel, viel besser“, grinsend wedele ich mit der Karte aus dem Umschlag in der Luft herum.
„Ich bekomme endlich meinen Verband geschenkt!“, das Ganze ist nämlich eine Hochzeitseinladung – von Ágata und Santiago und das heißt, ich habe meine letzte Wette mit ‚Nairobi‘ gewonnen.

„Deinen Verband?“, wiederholt er skeptisch.
„Hast du davon nicht genug in deiner Apotheke?“, das Wort Apotheke wird extra abwertend betont… war ja klar.
Auch jetzt kann es Martín immer noch nicht verstehen, dass ich ganz normal arbeite, obwohl wir doch mehr als ausreichend Geld für unser restliches Leben hätten.

Ich tue das für mich, aber zum größten Teil für Reya.
Für sie ist es nach dem Überfall ganz besonders schwer gewesen, in ein fremdes Land zu ziehen, eine vollkommen neue Sprache zu erlernen und auch hier Freunde zu finden. Es ist schon grenzwertig, dass wir in einer riesigen Villa im Reichenviertel Athens wohnen, die im Stil der antiken Tempel errichtet ist, da will ich ihr wenigstens etwas von ihrem gewohnten Umfeld irgendwie zugestehen.

„Ach, cariño, nicht nur ein x-beliebiger Verband, sondern DER Verband!“, auffordernd halte ich ihm die Karte hin.
„Lies selbst!“

„‘Ágata und Santiago – Wir sagen Ja‘“, murmelt er halblaut vor sich her und grinst mich amüsiert an. „‘Wehe, ihr kommt nicht und du holst dir nicht deinen verschissenen Wettgewinn ab, Jorge‘“.

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