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Als mich Ashton am nächsten Morgen vor der Tür erwartet, bemerke ich die tiefen Ringe unter seinen Augen.
Hat er überhaupt geschlafen?Seine Miene ist so nichts sagend wie eh und je, als er mich in Richtung des Speisesaals geleitet. Von Venka fehlt jede Spur, doch ich vermute, dass sie wahrscheinlich anderswo gebraucht wird.
Der Speisesaal ist unerwartet voll. Überrascht wandern meine Augen den Raum entlang. Unzählige Personen sitzen auf den langen Holzbänken an Tischen. Kinder huschen lachend zwischen den Lücken umher, ihr Gelächter hallt in der Halle wieder. Blakely scheint nie anwesend zu sein. Weder während des Frühstücks, noch beim Abendessen.
Kaum eingetreten, wird Ashton bereits von Gillian und Francis umringt. Letzterer legt eine finstere Miene an den Tag, aber vielleicht ist das auch der einzige Gesichtsausdruck zudem Francis fähig ist.
Gillian hingegen lächelt ungetrübt und zwinkert mir zu, als sie zu mir tritt. "Wie ich höre, warst du es, die Falleen die Zahnbürste in den Oberschenkel gerammt hat. Gut gemacht!", sie boxt mir breit grinsend in die Schulter und ich spanne mich augenblicklich an und mustere sie aus zusammengekniffenen Augen.
Als sie meinen Blick bemerkt, erläutert sie unverblümt, dass Falleen ein arrogantes Miststück wäre und förmlich darum gebettelt hätte, dass ihr jemand einmal gründlich ihre Grenzen aufzeigt.
Gegen meinen Willen zupft ein Grinsen an meinen Mundwinkeln und ich mustere sie einmal von oben bis unten. Augen so blau wie die tiefsten Gewässer und Haut die stark an die Farbe von Kakao erinnert.
"Ich wette, Saige hat dir die Hölle heiß gemacht, nicht?"
Ich verziehe den Mund und winke ab, überlege dann jedoch ihr den Part, in dem sie mir die Pistole an den Kopf gehalten und gedroht hat mich zu erschießen zu erzählen, lasse es aber bleiben. Sie ist nicht deine Freundin, du Dummkopf.
An diesem Morgen besteht Ashton darauf, dass ich neben ihm sitze. Es überrascht mich immer wieder aufs Neue, wie mühelos er einen autoritären Ton anschlagen kann, der die ganze Bank zur Seite rutschen lässt, damit ein Platz neben ihm frei wird.
Ich werfe ihm einen bösen Blick zu und wende mich zur Seite, dorthin, wo gerade eben noch ein freier Platz neben dem kleinen Jungen von letztem Mal gewesen ist. Nur um zu sehen, dass dort jetzt eine junge Frau sitzt, die Gregory liebevoll über den Kopf streicht.
Mit einer bedacht neutralen Miene, lasse ich mich neben Ashton auf die Bank fallen. Ich sehe überall hin nur nicht zu Ashton. Zu meiner linken sitzt ein schwarzhaariger Mann der- das Kinn auf die Hand gestützt- scheinbar missmutig in etwas herumrührt, dass wie Haferschleim aussieht. Seine Arme sind so muskulös, dass er vermutlich ohne große Anstrengung die Schale vor ihm mit seinen bloßen Händen zerdrücken könnte.
Gerade als ich das denke, dreht er den Kopf und ich zucke zusammen. Die andere Hälfte seines Gesichts ziert eine große, wulstige Narbe.
"Gibt's ein Problem?", fragt er mit dunkler Stimme und rührt weiter in der Schale.
Ich schlucke, weigere mich aber den Blick abzuwenden. "Nein", erwidere ich und breche ein Stück von dem Gebäck ab, dass ich mir auf den Teller gelegt habe und schiebe es mir in den Mund.
Er mustert mich von oben bis unten und hebt eine Augenbraue, doch bevor er noch etwas sagen kann, stützt jemand von hinten eine Hand auf meine Schulter. Gleich darauf dringt Ashtons Stimme an mein Ohr.
"Na, na, Avery, du solltest gut aufpassen, mit wem du dich anlegst. Hunter hier...", er wedelt nachlässig mit der Hand in Richtung des Mannes, "...ist eine Nummer zu groß für dich, Kleine."
Ich winde mich aus seinem Griff und rolle mit den Augen.
"Was willst du, Ashton?"
"Dich vor einer gebrochenen Nase retten."Der Mann- Hunter- lehnt sich zurück und verschränkt die Arme auf der Brust. Er kann nicht älter als fünfundzwanzig sein.
"Als ob du mich davon abhalten könntest, Blake."
"Wenn du eine Wiederholung von damals möchtest, musst du nur fragen", fordert Ashton unbeeindruckt, als er sich ebenfalls zurücklehnt und wage auf sein linkes Auge und die Wange deutet.
Hunters Augen versprechen Ashton einen qualvollen Tod. Einen Augenblick, denke ich, dass er aufspringen und Ashton seinen Löffel in das Auge rammen wird. Doch er rührt nur weiter in der Schale.
Ich schlucke, als Hunter seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtet. "Man sagt, du hättest Falleen eine Zahnbürste in das Bein gerammt", er legt den Kopf schief, als er das sagt. Wie ein Habicht, der seine Beute mustert.
Weiß hier jeder davon?
Seine Miene nach zu urteilen, zweifelt er an dieser Aussage.
Seine Augen, als er mich einmal von Kopf bis Fuß mustert, sagen mir, dass er nicht glaubt, dass ich es wirklich getan habe.
Als würde ich mich jeden Moment über einen eingerissenen Nagel beschweren.
Ich sehe es in seinen Augen: Eine feine Dame wie du würde so etwas niemals machen.
Nur mit Mühe kann ich mich beherrschen und ihm nicht hier und jetzt seinen dummen Haferschleim in das Gesicht zu schütten.
Als ich ihn nur anstarre und schließlich ruhig: "Sie war mir nun einmal im Weg", entgegne, stößt Hunter ein kurzes, vollkommen unerwartetes Lachen aus. Er richtet den Blick auf Ashton und meint: "Die gefällt mir." An mich gewandt sagt er noch: "Eine Zahnbürste...naja, jedenfalls vier Punkte für Einfallsreichtum."
Es stellt sich heraus, dass Falleen tatsächlich kein sonderlich hohes Ansehen unter den Rebellen genießt. Wohingegen sie Saige mit sonderbarer und uneingeschränkter Anerkennung begegnen.
Ein dürrer Junge mit roten Locken lehnt sich von der gegenüberliegenden Seite des Tisches zu uns herüber. "Diese Frau ist der Wahnsinn. Schade, dass Falleen die einzige ist, der sie auch nur einen zweiten Blick geschenkt hat." Dafür erntet er einen Schlag auf den Hinterkopf von Gillian, die neben ihm genüsslich in ein Brot beißt. Francis, sitzt auf Ashtons rechter Seite. Beide Männer haben die Köpfe zusammengesteckt und flüstern miteinander. Ich unterdrücke ein Augenrollen bei diesem Anblick.
Ja ja, sie sind so verdammt wichtig und so verdammt geheimnisvoll.Dennoch erwische ich mich dabei, wie ich immer wieder versuche, etwas von ihrem Gespräch mitzubekommen. Mit dem Resultat, dass Francis meine Blicke bemerkt und noch leiser redet.
Irgendwann steht Francis auf und richtet seine Augen auf mich. "Lass uns gehen", ist alles, was er sagt.
Ich versteife mich und mein Herz beginnt zu rasen, aber ein überraschendes Gefühl von Trotz nistet sich in meinem Gehirn ein, also lecke ich mir genüsslich den Zuckerguss von den Fingern, als ich ihn frage: "Gehen? Wohin?"
Auf seiner Stirn pulsiert eine Ader und Francis knurrt. Ja, wirklich, er knurrt.
Ich hebe mit all meiner nicht vorhandenen Gelassenheit eine Augenbraue.Wenn ich ehrlich bin, macht mir dieser Typ mehr Angst als Ashton. Es ist, als würde aus jeder seiner Poren Gewaltbereitschaft strömen. Lieber gebe ich mich mit einem nervigen, arroganten Jungen ab, als mit einem Mann, der wirkt, als wäre das Quälen von kleinen Kindern sein Frühsport.
Doch als ich mich nach Ashton umdrehe ist dieser verschwunden.
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🫶🏻

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𝐭𝐡𝐞 𝐚𝐬𝐡𝐞𝐬 𝐲𝐨𝐮 𝐥𝐞𝐟𝐭
Romansa"Die Zukunft von Rawka steht auf dem Spiel, du kannst das doch nicht ernsthaft wollen!" "Rawka hat schon lange keine Zukunft mehr." Dies ist das zweite Buch der Reihe! Avery wurde von den Rebellen gefangengenommen. In ihrem Unterschlupf trifft sie a...