5. Zweite Verhandlung

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Genau eine Woche später wurde die unterbrochene Verhandlung vom letzten Mal fortgeführt. Drei Tage vorher kam der Brief an. Jetzt sitze ich wieder auf der Anklagebank und warte, dass der Richter mit Amaya weiter macht.

"Also gut, Miss. Dumont beim letzten Mal waren wir bei der Frage stehen geblieben, ob sie etwas über das Verhältnis der Geschwister wussten, was sie verneinten. Nun würde ich gerne von ihnen wissen, wie sie überhaupt ins La Désir gekommen sind und wie ihre Beziehung zu Rachel Castiel war?"

Amaya beginnt per Zeichensprache zu sprechen, während Mrs. Cox neben ihr sitzt und wieder übersetzt.

"Ich habe, nachdem ich 18 geworden bin, aus Geld gründen, dort als Prostituierte angefangen. Irgendwann wollte ich nicht mehr und bin stattdessen wegen des Geldes als Barkeeperin dortgeblieben. Rachel habe ich kennengelernt, als sie zu uns gekommen ist. Sie war immer freundlich und gut drauf. Sie mochte den Job. Aber viel mit ihr zu tun hatte ich nicht wirklich, wir waren gute Bekannte."

Mein Verteidiger richtet sich auf und wendet sich an Amaya.

"Wie würden Sie das Liebesverhältnis zwischen dem Zeugen Simpson und dem Opfer beschreiben".

Sie rutscht auf ihrem Stuhl hin und her, wobei sie wieder erst einen Blick zu Freddy wirft, bevor sie antwortet. Währenddessen kann ich sehen, dass ihre Augen anfangen zu tränen und ihre untere Lippe zittert. Aber es scheint nur mir besonders aufzufallen.

"Davon weiß ich nichts" übersetzt Mrs. Cox kurz und knapp.

"Wissen Sie, ob Miss. Castiel irgendwelche Feinde hatte?" Wendet sich wieder der Vorsitzende mit der schwarzen Robe an die Zeugin.

Sie schüttelt nur verneinend mit dem Kopf.

"Gut, wenn es keine weiteren Fragen mehr gibt, würde ich die Zeugin Mrs. Williams anhören".

Damit wird Amaya entlassen und kann wieder neben Freddy Platz nehmen. Der Richter hört sich zwei Prostituierte Mrs. Williams und Miss. Adams an, welche ebenfalls für Freddy arbeiten. Die können allerdings nicht viel zum Prozess beitragen, da sie an diesem Freitag nichts mitbekommen haben. Mr. Colen welcher wie Amaya Barkeeper ist, konnte genauso wenig beitragen wie die anderen zwei. Ich weiß gar nicht, wieso sie als Zeugen hier sind.

Gleich nachdem Mr. Colen als Zeuge durch war, wurde die heutige Verhandlung unterbrochen, da der Vorsitzende dringend zu seiner nächsten musste. Ohne Erfolg stehe ich also wieder vor den Gerichtssaal. Dieses Mal werde ich Amaya jedoch erwischen und auch mit ihr reden. Vorausgesetzt, ich finde sie doch weit kann sie nicht sein.

Ich wollte es eben aufgeben, bis ich ihre braunen Haare gesehen habe. Doch als ich um die Ecke laufen will, bleibe ich abrupt stehen. Freddy steht ganz nah vor ihr und drückt ihre Handgelenke ziemlich fest. Wie auch schon bei der ersten Verhandlung ist ihr Gesicht meistens auf den Boden gerichtet und ihre Beine zittern. Was auch immer da gerade läuft, ist die Bestätigung, das Freddy sie irgendwie in der Hand hat und sie deshalb lügt. Die Frage ist nur, was?

"Hast du das Verstanden?!" Knurrt er.

Ich bleibe hinter meiner Ecke versteckt und sehe nur leicht, wie Amaya mit dem Kopf nickt. Danach lässt er sie los und verschwindet.

Sie bleibt noch kurz stehen, doch eilt dann so schnell wie möglich nach draußen. Scheiße, ich kann sie nicht schon wieder verpassen! Sobald sie außerhalb meines Blickfeldes ist, laufe ich ihr hinterher. Draußen vor dem Gerichtsgebäude steigt sie in ihren Wagen.

So schnell es geht, laufe ich zu meinem Wagen und versuche sie dabei nicht aus den Augen zu lassen. Ich starte meinen Wagen und fahre ihr hinterher. Nach ungefähr 20 Minuten parkt sie vor einem Wohnhaus und schließt die Tür auf. Ich fahre vorbei und suche mir einen Parkplatz, der nicht nur für dir Anwohner bestimmt ist.

Es wohnen mehrere Familien in Amayas Gebäude also bleibt mir nichts anderes übrig, als draußen zu warten, bis ich irgendwie in den Flur komme. Wenn ich hier an ihrem Schild klingeln würde, dann würde sie mich bestimmt nicht rein lassen. Ich muss also in den Flur gelangen, um dann direkt an ihre Tür zu klopfen. Sie muss mir zu hören und endlich die Wahrheit sagen. Ich gehe ganz sicher nicht wegen ihr in den Knast.

Eine Gelegenheit, um ins Gebäude hinein zu kommen, ergibt sich, als ein jugendlicher Junge, vielleicht 16 Jahre alt, seine fertig getauchte Zigarette in den Aschenbecher vor der Haustür wirft und dann durch die Tür nach drinnen eilt. Ich nutze diese Chance und zwinge mich durch die kleine Lücke, die noch bleibt. Blake, Miller, Humbridge, Lopez, Johnsen und hier ist es. Dumont steht in Schnörkelschrift auf dem Schild der braunen Haustür.

Jetzt oder nie.

Ich klopfe energisch an die Tür und versuche ein wenigstens etwas freundliches Gesicht zu machen. Wenn ich da direkt wütend hineinstürme, wird sie mir kein Wort verraten und vielleicht sogar die Polizei rufen. Das kann ich nicht gebrauchen.

Nachdem keiner sofort aufmacht, klopfe ich erneut. Dieses Mal etwas stärker als davor. Okay, freundlich und nett. Scheiße, das darf nicht in die Hose gehen oder ich verbringe die nächsten Jahre in einer Zelle mit schlechtem Essen.

Die Tür öffnet sich einen Spalt. Doch anstatt einer jungen Frau steht ein kleines Mädchen vor mir und guckt mich mit ihren braunen Augen an. Meine vorherige Wut und Hektik werden jetzt durch komplette Verwirrung ersetzt.

"Mama hier ist ein Mann an der Tür" ruft sie und dreht sich um.

Ich höre etwas scheppern und Amaya rennt wie verrückt um die Kurve und zu dem kleinen Mädchen. Erst als sie sieht, wer hier steht, wirkt sie beruhigter. Doch auch jetzt meidet sie wie schon vor Gericht meinen Blick. Anscheinend ist der Boden anziehender als ich. Sie schickt das Mädchen weg und geht weiter in den Flur zurück.

"Du musst die Wahrheit sagen!" Sage ich und trete ohne nachzufragen in die Wohnung.

Amaya rückt zurück und sieht ziemlich überfordert aus. Da muss sie jetzt eben durch. Würde sie nicht lügen, wäre ich gar nicht erst hier.

"Ich weiß genauso gut wie du, dass du alle belügst! Ich werde ganz sicher nicht wegen dir in den fucking Knast wandern!" Ich nehme mir jetzt einfach das Recht, sie zu duzen. Spielt wahrscheinlich sowieso keine Rolle.

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