Kapitel 28

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Mit einem milden Lächeln nahm ich Liah das Handtuch ab. Allerdings vermied sie es immer noch mich anzusehen. Stattdessen zog sie sich ihren nassen und sicherlich schweren Kapuzenpulli über den Kopf.
Eingehend sah sie an sich hinunter. Offenbar war ihr erst jetzt gerade so richtig bewusst geworden, dass ihr Pulli sich definitiv nicht als Regenmantel eignete; das Shirt von mir dass sie darunter trug war ebenfalls komplett durchnässt und die Jeans klebte regelrecht an ihren Beinen.

"Komm mit. Ich habe noch ein Shirt übrig und mit ein bisschen Glück, passt du auch irgendwie in eine Hose von mir"
"Nicht nötig. Ich habe noch was in meiner Tasche. Da-"
Sie hob ihren Rucksack vom Boden hoch und klappte ernüchtert den Mund zu, als sie sah dass dieser ebenfalls nicht vom Regen verschont geblieben war. Der Inhalt darin würde wohl nicht sehr viel besser aussehen.

Ich nahm ihr die Tasche aus der Hand und machte ihr mit einer Kopfbewegung deutlich, dass sie mit mir mitkommen sollte. Ich stellte ihren Rucksack erst einmal im Badezimmer ab und ging dann den Flur entlang.
Liah schien eingesehen zu haben, dass ihr nicht wirklich eine Wahl blieb. Brav folgte sie mir in mein Zimmer.
Augenblicklich machte ich mich daran in meinen wenigen Klamotten die ich mit hatte, nach etwas Passenden für sie zu suchen.
Die Auswahl war allerdings mehr als klein und so kam außer einem weißen T-Shirt mit dunklem Schriftzug nichts anderes zum Vorschein.

Ich drehte mich zu ihr um und hielt das Shirt hoch.
"Das hier kannst du sehr gerne haben. Ne Hose oder Boxershorts habe ich leider auch nicht mehr übrig. Meine Jeans von heute Vormit-" Ich brach mit meiner Erklärung ab, als ich sah wie Liah die Hände auf ihre Oberarme gelegt hatte und diese rieb. 
"Zieh das nasse Zeug aus, Babe. Du erkältest dich sonst noch..."
Wie auf Kommando musste sie genau in diesem Moment niesen.
Sie sah mich verlegen an und sagte: "Schon gut. Das Shirt geht schon in Ordnung. Besser als gar nichts"

Zustimmend nickte ich und reichte ihr das Shirt. Ich wollte gerade das Zimmer verlassen, damit sie sich in Ruhe umziehen konnte, als sie mich im Vorbeigehen leicht am Arm berührte und mich somit zum Stehenbleiben bewegte.
"Also ich -", fing Liah zögerlich an. Aufmerksam sah ich sie an. Bestimmt wollte sie mich darauf ansprechen, ob ich sie nach Hause fahren konnte.
"- ich wollte mich entschuldigen, dass ich so aus der Haut gefahren bin..."
Überrascht riss ich die Augen auf.
"Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Ich bin der Idiot... An deiner Stelle wäre ich vermutlich wesentlich mehr explodiert", stellte ich die Angelegenheit sofort klar. "DU hast nichts falsch gemacht"

"Naja... Du hattest ja in gewisser Weise Recht damit, dass ich mir nicht zu viel darauf einbilden sollte und-"
Stop! Ich wollte davon gar nichts aus ihrem süßen Mund hören! Ich hatte mich wie ein Elefant im Porzellanladen aufgeführt und ihre Reaktion darauf war mehr als berechtigt! Schließlich hatte sie auch mit so ziemlich allem richtig gelegen, was sie gesagt hatte...
"Hör zu, du brauchst dich als Allerletzte für irgendwas entschuldigen. Mir tut es Leid... Ehrlich"
Bei dem letzten Wort vertiefte ich meinen Blick in ihre Augen noch mehr um ihm Nachdruck zu verleihen.

Stumm - aber nicht minder intensiv - erwiderte Liah meinen Blick. Es war wieder einer dieser Momente, in denen wir in den Augen des jeweils anderen zu versinken drohten. Egal war es, dass draußen ein halber Weltuntergang zu herrschen drohte und dass Liah immer noch in ihren nassen Klamotten da stand und den Fußboden volltropfte.
Der Drang sie erneut einfach an mich zu ziehen und sie zu küssen wurde dabei immer größer. Ohne groß darüber nachzudenken, trat ich einen Schritt auf sie zu und strich ihr eine feuchte Haarsträhne hinters Ohr.
Kurz zuckte sie bei der leichten Berührung unserer Haut zusammen, hielt meinem Blick aber immer noch stand.

"Sag mir nur eines ganz ehrlich", sagte Liah plötzlich und sah mich mit ernster Miene an.
"Was?", fragte ich leise und ließ dabei meine Hand in ihrem Nacken ruhen.
"Ist das hier für dich wirklich nicht einfach nur ein Spiel? Eine Masche?"
Kurz schloss ich meine Augen und seufzte schwer. Ich hatte so viel daran gesetzt, Liah dazu zu bringen mir vertrauen zu können. Und nun hatte ich Idiot es mit einem Schlag wieder zunichte gemacht. Es war als wäre alles auf Anfang zurückgesetzt worden.

Two FacesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt