Kapitel 24

8 1 1
                                    

Routiniert lenkte ich mein Auto durch den Verkehr in der Innenstadt. Zum Glück blieben wir um diese Uhrzeit vor einem schlimmeren Verkehrschaos noch verschont. So dauerte es nicht lange, bis wir am Rande der Stadt angekommen waren und ich die Strecke auf einer Landstraße fortsetzen konnte. Wir ließen den Lärm, Smog und diesen Vollidioten Tom hinter uns. Was mich dazu verleitete Liah einen längeren Seitenblick zuzuwerfen.

Seit wir im Wagen saßen hatte keiner von uns beiden ein Sterbenswörtchen verloren. Erst war es völlig in Ordnung für mich; es brodelte innerlich in mir, weil es nicht mal eine Genugtuung war den mit Blut verschmierter Nase und fluchendenden Tom im Rückspiegel zu betrachten, während ich mit Liah einfach losgefahren war.
Doch inzwischen war ich runter gekommen und die Stille im Auto wurde wirklich drückend.
Liah hatte die Hände auf ihrem Schoß zusammengefaltet und sah gedankenverloren aus dem Fenster. Sie schien wohl nicht einmal zu bemerken, dass ich immer wieder kurz zu ihr rüber sah. Ich hatte viele Vorstellungen gehabt wie dieser Tag laufen könnte, doch diese Richtung die er einschlug war definitiv nicht dabei gewesen.

"Möchtest du lieber doch zurück?", brach ich schließlich endlich die Stille. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Liah sich mir doch plötzlich zuwandt. "Was?!"
Doch diesmal hatte ich stur den Blick auf die Straße geheftet.
"Na, ich kann schon verstehen wenn es dir lieber wäre, wenn wir wieder umkehren"
"Nein ich-" Erneutes, kurzes Schweigen. "Es tut mir Leid Jesse. Ich wollte nicht dass du da mit reingezogen wirst"
Ihre Stimme klang erstickt und veranlasste mich dazu, doch zu ihr zu sehen.
"Er war plötzlich aufgetaucht. Ich hatte keine Ahnung und weiß bis jetzt nicht, wie er mich eigentlich gefunden hat. Aber als du anriefst, konnte ich ihn trotzdem nicht zum Gehen bewegen und-" Hilflos sah sie mich an. "-ich hatte gehofft er würde mir nicht weiter folgen, wenn er erst einmal gecheckt hatte, dass ich mich mit dir treffe... Also mit einem Mann... Es war blöd von mir... Entschuldige... "

"Du musst dich nicht entschuldigen. Ich habe immerhin mitbekommen, wie schwer er sich abwimmeln lässt"
Ich versuchte locker und cool zu klingen. Auch wenn mir die Neuigkeit, dass sie eigentlich seine Verlobte gewesen war, schon irgendwie noch nachhing. In gewisser Weise, verstand ich ihre vorsichtige Haltung mir gegenüber nun noch ein bisschen besser. Immerhin zeigte es nur noch mehr, dass es ein wirklich großer Schlag für sie gewesen sein musste, als sie ihn mit einer Anderen erwischt hatte. Es hing mehr daran, als zuerst angenommen.

"Es tut mir trotzdem Leid. Ich hätte dich am Telefon zumindest vorwarnen können oder so. Aber ich war völlig neben der Spur als Tom vor meiner Tür stand und konnte nicht mehr klar denken."
"Mach dir keinen Kopf deswegen. Ist schon gut. Er ist der, der mit der blutigen Nase am Bürgersteig stand" Schulterzuckend schenkte ich ihr ein kleines Grinsen, ehe ich mich erneut auf die Straße konzentrierte.
"Jaaa, aber... Also, ich würde schon verstehen, wenn dir die Laune auf den Ausflug vergangen ist"
"Ist sie nicht", antwortete ich ohne Zögern. "Dir denn?"
"Nein", erwiderte Liah genau so schnell wie ich zuvor. "Ich habe mich eigentlich total darauf gefreut..."
Ich konnte nicht verhindern, dass mein Herz einen begeisterten Hüpfer bei ihren Worten machte. Die Befürchtung, dass das Auftauchen von Tom irgendwelche alten Gefühle bei ihr wachgerüttelt haben könnten, war wohl zum Glück unbegründet.
"Dann ist alles im Butter. Wir genießen den Tag und pfeifen auf diesen Idioten", verkündete ich überzeugt.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Nach etwa fünfzehn Minuten legte ich das letzte Stück auf einem schmalen, holprigen Waldweg zurück und Liah sah skeptisch zu mir rüber. Ich bemerkte ihren Blick sofort und musste schmunzeln.
"Hast du etwa Angst, Babe?"
"Eigentlich nicht. Wobei ich zugeben muss, dass es wohl eine ideale Location wäre um brave, unschuldige Frauen zu verschleppen"
Ich musste herzhaft bei ihrer trockenen Tonlage lachen und schüttelte amüsiert den Kopf.
"Kann es sein dass du zu viele Filme guckst?"
"Auf jeden Fall!", gab sie offen zu und lachte nun ebenfalls. "Aber gib zu, dass meine Tendenz nicht ganz an den Haaren herbei gezogen ist"
"Nein. Ich hab es doch gar nicht nötig, brave, unschuldige Frauen zu verschleppen" Keck sah ich zu ihr mit einem extra intensiven Augenaufschlag rüber. "Wie du siehst, kommen sie auch ohne Probleme freiwillig mit mir mit"

Two FacesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt