10. Hilfe

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Sie kommt zurück und setzt sich wieder zu mir auf die Couch. Ich beobachte sie dabei. Sie hat etwas Anmutiges an sich, wenn sie sich nicht gerade unwohl fühlt.

"Hast du wirklich vor, einfach weiterhin zu lügen?" Frage ich sie ganz direkt.

Sie antwortet nicht und blickt einfach auf einen Punkt an der Wand.

"Du musst mir doch irgendwie helfen können!" Meine Stimme klingt flehend. Ich weiß nicht, wie ich sie dazu bekommen soll, mir zu helfen.

"Hör mir zu", sage ich und drehe sie so, dass sie zu mir guckt. Nicht auf den Boden oder an die Wand, sondern in mein Gesicht. Direkt in meine Augen. "Ich weiß nicht, was dich davon abhält, die Wahrheit zu sagen. Wahrscheinlich Freddy. Aber es bringt doch nichts Amaya. Wenn ich ins Gefängnis gehe und Freddy frei bleibt, wird das doch nicht einfach aufhören. Er hat dich in der Hand mit was auch immer. Ich will dir helfen, aber das geht nur, wenn du mir zuerst hilfst".

Sie weicht meinem Blick nicht aus. Tränen sammeln sich in ihren Augen und kullern ihre Wange runter. Ich Streiche sie weg. Ich wünschte sie würde reden. Ihre Stimme benutzen. Ich habe noch nicht mal mehr eine Ahnung, wie sie sich anhört.

Wie aus einem Traum erwachen wir beide und ich nehme meine Hände wieder zu mir zurück. Die junge Frau vor mir wischt sich selber noch einmal über die Wange. Sie scheint irgendwie mit sich selber zu kämpfen. Dann schnappt sie sich ihr Handy, das auf dem Tisch liegt und schreibt etwas.

Es dauert doch, dann hält sie es mir hin. 'Durchsuch das La Désir. Bring jemanden rein, den sie nicht kennen. Er soll Freddys Geschäfte filmen und was er so treibt. Vielleicht findet ihr etwas'.

Sie hilft mir! Amaya hilft mir! Ich kann es kaum fassen.

Ich kann meine Gefühle nicht im Zaum halten. Wahrscheinlich so freudig wie nie zuvor in meinem Leben schließe ich Amaya in meine Arme. Ich kann nicht anders, als sie vor Dankbarkeit zu umarmen. Mein Lachen kann ich nicht verstecken.

Als meine Glückseligkeit etwas abschwillt, realisiere ich erst wirklich, was ich hier gerade tue. Ich entferne mich wieder von Amaya, doch das Grinsen auf meinem Gesicht kann ich nicht verleugnen.

"Entschuldigung" sage ich und fasse mich wieder.

Sie lächelt schüchtern zurück. Ich verabschiede mich und stürme schon fast aus der Wohnung. Noch während dem Weg zum Auto rufe ich Ben an. Er soll in einer Stunde bei mir zu Hause auftauchen.

In der Zeit, in der ich warten muss, dass Ben auftaucht, wippt mein Bein ständig auf und ab. Ich war lange nicht mehr so aufgeregt wie in diesem Moment.

"Alter, was ist denn so dringend, dass ich so schnell kommen musste?" Fragt mich mein Kumpel. Ich habe ihn gar nicht hereinkommen hören.

"Komm her!" Sage ich nur und platziere ihn neben mir in der Küche auf einen Stuhl. "Du, musst mir helfen, meine Unschuld zu beweisen".

"Wie, stellst du dir das vor?" Verwirrung macht sich in seinem Gesicht breit.

"Ich habe dir doch von Amaya erzählt, die Zeugin, die gegen mich aussagt oder?" Er nickt und hört mir weiter zu "Jedenfalls war ich heute wieder bei ihr und sie hat mir na ja wie sag ich es einen versteckten Tipp gegeben".

"Versteckt?"

"Ja also hör zu. Sie meinte, ich solle jemanden, den man dort nicht kennt, hineinbringen, zusammen mit einer versteckten Kamera, weil es dort gewisse Dinge zu sehen gibt. Ich wusste ja von Rachel, dass Freddy schmutzige Sachen treibt, also wird sie das meinen. Vielleicht finden wir etwas und wenn es nur der kleinste Hinweis ist".

Ben lässt sich alles durch den Kopf gehen. "Ich, bin dabei", sagt er begeistert und schlägt ein.

Der Plan steht fest. Ich besorge mir von irgendwoher so eine Spionage Ausrüstung oder wie so was auch immer heißt und wenn sie da ist, geht es los.

"Na, dann abgemacht", sagen wir gleichzeitig.

Um mich etwas abzulenken, laufen Ben und ich ins Stadtinnere. In irgendeiner Bar halten wir an und genehmigen uns ein paar Bier. Ben schafft es sogar mehr als nur einmal bei ein und derselben Frau abzublitzen, was den Abend für mich sehr viel unterhaltsamer macht, als er sowieso schon ist.

Mehr als nur angetrunken lässt Ben sich von einem Taxi nach Hause fahren, während ich in meinem Zustand beschließe, lieber zu laufen.

Glücklich torkelnd laufe ich die Straßen nach Hause. Leider habe ich unterschätzt, wie lang der weg eigentlich ist. Außer Atem halte ich an einer Bank an und setze mich. Währenddessen fahren Hunderte von Autos an mir vorbei und das sogar noch so spät.

Plötzlich hält eines davon vor dem Gehweg. Mit zusammen gekniffenen Augen versuche ich zu identifizieren. Ich kenne das doch irgendwo her.

Amaya steigt aus und scannt mich kritisch ab. Ihr Blick sagt mehr als tausend Worte. Sie hat meinen Zustand wohl bemerkt.

'Steig ein, ich fahr dich nach Hause' steht auf ihrem Handy, das sie mir reicht. Ein Wunder, das ich das überhaupt noch lesen kann.

Ohne mich zu beschweren oder zu weigern, steige ich ein. Nachdem sie mich per Nachricht gefragt hat, wo ich wohne, dirigiere ich sie so gut es geht dort hin. Vor meiner Wohnung parkt sie schnell.

Ich will mich bedanken, doch sie steigt aus und hievt mich aus ihrem Wagen, bringt mich in meine Wohnung und sorgt sogar dafür, dass ich in meinem Schlafzimmer Lande.

"Danke" nuschle ich halb am Schlafen ehe ich höre, wie meine Wohnungstür ins Schloss fällt.

Man kann sagen, was man möchte, aber sie ist durch und durch eine gute Seele.

La DésirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt