20

3.1K 185 44
                                    

- ANA -

Sein ungleichmäßiger Atmen streift meine Haut und ich schnappe ungewollt nach Luft. Ich möchte ihm nicht so nah sein, nicht jetzt, aber ich bin wie gelähmt und kann nichts gegen diese Nähe tun. Kann mich nicht rühren, kann nichts dagegen sagen.

„Was hast du hier zu suchen gehabt, Ana? Um diese Uhrzeit?" Daríos Blick ist hart und sorgt dafür, dass sich das Geschehen von gerade eben für einen Moment in den Hintergrund stellt.

„Ich ... ich..." Verdammt. „Das geht dich nichts an!" Endlich bringe ich etwas heraus, auch, wenn es um einiges unsicherer klingt als gewollt.

„Oh doch, Ana, und ob mich das etwas angeht." Die Stimme des Mafiosen ist schneidend und ich kann das Schluchzen nicht unterdrücken, das mir vorhin vor Schreck im Hals stecken geblieben ist.

„Sag es mir, Ana. Was hast du hier zu suchen gehabt?"

„Ich... ich..." Ich zögere, aber sein Blick ist so hart, dass ich dem Druck ungewollt nicht standhaben kann und nachgebe: „Ich wollte Geld verdienen."

Mein Gegenüber stößt ein Schnauben aus. „Geld verdienen? Um diese Uhrzeit und in diesem Viertel von Caracas? Wo solltest du -" Er hält Inne und Erkenntnis breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Oh nein, das kann nicht dein Ernst sein."

Der Klang seiner Stimme sorgt dafür, dass sich eine Gänsehaut, diesmal der unguten Art, auf meinem Körper ausbreitet und ein weiterer Schluchzer gefolgt von ein paar Tränen aus mir herausbricht.

„Verdammt, sag mir, dass das nicht wahr ist, Ana", knurrt Darío. „Sag mir, dass du nicht hier warst, um dich von irgendeinem daher gelaufen Typen vögeln zu lassen und so an Geld zu kommen."

Als ich nichts als ein weiteres Schluchzen von mir gebe, holt der Mafiose wütend mit der Hand aus. Erschrocken kneife ich die Augen zusammen, unfähig zu einer anderen Reaktion und mit der Erwartung, dass seine Hand gleich auf meine Wangen treffen wird. Die Erwartung trifft allerdings nicht ein. Stattdessen knallt seine Faust dem Geräusch nach zu beurteilen mit voller Wucht in die Hauswand neben mir, während er ein wütendes Knurren ausstößt.

Dann ist es einen Augenblick lang still und das Einzige, was zu hören ist, sind sein unregelmäßiger Atem und meine zittrigen Schluchzer, die einfach nicht aufhören wollen. Tausend wirre Gedanken schwirren mir durch den Kopf, auch wenn ich gerade so durch den Wind bin, dass ich die Gedanken nicht richtig war nehmen kann und auch Daríos Worte erst beim wiederholten Mal realisiere. „Ana, mach die Augen auf."

Nach kurzem Zögern tue ich wie befohlen und blicke ihm in die Augen. Noch im selben Moment tritt er einen Schritt zurück, so als hätte er gemerkt, was für eine Heidenangst er mir da gerade eingejagt hat und dass ich für den Moment Abstand brauche, um wieder normal denken zu können.

„Wir gehen." Die Worte klingen gepresst und für einen Augenblick wirkt es so, als wolle er nach meiner Hand greifen. Jenes tut er allerdings nicht, was meine Vermutung, dass er weiß, dass ich gerade alles außer Körperkontakt mit ihm brauche. Stattdessen lässt er seinen Blick über mich gleiten und läuft anschließend zum Ende der Gasse.

Ich folge ihm nach kurzem Zögern mit zittrigen Beinen und zwinge mich dazu, nicht zurück zu den Leichen zu blicken.

Unsicher, wie ich es bis dorthin geschafft habe, komme ich wenige Zeit später vor Daríos schwarzem Mercedes Benz zum Stehen. Der Mafiose hat sein Auto schon umrundet und öffnet nun die Fahrertür, um einzusteigen, während ich damit zögere ins Auto zu steigen und abwäge, ob das eine gute Idee wäre.

Schließlich steige ich allerdings nach weiteren Sekunden des Zögerns ein. Er wird mir nicht verletzten. Hätte er das tun wollen, hätte er vorhin die Gelegenheit genutzt. Das hat er allerdings nicht. Der Gedanke daran lässt mich ungewollt Sicherheit in Nähe des Mafiosen fühlen. Hastig schüttle ich den Kopf, um den Gedanken loszuwerden und ziehe lautlos die Beifahrertür hinter mir zu. Anschließend schnalle mich an und lehne meinen Kopf ans Fenster. Zeitgleich startet Darío den Wagen und braust die Straße hinunter.

Die Tränen haben mittlerweile aufgehört, über meine Wangen zu laufen und nun fließt Erschöpfung durch meinen Körper. Die Fahrt über muss ich mich mehrmals ermahnen, dass ich nicht einfach die Augen schließe und dem plötzlichen Verlangen nach Schlaf gebe. Es wäre falsch nach dem Geschehen von gerade und in der Anwesenheit von jetzt einfach zu schlafen, auch wenn Schlaf das ist, wonach mein Körper sich gerade mitunter am meisten sehnt. Schlaf und eine Umarmung. Eine Umarmung von Darío. Verdammte scheiße. Vorhin noch konnte mein Körper seine Berührung und plötzlich sehnt er sich danach. Ich verstehe es nicht. Was ist falsch mit mir und meinem Körper?

Ein Räuspern ertönt und lässt mich aus den Gedanken schrecken. Ich lasse den Blick schweifen und bemerke erst jetzt, dass der Wagen vor dem Santiago steht.

Schluckend blicke ich zu dem schwarzhaarigen Mafiosen, der mir mit einem ungewöhnlich unnahbarem Blick entgegenblickt, der einen herben Geschmack auf meiner Zunge hinterlässt. Ist er sauer? Ich weiß, dass es nicht die beste Idee war, an diese Weise an Geld zu kommen, aber ich habe und sehe keine andere Möglichkeit. Außerdem hat er nicht das Recht dazu, sauer deswegen zu sein. Es geht ihn überhaupt nichts an.

Ohne ein Wort des Abschiedes drehe ich mich von ihm weg und möchte die Beifahrertür öffnen, als ich beim Versuch dies zu tun, merke, dass sie verschlossen ist. Perplex blicke ich zu dem Mann neben mir, der sich ein Stück zu mir lehnt. „Ich glaube, Ana, du hast da etwas noch nicht ganz verstanden."

Er lässt seinen Blick über mich schweifen, ehe er mir fest in die Augen blickt. „Dein Körper ist mein und deine Seele ist mein. Du bist mein. Wenn du Geld brauchst, bittest du mich um Geld. Du gehst nicht in irgendeine Gasse, um dich dort für Geld vögeln zu lassen. Solltest du jenes noch einmal tun, bekommen wir beide Probleme miteinander." Darío kommt meinem Gesicht noch ein Stückchen näher. „Hast du das nun verstanden?"

Ich schlucke und bemerke, wie sein Adamsapfel verdächtig hüpft, als ich nichts erwidere. „Ob du mich verstanden hast, habe ich gefragt."

Ich möchte diskutieren und ihm sagen, dass ich sicherlich nicht ihm gehöre. Möchte ihn anschreien, was ihm einfällt, aber alles, was meinem Mund entkommt ist ein „Ja". Ein verdammtes Jahr. Keine Sekunde später vernehme ich ein Klicken, dass mir verdeutlicht, dass die Beifahrertür nun offen ist.

--

A/N:

Guten Morgen!

Wie geht's euch heute? Wie war euer Wochenende?

Meinung zu Darío in dem Kapitel?

Habt ihr schon Sommerferien?

Wünsche euch einen schönen Tag und eine hoffentlich angenehme Woche! <3

Du wirst mein seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt