17. Bilder

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"Mr. Castiel was ich ihnen noch mitteilen wollte. Ein endgültiger Prozess steht an, in welchem Mr. Simpson verurteilt wird also falls sie dabei sein wollen, müssen sie mir Bescheid geben. Ansonsten hat die Polizei bei der Durchsuchung des La Désir noch einige Sachen gefunden, die ihrer Schwester gehören. Wenn sie möchten, können sie sich diese im Präsidium abholen".

Mein Anwalt und ich verabschieden uns, ehe er wieder in sein Büro geht. Seit der Aufregung sind einige Tage vergangen, die ich mit Ben verbracht habe. Ich brauchte erst einmal eine Pause von dem Ganzen. Bedeutet, ich habe auch nicht mit Amaya gesprochen.

Im Moment bin ich einfach vollkommen durcheinander. Es war zwar irgendwie eine Erleichterung herauszufinden, was mit meiner Schwester passiert ist und endlich Klarheit zu haben, doch dann ist da auch ständig dieser Hintergedanke. Diese Stimme, die mir sagt, dass Amaya die ganze Zeit davon wusste und es mir verheimlicht hat. Dabei weiß ich ja, warum sie es getan hat und an ihrer Stelle hätte ich wahrscheinlich nicht anders gehandelt. Doch es fühlt sich dennoch so an, als hätte sie mich verraten. Ich weiß auch nicht genau.

Um mich abzulenken, fahre ich auf dem kürzesten Wege zum Polizeipräsidium, um mir Rachels verbliebene Sachen zu holen.

Angekommen Frage ich den Polizisten im Flur nach den Sachen. Er führt mich erst mit in die Asservatenkammer und reicht mir einen Karton, ehe er mich wieder hinausbringt und ich den braunen Karton im Kofferraum verstaue.

Dann fahre ich los und bin wenig später in meiner Wohnung. Allerdings bleibe ich dort nicht lange da Ben und ich zu den Jungs auf den Basketballplatz gehen. Etwas Sport treiben um den Kopf frei zu machen.

Nach fast drei Stunden bin ich verschwitzt und völlig ausgepowert zu Hause auf meiner Couch. Eine Dusche sorgt dafür, dass ich mich weniger ekelhaft fühle, ehe ich mir irgendeine Serie auf dem Fernseher anschaue.

Irgendwann fällt mir der Karton im Kofferraum wieder ein. Ich gehe schnell nach unten und hole ihn. Das erste, was mir entgegen guckt, ist ein T-Shirt und eine kurze Hose, verschiedene Make-up Artikel, ein Armband und ein Bild, das auf dem Kartonboden klebt. Es ist ein Ultraschallbild.

Wie versteinert halte ich das Bild zwischen meinen Fingern. Meine kleine Schwester war schwanger und das mit großer Wahrscheinlichkeit von Freddy. Er hat also nicht nur meine Schwester, sondern auch meinen Neffen oder meine Nichte auf dem Gewissen. Er hat an diesem Tag zwei Leben genommen.

Meine Schwester war Schwanger. Wahrscheinlich war das, ebenfalls einer der Gründe, warum sie von ihm weg wollte. Verständlich dem würde ich auch kein Kind zu trauen.

Ich kann es kaum fassen und sitze wie bescheuert auf meinem Sofa. Erst das klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Leicht schwindelig öffne ich die Tür und blicke in Anayas Gesicht.

"Hey" kommt es von ihr. Es ist immer noch so surreal, ihre Stimme zu hören.

"Hey komm rein", antworte ich und trete bei Seite.

Sie guckt sich etwas um und ich führe sie ins Wohnzimmer. Dort entdeckt sie natürlich sofort das Foto auf der Couch.

"Von, wem ist das?" Fragt sie verwundert und sieht mich an.

"Rachel" gebe ich als schlichte Antwort.

Sprachlos sitzt sie da. Ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Am liebsten würde ich sie jetzt einfach nur in meinen Armen haben und an nichts anderes denken.

"Es tut mir so leid, was alles passiert ist. Ich.. ich weiß nicht, ob du mir verzeihen kannst, aber wenn nicht, kann ich das verstehen. Ich hab dich angelogen und..und" sagt sie doch ich unterbreche sie. "Komm her" fordere ich sie mit offenen Armen auf.

Es dauert nicht lang und sie schmiegt sich an mich, während ich meine Arme um sie lege. Ihre Haare riechen nach Mango und am liebsten würde ich sie ganz fest an mich drücken. Ich platziere einen Kuss auf ihrem Haaransatz und wir sitzen einfach so da.

"Willst du hierbleiben?" Frage ich sie in der Hoffnung, dass sie ja sagt.

"Gerne. Aurelie ist die Nacht sowieso bei meiner Mutter" lächelt sie und ehe ich mich versehe, drückt sie mir einen Kuss auf die Lippen.

Wir legen uns gemeinsam gemütlich auf die Couch und sie krault meinen Nacken, während wir einen Film anschauen, dem wir eigentlich kaum Beachtung schenken.

"Du hast mir nie erzählt, was du eigentlich vor deinem Job im La Désir gemacht hast", werfe ich einfach so in den Raum, da mir dieser Gedanke im Moment durch den Kopf schwirrt.

Sie dreht ihren Kopf so zu mir, dass wir uns ins Gesicht gucken, ehe sie sich etwas aufrichtet. "Na ja ich bin mit meinen Eltern aufgewachsen. Kurz nachdem ich geboren wurde, verlor mein Vater das Gehör, weshalb wir alle die Gebärdensprache lernen mussten. Ich habe mein Abitur gemacht und wollte eigentlich studieren gehen. Plötzlich starb mein Vater allerdings kurz nachdem ich 18 geworden bin, und ich wurde ungewollt schwanger mit Aurelie. Meine Mutter fand von den Spielschulden meines Vaters heraus und musste deshalb wieder arbeiten gehen. Um sie zu unterstützen, habe ich den Job im La Désir angenommen allerdings habe ich ihr das damals nicht erzählt. Außerdem konnte ich wegen des mangelnden Geldes und aufgrund der Schwangerschaft sowieso nicht studieren gehen. Als ich 20 war, wurde ich noch einmal ungewollt schwanger allerdings von einem der Freier. Damals habe ich abgetrieben, weil ich es nicht gekonnt hätte. Mit einem Kind war es schon schwierig".

"Du hast wirklich schon viel durchgemacht. Bereust du heute die Abtreibung?" Frage ich vorsichtig nach.

"Ich weiß es nicht genau. Manchmal denke ich mir, wie es wäre, wenn ich es nicht getan hätte aber im Generellen war es damals die richtige Entscheidung. Heute würde ich es wahrscheinlich nicht machen" antwortet sie mir und schmiegt sich wieder an.

"Wollen wir vielleicht lieber ins Bett?" Frage ich sie und ehe sie antworten kann, hebe ich sie über meine Schulter und trage sie in mein Schlafzimmer.

Dort platziere ich sie auf meinem Bett und reiche ihr ein Shirt aus meinem Schrank zum Schlafen. Sie zieht ihres zusammen mit ihrem BH aus und meins drüber. Währenddessen kann ich nicht anders, als sie dabei genaustens zu beobachten. Von diesem Anblick kann ich definitiv nie genug bekommen.

La DésirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt