Kapitel 16

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Es war kurz nach zwanzig Uhr als Matt mit seinem Wagen vor der Bar hielt. Die Sonne war fast unter gegangen und so fiel der kleine, unscheinbare Laden zumindest durch seine billige Außenbeleuchtung auf. In roten Lettern erhellte das 'Wicked' die abgelegene Gasse und ich verfluchte Daniel jetzt schon dafür, dass er den Laden als 'schäbig' betitelt hatte. Obwohl ich noch keinen Fuß reingesetzt hatte, wusste ich jetzt schon, dass das die Untertreibung des Jahrhunderts war. Kein Wunder, dass selbst das Barpersonal es hier offenbar nur besoffen aushielt. Ich hatte schon seit dem Wochenende absolut keinen Ehrgeiz was diese Sache hier anging - doch beim Anblick dieser Spelunke war selbst das letzte Fünkchen Motivation dahin.

"Ne Stripbar?", kam das erste Argument von Matt, beim Anblick der Location. "Gut ausgesucht Jes. So haben wir wenigstens was zu gucken, während wir warten"
"Wir sind nicht zum Vergnügen hier. Du sollst verdammt nochmal wachsam sein", knurrte ich ihn regelrecht an und bedachte ihn mit einem mahnenden Blick.
"Ich wäre ja immer noch der Meinung, du solltest da nicht versuchen alleine zu ihm reinzukommen. Wer weiß wie der Typ tickt und ob nicht vielleicht jemand bei ihm ist. Ich vertraue zwar Daniels Urteil, aber man sollte immer mit unerwarteten Wendungen rechnen", merkte Seth vom Rücksitz aus an.
"Nachdem ich den Schuppen hier vor mir sehe, bin ich noch überzeugter vom Plan. Ihr haltet draußen die Stellung und gebt euch erstmal unscheinbar"

Seth war Anfang dreißig, groß gewachsen, top trainiert, hatte schwarzes Haar und dunkle Augen. Er bewahrte meist einen kühlen Kopf, war ein zuverlässiger und rational denkender Mann. Zwar war Matt nicht zu unterschätzen - immerhin hatte ich ihn nicht umsonst für heute mit eingeteilt - doch sollte es hart auf hart kommen, wäre er der Erste, der dafür verantwortlich war, dass wir hier wieder unbeschadet raus kamen.
"Gut, wie du meinst"
"Ich bin ja mal gespannt ob uns diese Aktion weiter bringt. Wenn nicht, wird Marco demnächst sicher Kleinholz aus uns machen", sprach Matt noch weniger aufbauende Worte aus. Ich wirbelte mit einem mörderischen Blick zu ihm rum.
"Ich mein ja nur. Langsam aber sicher dreht er gewaltig am Rad" Matt zeigte sich unbeeindruckt und zuckte mit den Schultern. Als ob ich das ohne sein unbrauchbares Kommentar nicht auch selbst gemerkt hätte...
Am Wochenende hatte es noch geheißen ich solle den Job bis Freitag erledigen - nun war Dienstag und der einzige Grund warum wir heute schon vor der Bar standen, war ein Wutausbruch von Marco heute Morgen gewesen. Er wollte noch bis Mitternacht wissen, ob dieser Sonny nun tatsächlich etwas mit Pérez zu tun hatte und ob sie womöglich mit der gestohlenen Lieferung zu tun hatten. Kurzerhand hatte ich also Matt und Seth zusammen getrommelt und hier waren wir nun.

Ohne weiter auf Matts Bemerkung einzugehen, öffnete ich die Beifahrertür und stieg aus. Die zwei anderen taten es mir gleich und Seth nickte mir entschlossen zu. "Dann sehen wir uns in ein paar Minuten drinnen"
Auch ich nickte zustimmend, sagte jedoch nichts und belies es dabei Matt mit einem letzten scharfen Blick zu fixieren. Er sollte sich da drinnen bloß nicht all zu sehr ablenken lassen. "Bleib locker. Wird schon alles schief gehen", grinste er nur unbekümmert und folgte dann Seth in Richtung des Wicked. Manchmal beneidete ich ihn regelrecht um seine unbeschwerte Lebensweise...

Ich wartete bis sie den Schuppen betreten hatten, ehe ich meine Zigaretten rausholte. Nachdem ich mir eine Kippe zwischen die Lippen geklemmt hatte, checkte ich mein Handy. Gut, keine weiteren, unangenehmen oder drängenden Nachrichten von Marco. Wie jedesmal in den letzten Tagen wenn ich mein Handy in den Fingern hatte, schweiften meine Gedanken ab. Zu niemand anderen als Liah. Was für mich schwer einzuordnen war; warum zum Teufel hatte sie sich innerhalb kürzester Zeit so in mein Gehirn gebrannt?! Und warum hatte ich ihr bisher nicht geschrieben...?
Gut, im Grunde wusste ich es. Es war nicht etwa eine blöde Masche - im Sinne von 'ich mache mich erst tagelang rar, ehe ich der Frau der Begierde eine Nachricht schicke'. Nein, viel eher war es mein Gewissen, dass jedesmal anklopfte, wenn ich im Begriff war ihr zu schreiben oder sie anzurufen.
Es führte mir wie ganz am Anfang vor Augen, dass Liah ein zu 'gutes Mädchen' war, um sie in irgendeiner Art und Weise in meine Welt rein zu ziehen. Sie hatte es nicht verdient...
Dass ich trotzdem immer wieder einen inneren Kampf ausübte und meine egoistische Ader versuchte Überhand zu erlangen, konnte ich allerdings nicht abstreiten.

Two FacesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt