Sie steht nur vor mir. Den Blick immer noch starr auf den Boden gerichtet, während ich meine Wut rauslasse. Ich schreie sie schon fast an. Sie soll einfach zugeben, was damals passiert ist. Das nicht ich meine Schwester umgebracht habe. Sie weiß es doch!
"Hast du kein schlechtes Gewissen?! Ist es dir so egal, dass jemand Unschuldiges in den Knast wandert, weil du zu feige bist, die Wahrheit zu sagen! Das ist erbärmlich! Was ist passiert?! Warum ist meine Schwester tot?!" Ich fahre mir über das Gesicht und versuche mich zu beruhigen. Der Plan, ruhig an die Sache zu gehen, damit ich sie nicht verschrecke, ist irgendwie nicht ganz aufgegangen.
Jetzt steht sie vor mir und weint ununterbrochen. Dabei sollte ich derjenige sein, der das tut. Also metaphorisch, ich würde jetzt nicht wirklich anfangen zu weinen. Nicht ihre Schwester wurde ermordet. Amaya läuft auf und ab. Sie zittert plötzlich und wird ganz bleich. Ich stoppe mein auf und abwandern, dass ich während meiner Rage angefangen habe und bleibe stehen.
Sie weint noch stärker. Das macht mich wütend. Sie hat keinen Grund zu weinen. Sie steht nicht kurz davor, ins Gefängnis zu gehen.
"Hör verdammt noch einmal auf zu weinen! Du hast keinen Grund dazu!" Ich atme tief durch "Meine Schwester ist verdammt noch mal tot! Ich habe sie gefunden! Sie war alles für mich und jetzt?! Soll ich für ihren Tod verantwortlich sein, weil du lügst! Wie kannst du so leben?!"
Ich will gerade wieder ansetzen loszureden, da klappt sie plötzlich zusammen. Die junge Frau vor mir, an der ich gerade meine wütenden Worte ausgelassen habe, ist vor mir zusammengebrochen.
Noch ganz starr vor Schreck werde ich erst aus meiner Trance gerissen, als das kleine Mädchen vor mir steht. Ebenfalls mit Tränen in den Augen. Ihre Tochter. Ich habe total vergessen, dass die auch noch hier ist.
Amaya muss ins Krankenhaus. Denke ich zumindest, ich kann schlecht einfach abwarten, dass sie wieder aufwacht. Ich nehme sie vorsichtig vom Boden hoch und lege sie über meine Schulter. Was mach ich mit der Kleinen? Ich kenne nicht mal ihren Namen.
Sie weint ununterbrochen. Ich bücke mich eilig zu ihr hinunter, damit wir auf Augenhöhe sind.
"Deine Mama muss jetzt schnell ins Krankenhaus. Also wir fahren da jetzt beide hin okay?" Frage ich sie so verständlich wie möglich.
Ich habe keine Ahnung von Kindern. Sie nickt und ich nehme sie mit ihrem Einverständnis in den anderen Arm, damit wir schneller sind. Den Wohnungsschlüssel stecke ich ein und renne zu meinem Auto.
Ich lege sie vorsichtig auf die Rückbank und setze das Mädchen nach vorne zu mir auf eine Decke, damit sie nicht vom Sitz rutscht. Sie dürfte so um die 4 oder 5 Jahre alt sein.
Ich setze mich auf den Fahrersitz und fahre so schnell es eben geht. Meine Hände verkrampfen sich um das Lenkrad, sodass meine Knochen weiß hervorstechen. Ein schlechtes Gewissen plagt mich. Wahrscheinlich hatte sie nur ein Zusammenbruch, weil ich meine Wut und meinen Kummer an ihr ausgelassen habe.
"Wie heißt du Kleine?" Frage ich das braun haarige Mädchen, das sehr viel Ähnlichkeit mit Amaya hat.
"Aurelie und du?" Mit einer Kinderstimme und braunen Kulleraugen guckt sie zu mir hoch. Trotz der Decke rutscht sie leicht im Sitz hin und her.
"Diego. Wir bringen deine Mama jetzt in Sicherheit und dann kümmern sich die Ärzte um sie. Du brauchst keine Angst haben" versichere ich ihr.
Am Krankenhaus angekommen steigt sie selber aus, während ich Amaya von der Rückbank hole. Im Inneren wird sie mir sofort abgenommen und auf eine Trage gelegt. Danach verschwindet sie. Stillschweigend sitze ich mit ihrer Tochter im Wartebereich. Ich kann sie schlecht alleine hierlassen. Für ein kleines Kind ist sie wirklich ruhig. Rachel war früher total nervig in Aurelies Alter.
"Sie gehören zu der bewusstlosen jungen Frau nicht wahr?" Kommt es plötzlich von einer Krankenschwester.
"Ja genau ich bin.." Es ist wahrscheinlich besser zu lügen als zu sagen, dass ich der Kerl bin, wegen dem sie hier ist. "Der Freund" beende ich also meinen Satz.
"Gut, dann bräuchte ich einige Angaben zu Ihrer Freundin", erwidert Sie und gibt mir das Klemmbrett in die Hand, ehe sie wieder um die Ecke verschwindet.
Die Kästchen, auf die ich die Antwort weiß, beantworte ich. Den Rest muss dann Amaya ausfüllen, wenn sie wieder wach ist.
Nach ungefähr 5 Minuten kommt ein Krankenpfleger. Er führt Aurelie und mich in das Zimmer, in dem Amaya liegt.
"Also sie ist wieder stabil und bei Bewusstsein. Allerdings haben wir ihr ein Schlafmittel gegeben, ansonsten wäre sie wieder zusammengebrochen, daher wäre es gut, sie noch nicht zu wecken." Erklärt er mir.
"Wissen Sie, wieso sie zusammengebrochen ist?" Frage ich, bevor er verschwinden kann.
"Na ja es war ein Kreislaufzusammenbruch. Sie war übermüdet und dehydriert. Wahrscheinlich viel Stress und Überforderung." Damit verabschiedet er sich und eilt zum nächsten Zimmer.
Und ich stehe hier im Krankenzimmer der Frau, auf die ich eine enorme Wut habe zusammen mit ihrer kleinen Tochter.
"Was ist mit Mami?" Fragt sie mich und sieht besorgt auf das Bett ihrer Mutter.
Ich knie mich zu ihr auf den Boden und wische ihr die Tränen weg, die sie vergossen hat.
"Deine Mama muss sich ausruhen. Sie hatte ganz viel Stress und muss jetzt erst einmal schlafen", sage ich ihr.
Damit scheint sie zufrieden zu sein. Nach einer halben Stunde kommt dieselbe Krankenschwester von vorhin ins Zimmer. Sie bietet Aurelie an, mit den anderen Kindern zu spielen, solange wie Amaya schläft. Begeistert hüpft sie von ihrem Stuhl und rennt zur Schwester.
Dann dreht sie sich allerdings wieder um und kommt zu mir gelaufen. Sie stützt sich mit ihren kleinen Armen auf meinen Knien ab, da ich bis eben noch neben ihr auf einem anderen Stuhl saß.
"Darf ich?" Fragt sie mich wieder mit ihren braunen Kulleraugen.
Etwas überrascht, dass sie mich um Erlaubnis bittet, sage ich ja und sie verschwindet mit der Schwester. Allerdings versichert mir diese, dass sie Aurelie sobald Amaya aufwacht, sofort holt.
Was mach ich jetzt? Bleibe ich hier und warte, bis sie aufwacht oder gehe ich einfach nach Hause? Ich denke, es wäre besser zu bleiben. Aurelie sollte wahrscheinlich nicht allein hier sein.
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La Désir
Teen Fiction"Es sieht sehr schlecht für sie aus Mr. Castiel." Der Mann mittleren Alters guckt auf seine Akte, während seine Augen und seine gesamte Mimik nach schlechten Nachrichten aussehen. Aber was habe ich auch anderes erwartet. " -Die meisten Beweise deute...