Es dauerte eine ganze Weile bis sich Jeongguk beruhigen und wieder klar denken konnte. Er war müde, hungrig und mit den Nerven am Ende. Er brauchte eine Pause, von allem eigentlich. Aber das wollte er nie akzeptieren.
Ich konnte es langsam wirklich nicht mehr sehen, wie er sich nach und nach mehr kaputt gehen ließ.Er saß nun stumm auf dem Sofa, Elin hatte eine Decke um seinen Körper gelegt, da er so zitterte.
Die ganze Zeit über starrte er nur in die Leere, gab keinen Ton von sich, egal was wir sagten.
Auf jegliche Fragen, was ihm passiert war ging er nicht ein. Als hätte man ihm den Mund zugeklebt.
Alles, was er uns in der ganzen Zeit kommunizieren konnte war, dass es Hunger hatte und seit morgens nichts gegessen hatte. Dieser Junge bereitete mir Tag für Tag mehr Sorgen.Ich stand ohne zu zögern auf und ging in die Küche, während Elin besorgt auf ihren Neffen Acht gab.
Ich starrte in die gähnende Leere des Kühlschranks und musste mit Schrecken feststellen, dass die beiden wirklich in ärmeren Verhältnissen lebten als ich vorerst dachte.
Mich überkam ein schwerwiegendes Gefühl der Trauer, als ich Jeongguk und seine Tante gemeinsam auf dem Sofa sitzen sah. Voller Sorge, alles war so bedrückt.
Und mal wieder fragte ich mich, was zur Hölle alles in der Zeit passiert war, in der ich nicht hier war. Ob ich es verhindern hätte können? Ich weiß, wahrscheinlich nichts von dem war meine Schuld und doch hatte ich das Gefühl, es hätte etwas mit meinem Verschwinden zutun. Alles, was ich wollte war das Wissen, was hier passiert war. Im Nachhinein konnte ich natürlich nicht ändern, was bereits geschehen ist, doch irgendwie wollte ich alles geradebiegen. Ich wollte doch einfach nur Jeongguk nicht mehr so leiden sehen.
Was, wenn es doch meine Schuld war? Was, wenn er mir genau deswegen nichts erzählte, weil er nicht wollte, dass ich Schuldgefühle bekam?
Wann würde ich endlich Antworten auf all diese verdammten Fragen bekommen?Ich entschloss mich kurzerhand dazu bei dem Sushirestaurant meines Vertrauens zu bestellen, da dieses glücklicherweise immer bis Mitternacht noch lieferte. Ich wählte gleich eines der größten Menüs, damit Jeongguk länger etwas davon haben würde. Und Elin natürlich auch.
Als ich das Wohnzimmer wieder betrat, schweifte Jeongguks Blick augenblicklich zu mir. Er schien aus seiner Starre erwacht zu sein.
"Ich habe dir Sushi bestellt.", sagte ich und setzte mich wieder zu ihm.
Er schüttelte sofort den Kopf.
"Geb doch kein Geld für mich aus. Ein paar Nudeln hätten wir doch auch noch gehabt." Seine Stimme war kratzig, leise.
Ich ging gar nicht erst auf seine Worte an und schenkte ihm stattdessen ein sanftes Lächeln. Er fing an zu schmollen.
Elins Mundwinkel bewegten sich nach oben und sie strich Jeongguks Rücken sanft auf und ab, während sie ein tonloses 'Danke' an mich hauchte.
"Nehm es einfach an, bitte. Ich würde es nicht machen, wenn ich es nicht wollen würde."
Er mied den Blickkontakt zu mir immernoch und spielte mit dem Ende der Decke herum.
"Außerdem weiß ich ganz genau, was du magst. Also sei still und freu dich lieber.", sagte ich und legte meine Hand an sein Handgelenk, woraufhin er leicht zusammen zuckte.
Sofort zog ich sie zurück und sah wie er sich auf die Lippe biss. Doch auch das hielt nur kurz an. Es musste schließlich wehtun, so aufgerissen wie diese war."Jeonggukie.. Ich weiß, du willst offensichtlich nicht darüber reden, aber.. Ich- nein wir machen uns wirklich Sorgen.", sprach Elin in die entstandene Stille.
"Es.. Ich..", Jeongguk seufzte, wusste scheinbar nicht, wo er anfangen sollte und stammelte stattdessen nur vor sich hin.
Sein Blick hebte sich, er sah zu Elin, dann zögerlich zu mir. Er hielt den Blickkontakt für wenige Sekunden und ich musterte seine Wunden im Gesicht. Er wurde geschlagen, das ist offensichtlich. War es sein Vater? Dieser seltsame Mann vom Parkplatz? Oder gab es jemanden von dem ich nicht einmal wusste, dass er existierte? Wundern würde es mich nicht..."Es ist eigentlich halb so wild. Es sieht schlimmer aus als es ist.."
"Jeon Jeongguk, bei Gott, kannst du bitte aufhören, deine Probleme so klein zu reden? Du wurdest offensichtlich von jemandem verletzt und das IST schlimm. Bitte reduzier deine Gefühle nicht, nur um uns besser fühlen zu lassen. Wir sind da für dich, also erzähl uns bitte einfach, was dir passiert ist und wer dir das angetan hat.", bettelte ich und er fing an schneller zu atmen. Hatte ich ihn überfordert?
"Es war so, dass.. Ich.."
Ein kurzer Moment der Stille zog über uns. Er dachte angestrengt nach. Ich war gespannt, ob er nun die Wahrheit erzählen oder eine Lüge auftischen würde. Beziehungsweise ob er sich überhaupt äußern würde...
"Ich war auf dem Nahhauseweg, hab Kopfhörer drin gehabt und bin durch die Innenstadt gelaufen. Dann wurde ich von so zwei Obdachlosen angesprochen, aber habe sie nicht gehört wegen meiner Musik.. Sie dachten dann, ich würde sie ignorieren und dann sind sie sauer geworden und auf mich losgegangen. Also die waren sicher auf irgendeinem Zeug, so wie die geredet haben, keine Ahnung.. Es ging alles so schnell, ich weiß doch auch nicht. Ich bin dann schnell weggerannt und sofort hier her gekommen. Das ist alles."
Elin und ich warfen uns ungläubige Blicke zu.
Wie ich schonmal erwähnt hatte: Jeongguk war ein schlechter Lügner. Manchmal erkannte man es an seiner bloßen Stimmlage oder alleine daran, dass sich deine Ohren rot färbten.
In dem Fall traf beides zu. Seine zittrige, unsichere Stimmlage kam zudem auch noch dazu.
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Punkt Eins || taekook
FanficDieses berauschende Gefühl, wenn das Herz ganz schnell klopft, jede Faser des Körpers unter Strom steht und einen vollkommen lebendig fühlen lässt - der Nervenkitzel. Für ein paar Minuten dem lästigen Alltag entfliehen und leben, über nichts und ni...