Kapitel 23

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Mit einer schnellen Handbewegung zog ich den Zipp meiner Sporttasche zu und warf sie mir über die Schulter. Bevor ich das Schlafzimmer verließ, wagte ich noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Ich trug eine locker geschnitte Jeans, ein schwarzes Bandshirt und dazu passende dunkle Sneaker. Meine Haare hatte ich lässig nach oben gestylt und brachte meinen Undercut damit noch mehr zur Geltung. Ich war zufrieden mit meinem Spiegelbild und verließ das Zimmer. Als ich den Flur durchquerte, sah ich durch die offene Tür, dass mein Bruder immer noch im Badezimmer stand.
"Damian wir müssen los", drängte ich ihn erneut und sah dabei auf meine Armbanduhr. Er selbst musste in einer Viertelstunde in der Schule sein und ich wollte noch kurz bei einem von unseren Kunden vorbeisehen, ehe ich Liah abholen würde.

Damian kam mit wenig motivierter Miene aus dem Bad geschlurft. "Jaja, ich bin ja schon da. Entspann' dich mal"
Er war ein verdammter Morgenmuffel. Doch heute hatte ich dafür nicht wirklich Verständnis. Obwohl ich es sicher nicht offen zugegeben hätte, musste ich mir selbst eingestehen, dass das vermutlich an Liah lag...

Nach meinem Gespräch neulich mit Daniel, hatte ich ihr am selben Abend noch geschrieben und sie eingeladen, sich am Mittwoch Vormittag mit mir zu treffen. Auf ihre Frage hin, wo es denn hinging, hatte ich mich erst einmal in Schweigen gehüllt. Zwar konnte sie sich im Ansatz wohl zusammenreimen, was ich in etwa vor hatte - immerhin hatte ich ihr geraten Badesachen und genug Wechselklamotten einzupacken - doch dass ich im Sinn hatte sie beide Tage zu entführen, ahnte sie sicher nicht.
Da ich immer noch zwiegespalten war, hatte ich beschlossen erst einmal abzuwarten wie es laufen würde. Ich wollte Liah nicht überrumpeln und die Lage abwägen.

"Du hast fast ne halbe Stunde länger schlafen können, weil du nicht mit dem Bus fahren musstest. Zieh es also nicht noch unnötig in die Länge", tadelte ich meinen kleinen Bruder, als er sich extra gemächlich die Schuhbänder zuschnürrte.
Er richtete sich auf und klopfte mir einmal flüchtig auf die Schulter, bevor er nach seinem Rucksack griff.
"Bin ja schon fertig. Du kommst schon noch früh genug zu deiner neuen Ische"
"Es ist geschäftlich", log ich trocken.
"Klar. Darum kannst du es auch gar nicht mehr erwarten loszufahren"
"Ich muss pünktlich sein"
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Damian mich an. "Mhm. Und dein extra teures Parfüm legst du neuerdings zu geschäftlich Treffen auch auf. Ist klar..."
Er kannte mich eben doch zu gut...
Bestimmend öffnete ich die Haustüre und machte ihm mit einer Handbewegung verständlich, dass er rausgehen sollte.
"Ich hatte Lust darauf"
"Ja, sicher" Mit einem kackfrechen, zweideutigen Grinsen schob er sich an mir vorbei ins Treppenhaus.

Zum Glück schien er für weitere Sticheleien in diese Richtung tatsächlich noch zu müde zu sein. Den Weg bis zu meinem Wagen schwiegen wir uns an. Bisher hatte ich Damian kaum etwas davon erzählt, wenn ich mich mit Frauen traf. Doch mein Bruder war natürlich nicht blöd und ahnte in dieser Hinsicht sicher mehr, als mir vielleicht lieb war.
"Falls irgendwas sein sollte, kannst du jederzeit anrufen", erinnerte ich ihn noch einmal an meine Worte von gestern.
"Sofern du nicht gerade in einem ultra wichtigen Meeting steckst" Damian warf mir einen frechen Seitenblick zu, während ich gerade auf die Hauptstraße einbog.
"Ich lasse mein Handy auf laut geschaltet. Also jederzeit", ignorierte ich seinen Seitenhieb und den Sarkasmus darin.
"Ich bin keine fünf mehr. Ebenfalls nur noch mal zur Erinnerung"
"Ich weiß. Darum - ebenfalls noch einmal zur Erinnerung - keine Party oder sonstigen Blödsinn während ich weg bin"
Mit bemüht strenger Miene fasste ich ihn kurz ins Auge.
"Und nicht vergessen, mich hinter den Ohren zu waschen"
Zwar sah ich ihn nicht - weil ich mich auf den chaotischen, morgendlichen Verkehr konzentrierte - doch ich wusste trotzdem dass er genervt die Augen verdrehte.

"Ich meine es ernst. Keine verfluchte Party in meiner Wohnung"
"UNSERE Wohnung!"
"Lenk' nicht ab..."
"Man, du solltest dich ehrlich mal entspannen Jesse..."
Zügig fuhr ich auf den Parkplatz von Damians Schule und hielt an. Die ideale Gelegenheit ihn noch einmal streng anzusehen. "Keine Party. Kein Schuleschwänzen"
"Und bei dir kein Dienstausflug"
Dreist sah er mich mit seinen blauen Augen an. Ach was soll's...
"Kein Dienstausflug. Schon gut... Du benimmst dich trotzdem!"
"Jawohl Sir!" Wäre er bereits ausgestiegen, hätte er wohl bei diesen Worten salutiert...
Breit grinsend meinte er dann noch: "Dann ein fröhliches vögeln Bruderherz" Ehe ich dazu kam ihn dafür einen Spruch zu drücken, war Damian ausgestiegen und hatte die Autotür hinter sich zugeknallt. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete ich ihn, bis er im Schulgebäude verschwunden war. Von wem hatte er bloß diese große Klappe...

Two FacesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt