Nach Elena's Abgang heute morgen könnte man meinen, ein Tag könnte nicht übler starten. Doch ich war gerade am anderen Ende der Stadt bei der Tür von Max's Bar raus, als mein Handy klingelte. Ich zog es aus meiner Hosentasche und sah auf das Display. Marco. Mit gerunzelter Stirn warf ich einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr.
Gut, es war erst halb elf. Ich war also nicht zu spät dran, um bei unserem Treffen für heute aufzuschlagen. Was also konnte er wohl wollen? Einen Moment keimte die Hoffnung auf, dass es womöglich abgesagt wurde.
"Hi Marco, was gibt's?", nahm ich ab um der Raterei ein Ende zu bereiten.
"Wo bist du?", fragte die kühle Stimme meines Boss'. Trotz seiner - wie üblich - kontrollierten Tonlage, merkte ich sofort dass er alles andere wie gut gelaunt war.
"Ich bin gerade bei Max raus", erläuterte ich knapp.
"Gut, dann bist du ja nicht all zu weit weg. Das Treffen heute findet früher statt. Wie abgemacht bei Antonio. Aber in einer halben Stunde"Genervt verzog ich das Gesicht und war froh dass er mich nicht sehen konnte. Mit ihm war nicht gut Kirschen essen und schon gar nicht wenn er mal wieder SO drauf war. Aber er warf mir meinen kompletten Tagesplan durcheinander. Eigentlich wollte ich vor dem Essen noch ein paar andere Läden abklappern. Doch so würde ich wohl oder übel gleich los müssen.
"Warum so plötzlich?", wollte ich dann doch wissen und ging über die Straße zu meinem schwarzen Camaro.
"Das erfährst du wenn du hier bist" Marco's Stimme war schneidend und duldete keine weiteren Fragen. "Also sei pünktlich!"
Mit diesen Worten legte er auf und ich senkte genervt mein Handy. Na prima, ich liebte solche Ansagen von ihm. Noch dazu wenn sie regelrecht nach Problemen schrieen. Kopfschüttelnd ließ ich mein Handy wieder in die Hosentasche gleiten und zog aus der anderen eine Schachtel Zigaretten hervor. Nachdem ich den ersten Zug des wohltuenden Nikotins eingesogen hatte, lehnte ich mich an die Motorhaube meines Babys und schloss für einige Sekunden die Augen. Was zur Hölle konnte so dringendes passiert sein? Eigentlich wollte Marco sich heute nur mit uns treffen, um abzuklären wie es mit den ausstehenden Zahlungen lief und ob alles in geregelten Bahnen ablief. Sein wöchentliches Update einfach. Doch so wie es aussah, musste wegen irgendwas wirklich Feuer am Dach sein.Immer noch grummelig wegen dieser Tatsache rauchte ich meine Zigarette angespannt zu Ende. Nachdem ich sie ausgetreten hatte, setzte ich mir meine dunkle Sonnenbrille auf die Nase und stieg in den Wagen. Von dem Wolkenbruch heute Morgen war keine Spur mehr und die Sonne begann allmählich ihre volle Kraft zu entwickeln. Eigentlich hätte ich mich unter diesen Umständen wirklich gefreut früher Feierabend machen zu können, doch mein Gefühl sagte mir, dass Marco mir da wohl einen Strich durch die Rechnung machen würde.
Ich drehte den Schlüssel rum und sofort schnurrte mein Camaro auf. Ich liebte dieses Auto einfach.
Zumindest davon ein wenig beflügelt, legte ich den Gang ein und trat ins Gas. Zügig fuhr ich die schmale Seitenstraße entlang in der Max's Bar lang und reihte mich am Ende in den inzwischen stockenden Verkehr ein. Die Stadt - die heute morgen noch so ruhig war - war inzwischen zum Leben erwacht. Zähflüssig ging es vorran und auch auf dem Bürgersteig wuselten die Menschen gehetzt aneinander vorbei. Die einen vollgepackt mit Einkaufstüten, die anderen gestresst auf die Uhr guckend mit dem Handy am Ohr. Dazwischen sah man - auf dem Boden sitzend - immer wieder Bettler und andere ausgelaugte Kreaturen um Geld bitten. Ich war bei diesem Anblick jedesmal aufs Neue froh, zumindest nicht in diese Liga geraten zu sein. Klar, mein Leben war jetzt auch keines wie es im Bilderbuch stand, doch ich konnte mir immerhin einreden, dass es noch übler verlaufen hätte können.Nach einer gefühlten Ewigkeit war ich schließlich endlich bei Antonio's Pizzeria angekommen und ich parkte mein Auto direkt gegenüber der Eingangstüre. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich immer noch ein wenig zu früh dran war. Doch besser so als anders, denn Marco hasste nichts mehr, als Unpünktlichkeit.
Immer noch mit der Sonnenbrille auf der Nase betrat ich das kleine, aber wirklich feine Lokal.
Antonio - der Besitzer - war ein Italiener wie er im Buche stand; klein, etwas rundlicher, an den Enden eingewirbelter Schnurrbart, herzlich aber manchmal auch temperamentvoll. Ich mochte ihn wirklich wahnsinnig gerne und er war neben seiner köstlichen Gerichte der Grund, warum ich so gerne hier her kam. Auch außerhalb unserer dienstlichen Treffen.
Wie erwartet war keine Menschenseele zu sehen und man hörte nur das Klappern von Tellern und Besteck aus der Küche. Für das Mittagsgeschäft war es dann doch noch zu früh und dass meine sogenannten Kollegen eher knapp zur abgemachten Zeit antanzten, war auch nichts Neues.
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Two Faces
RomanceJesse - siebenundzwanzig, gutaussehend und alles andere als ein gewöhnlicher Mann. Von der Vergangenheit geprägt, führt er ein Leben das alles andere als harmlos ist. Doch was passiert wenn er im Begriff ist dieses hinter sich zu lassen? Ist das übe...