Kapitel 41

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Als ich die Wohnungstüre aufschloss, dröhnten mir die Gitarrenriffs noch mehr um die Ohren. Schon als ich unten das Wohngebäude betreten hatte, waren sie zu hören gewesen. Doch das hier übertraf alles.
Mehr schlecht als recht kickte ich mir meine Schuhe von den Füßen, bevor ich wie von der Tarantel gestochen ins Wohnzimmer brauste, aus der die Musik kam. Ohne Umschweife drehte ich den Lautstärkeregler an der Stereoanlage runter.
"Hey!", brüllte Damian augenblicklich und kam aus der Küche geschossen.

Er trug eine seiner sonntäglichen Jogginghosen und sah mich empört an.
"Selber hey! Bist du wahnsinnig geworden die Musik so laut zu drehen?!"
Mit den Händen in die Hüften gestemmt, funkelte ich meinen kleinen Bruder an.
"Der Song ist genial!"
"Deswegen musst du auch nicht die gesamte Straße mithören lassen"
"Du übertreibst wie immer maßlos"
Ich verkniff mir ein Augenrollen.
"Im übrigen, schön dass du auch mal wieder vorbei siehst"

Damian sah mich eine Spur vorwurfsvoll an.
"Man könnte glatt meinen, du hättest mich vermisst", lachte ich auf. Als ob...
"Zumindest wartet schon jemand fast ne Stunde auf dich", ignorierte Damian galant meine Bemerkung.
Skeptisch zog ich eine Augenbraue nach oben.
"Wer denn?"

Mein Bruder machte mir mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ihm in die Küche zu folgen.
Lauernd betrat ich diese, warf meine Anspannung allerdings sofort ab, als ich sah wer dort am Küchenfenster stand.
"Der Song war übrigens wirklich super. Ich hab ihn angestachelt lauter zu drehen", sagte Daniel. Sein Cappy saß schief und die Hände hatte er in den viel zu großen Hosentaschen vergraben. Ein vertrauter Anblick.

Im ersten Moment hatte ich unsere kleine Auseinandersetzung gestern im Flame, fast vergessen. Erst als Daniels Blick immer zerknirschter wirkte, kehrte die Erinnerung daran zurück. Natürlich; ihn hatte sie vermutlich die ganze Nacht wach gehalten.
Ich trat an ihn ran und klopfte ihm locker auf die Schulter.
"Entspann dich und zieh nicht so ein Gesicht"
"Bist du nicht mehr sauer?"
Fast mitleidig sah ich ihn an. "Verdammt, du kennst mich echt zu lange um ernsthaft der Annahme zu sein, dass ich immer noch angefressen bin"
"Na bei dir kann man sich nie so sicher sein", meinte mein Kumpel schulterzuckend. Schließlich stahl sich aber sein gewohnt breites Grinsen auf die Lippen. "Frieden?"
"Klar - wie auch nicht"

"Seit ihr dann fertig mit rumschmalzen? Da wird einem ja regelrecht schlecht", warf Damian von der Küchenzeile in unsere Richtung.
Erst da merkte ich, dass er dabei war zu kochen. Er rührte in einem Topf und sah lauernd zu uns rüber.
"Was ist denn in dich gefahren, dass du den Kochlöffel schwingst?", ignorierte ich seine Spitze und trat zu ihm an den Herd.
Die Nudeln kochten und die Tomatensauce blubberte fröhlich vor sich hin.

"Ich hatte Hunger. Und außerdem keine Ahnung ob du überhaupt noch mal nach Hause kommen würdest"
"Es gibt so neumoderne, kleine Geräte. Nennen sich Handy. Ich dachte eigentlich, dass gerade du in der Lage wärst, eines zu benützen um mir zu schreiben oder vielleicht sogar anzurufen. Falls du denn ernsthaftes Interesse daran hättest, wo ich stecke"
Konzentriert fischte Damian eine Nudel aus dem Wasser. Während er kostete, glaubte ich schon fast, er würde auf meine Stichelei gar nicht eingehen. Doch dann wäre er eben auch nicht mein Bruder gewesen.

"Na ich dachte du wärst mal wieder dabei irgendeinen illegalen Scheiß abzuziehen. Dabei wollte ich nicht stören"
"Pass auf was du sagst", mahnte ich ihn.
"Warum? Er steckt doch selbst bis zum Hals in der Scheiße mit drinnen und weiß was du treibst" Damian deutete mit dem Kochlöffel in Daniels Richtung.

Ich wollte gerade aus der Haut fahren und meinen kleinen Bruder zurecht weisen, als Daniel sich mit lockerer Miene einmischte.
"Als ich allerdings hier aufgekreuzt war, wurde ihm bewusst dass ich wohl kaum hier nach dir suchen würde, wenn du geschäftlich unterwegs wärst. Weil ich dann ja vermutlich wüsste wo du wärst"
Er ließ es beinahe so klingen, als würde ich dienstlich meist irgendwelche stinklangweilige Vorträge auf Seminaren halten. "Und dann war er so nett und hat mich hier mal warten lassen"

Two FacesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt