16. Wahrheiten

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Die Fahrzeuge der Polizisten stehen quer durcheinander, weshalb ich etwas weiter weg parken muss. Wir sind auf einem alten Firmengelände, das schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb ist. Viele Beamte rennen kreuz und quer durch die Gegend.

Ich laufe so schnell wie möglich auf die große Gruppe von Menschen in Uniform zu. Freddy wird mit Handschellen aus der Lagerhalle herausgeführt, während hinter ihm drei Sanitäter erscheinen, die jemanden auf der Krankenliege zum Einsatzfahrzeug tragen. Allerdings ist es nicht wie gedacht Amaya, sondern Aurelie.

"Aurelie!" Höre ich jemanden mit voller Sehnsucht und Schmerz schreien.

Als ich mich umdrehe, kann ich es kaum glauben. Diese Worte stammen von Amaya. Sie wird von zwei Polizisten gestützt, da sie ziemlich instabil aussieht. Ihr Gesicht ist verweint und ihre linke Wange ist rot wie von einem Schlag ins Gesicht.

Sie weint bitterlich und ehe ich mich versehe, laufe ich zu ihr. Meine Arme umschließen sie und ich versuche ihr so viel Halt wie möglich zu geben. Ich drücke sie so stark wie es geht an mich.

"Es ist vorbei", flüstere ich und gebe ihr einen Kuss auf den Haaransatz, während sie gegen meine Brust weint.

Mir ist gerade selber nach Weinen zu Mute, doch ich muss für Amaya stark sein. Ich muss sie loslassen, als der Rettungsdienst mit Aurelie losfahren will.

Nach zehn Minuten, in denen ich irgendwie versuche, die Geschehnisse zu verstehen und zu verarbeiten, gebe ich vorerst auf und gehe zu meinem Auto.

Ich habe immer noch keine Ahnung, was eben dort drinnen passiert ist, doch ich weiß Freddy wird dafür büßen. Außerdem bin ich immer noch geschockt davon, Amayas Stimme gehört zu haben.

Ich fahre kurz nach Hause und werde zwei Stunden später voller Sorge und allein mit meinen Gedanken Gebeten wieder ins Gerichtsgebäude zu kommen.

So schnell wie möglich fahre ich los, denn mein Drang, endlich die Wahrheit zu kennen ist größer als alles andere. Ich will endlich wissen, was mit meiner Schwester passiert ist.

Ich setze mich zu meinem Anwalt und sehe dabei zu, wie Amaya in den Zeugenstand gerufen wird. Sie setzt sich immer noch mit nassen Wangen, doch einem zufriedenen Blick im Gesicht.

"Mrs. Dumont geht es ihnen den Umständen entsprechend gut? Fühlen Sie sich in der Lage auszusagen?" Fragt der Vorsitzende und Amaya bejaht dies.

Es ist wunderschön, ihre noch relativ zerbrechliche Stimme zu hören.

"Nun gut, dann beginnen sie bitte einmal von ganz von vorne", bittet er und Amaya seufzt einmal kräftig, ehe sie anfängt zu sprechen.

"Rachel war meine ehemalige Kollegin, als ich auch noch an den Stangen und in den Räumen gearbeitet habe. Wir kannten uns relativ gut, aber hatten abgesehen von der Arbeit nichts miteinander zu tun. Ich habe nur ab und zu gesehen wie Diego" Sie schaut zu mir " sie ab und zu abgeholt hat. An diesem Abend waren schon alle weg und ich hörte Stimmen aus den Umkleiden. Aus Sorge ging ich hin, denn es wäre nicht das erste Mal gewesen, das ein Freier eine der Prostituierten bedroht. Ich ging also hin und sah" sie unterbricht sich kurz, um nervös die angestaute Luft aus ihrem Körper zu befördern " und sah wie Freddy und Rachel stritten. Ich wusste, dass die beiden zusammen waren und aus dem Streit konnte ich entnehmen, dass Sie kündigen will und auch die Beziehung beenden will, da sie genug von ihm hatte."

Wow davon hatte mir Rachel nichts gesagt, bevor sie gestorben ist.

"Und weiter?" Fragt die Staatsanwältin gespannt.

"Er schlug ihr ins Gesicht und drohte ihr mit irgendetwas. Ihre Nase hat furchtbar stark geblutet. Rachel war außer sich vor Wut und sagte plötzlich, sie würde Freddys illegale Geschäfte auffliegen lassen. Sie meinte, sie wisse über alles Bescheid. Er zog seine Waffe aus seiner Hose und schoss auf sie. Eiskalt, als wenn er das jeden Tag machen würde und sie ihm nichts bedeutet hätte. Mir liefen währenddessen die Tränen und ich war in so einer Art Schockstarre. Mit den Worten 'Du elendige Hure verrotte, doch in der Hölle' stieg er über sie. Ich wollte fliehen, doch da entdeckte Freddy mich und kam auf mich zu. Ich hatte Todes Angst. Mein erster Gedanke war, was würde mit meiner Tochter und meiner Mutter passieren. Es verschlag mir die Sprache vor Angst und Verzweiflung. Ich war so voller Angst und Schock, dass ich nicht mehr sprechen konnte."

"War das der Grund für ihre vorläufige psychogene Aphonie?" Fragt mein Anwalt und unterbricht die schluchzende Amaya.

Ich kann im Moment einfach nur sprachlos dasitzen.

"Ja allerdings drohte Freddy mir auch. Das war ebenso ein Grund. Er drohte mir das, wenn ich ihn verpfeifen würde er vor meinen Augen, meine vierjährige Tochter Aurelie vergewaltigen und dann Stück für Stück vor meinen Augen töten würde. Ehe er mich und dann meine Mutter umbringen und vergewaltigen würde." Sie atmet schwer aus und Tränen laufen über ihr Gesicht "Außer einem Nicken brachte ich damals nichts heraus, doch auch wenn ich es versuchte, es passierte nichts. Kein Ton verließ seit diesem Tag meinen Mund. Damals bin ich davongelaufen, um so schnell wie möglich zu meiner Tochter zu kommen, weshalb ich nicht wusste, was danach passiert war. Das erfuhr ich erst, als Freddy mich zu einer Aussage, die ihn entlastet gezwungen hat. Freddy benutzte mich als sein Alibi. Er wollte immer mehr und irgendwann zwang er mich zum Sex mit ihm. Er stellte mich zwischen die Wahl meine Tochter oder ich".

"Miss. Dumont, wenn es Ihnen zu viel wird, sage sie bitte Bescheid" ertönt es vom Richter, der so schockiert ist wie jeder andere hier auch.

"Nein ist schon in Ordnung. Ich bin froh, dass ich besonders Diego nicht mehr lügen muss. Es tut mir schrecklich leid, was ich getan habe, aber sie müssen mir glauben, dass ich nur meine Familie beschützen wollte".

"Was können sie uns noch zu der Situation von vorhin erklären?" Fragt die Staatsanwältin.

Amaya rutscht auf ihrem Stuhl hin und her, ehe sie antwortet "Freddy hat gedacht, ich hätte ihn verpfiffen. Er hat mir eine Nachricht gesendet, in der es um Aurelie ging. Ich bin sofort los und ehe ich mich versah, war ich in dieser Lagerhalle auf einem Stuhl angebunden. Vor mir meine Tochter ebenfalls gefesselt und bewusstlos. Er hat ihr einen tiefen Schnitt ins linke Bein verpasst. Sie hat so stark geblutet. Ich dachte, er würde sonst etwas mit uns anstellen".

Sie weint bitterlich, während mir ebenso die Tränen kommen. Mir ist gerade eigentlich alles irgendwie zu viel.

Sobald die Verhandlung als beendet gilt und ich freigesprochen werde, fahre ich ohne Umwege nach Hause.

La DésirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt