Irgendetwas spürte ich auf meiner Haut. Ein leichtes Kitzeln auf meiner Brust. Kaum mehr als ein Hauch. Doch es reichte aus, um mich endgültig wach zu bekommen.
Langsam öffnete ich meine Augen einen Spalt breit. Als ich meinen Kopf träge zur Seite legte, blickte ich in dieses warme Braun, dass sofort ein wohliges Gefühl in mir auslöste.
"Morgen, Babe"
"Guten Morgen"
Liahs Fingerspitze die sachte über meine Haut gewandert war, hielt augenblicklich inne.
"Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht wecken"
Verschlafen blinzelte ich.
"Ich war ohnehin am wach werden", stellte ich klar.
Wie selbstverständlich hauchte ich Liah einen Kuss auf die Stirn und schloss dann erneut die Augen."Wie spät ist es?"
"Fast halb zwölf"
Ungläubig öffnete ich doch wieder die Augen.
"So spät schon?"
"Naja, es ist Sonntag und wir waren doch recht lange wach", lächelte Liah und ich merkte, wie sie mich genauestens musterte.
"Ich habe seit Ewigkeit nicht mehr so lange geschlafen"
Es war nichts Ungewöhnliches dass ich spät ins Bett kam. Doch acht Uhr war meist das höchste der Gefühle, was meine Schlafenszeit anging.
"Also hast du wenigstens gut geschlafen?"Ich drehte mich ganz kurz Seite und zog Liah näher zu mir. So nahe, dass ich meine Nase ohne Probleme in ihrem Haar vergraben und ihr ins Ohr flüstern konnte.
"So gut, wie schon lange nicht mehr. Deine Ruhe ist ansteckend"
"Meine Ruhe?"
Zwar konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, doch ich hörte, dass sie immer noch lächelte.
"Mhm. Du erdest mich", säuselte ich und genoss es, ihre Wärme zu spüren.
"Hast du deshalb in meinem Bett ausgeharrt?"
"Ja. Hat wohl tatsächlich etwas damit zu tun"
Für gewöhnlich hielt ich diese Nähe nicht lange aus. Fast automatisch ging ich auf Abstand. Doch bei Liah schien ich mich einfach nur pudelwohl zu fühlen."Ich werde noch rot"
Liah grinste mich an, als ich mich ein Stück von ihr löste um sie ansehen zu können.
"Du weißt das gefällt mir"
Vielsagend erwiderte ich ihr Grinsen.
"Hast du denn auch gut geschlafen?"
"Bis eben gerade wie ein Stein, ja"
"Und dann hast du beschlossen, mein 'gruseliges Tattoo' nochmal eingehend zu mustern?"
Wie schon im Waldhaus, hatte sie gedankenverloren die Linien auf meiner Haut nachgezeichnet.
"Ich finde es gar nicht mehr so gruselig. Eigentlich habe ich mich was anderes gefragt"
"Was denn?", wollte ich wissen und sah sie aufmerksam an.
"La Catrina"
Ich kräuselte die Stirn.
"Was ist damit?"
"Ich habe mich gefragt, wen du am 10. September 2008 verloren hast"Ohne dass es mir bewusst war, rückte ich kaum merklich ein Stück von Liah weg. Dass erneut dieses Tattoo ihre Aufmerksamkeit erregt hatte und sie diesmal auch das kleine Datum darunter bemerkt hatte, brachte mich wieder nahe an ein Thema, dass ich für gewöhnlich tot schwieg.
Liah hatte sich gemerkt, in welchem Zusammenhang dieses Bild stand und dann kombiniert.Ich wich ihrem Blick aus und hätte mich viel lieber im ihrem gut duftenden Haaren vergraben. Doch stattdessen drehte ich mich wieder auf den Rücken und musterte eingehend den Lampenschirm.
"Es hat mich nur interessiert weil..." Liah zögerte. Sie stockte. Und als ich es wagte erneut zu ihr zu sehen, wirkte sie plötzlich niedergeschlagen. Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe und in ihrem Blick lag Traurigkeit.Behutsam umfasste ich ihr Kinn und berührte mit dem Daumen ihre Lippe. Die Berührung verfehlte ihre Wirkung nicht. Sie sah mir in die Augen und hörte auf, auf ihrer Unterlippe zu knabbern.
"Warum?", hakte ich nach.
Zaghaft schüttelte Liah den Kopf. "Schon gut. Ich hätte nicht damit anfangen sollen"
Mein Blick wurde weicher, als sie hart schluckte und mir auswich.
Das Thema schien ihr nahe zu gehen. Genau wie mir. Vermutlich gab ich mir deshalb einen Schubs und antwortete nach kurzem Zögern: "Meine Mum"Überrascht sah Liah mich an. Ich war es ja selbst; für gewöhnlich machte ich ein halbes Staatsgeheimnis daraus. Weil einfach auch noch viel mehr dahinter steckte. Im Grunde war es der Anfang von all dem Übel gewesen.
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Two Faces
RomanceJesse - siebenundzwanzig, gutaussehend und alles andere als ein gewöhnlicher Mann. Von der Vergangenheit geprägt, führt er ein Leben das alles andere als harmlos ist. Doch was passiert wenn er im Begriff ist dieses hinter sich zu lassen? Ist das übe...