Kapitel 3 - Schrecken

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Es heißt, dass zwischen Geschwistern eine besondere Verbindung existiere, welche sie sogar über die halbe Welt unterbewusst miteinander verbindet. Dass der eine spürt, wenn dem anderen ein Unglück geschieht. Bei Zwillingen soll dieses Band sogar besonders stark sein.Michael glaubte sein Leben lang nicht an solch übernatürliche Dinge, aber die Begegnung im Wald hatte sein Weltbild bereits erschüttert. Jetzt, da er ins Gesicht seines Bruders blickte, begann er, alles zu hinterfragen, und er verstand mit einem Schlag, was ihn so sehr an diese Mordserie fesselte. Was er jedoch noch nicht verstand, waren die Gründe für all dies. Doch er wollte es in den nächsten Minuten erfahren. Der verwirrte Ausdruck in seinem Gesicht spiegelte sich in jenem seines Bruders. Diese Begegnung hatte wohl keiner der beiden vorhergesehen.Während der Dampf aus dem Badezimmer kroch, wie Nebel über spätherbstliche Felder, wagte es niemand auch nur ein Wort zu sagen. Kein Muskelzucken, kein Blinzeln.


Dann nach einer schier unendlichen Zeit, brach Seth das Schweigen: „Dann warst du das also im Wald, was? Ich hatte mich schon gefragt, weshalb ich so ein komisches Gefühl hatte."Michael biss die Zähne zusammen. Der Lauf seiner Glock war immer noch auf seinen Bruder gerichtet: „Du erklärst mir jetzt sofort, was es mit all dem auf sich hat! Was machst du hier? Was ist dort im Wald geschehen und was war das für eine Kreatur?"Doch Seth antwortete nicht. Stattdessen ging er, nur mit dem Handtuch um seine Hüften gebunden, in Richtung Küche.


„Hey ich rede mit dir Bruder!", brüllte Michael und ging ihm schnellen Schrittes hinterher. Seelenruhig nahm Seth eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank.„Willst du auch eins?", fragte er, als ob die beiden einen gemütlichen Abend mit Football und Pizza vor sich hätten.


Michael verlor die Geduld und gerade, als sein Bruder den ersten Schluck aus der Flasche nahm, packte er ihn am Arm. Augenblicklich spürte er die Kälte von Seths Körper, die in seine Fingerspitzen eindrang. Doch er ließ nicht los.„Jetzt mal ganz mit der Ruhe Bruder! Wir haben uns lang nicht mehr gesehen. Freu dich doch über unser Wiedersehen!"„Was soll das alles hier? Erklär mir das!"„Wann war unser letztes Treffen? Ah, ich glaube, ich erinnere mich. Auf diesem Barbecue letzten Juni richtig? Da warst du doch in Begleitung dieser brünetten Texanerin oder? Wie hieß sie noch?"„Seth verdammt noch mal! Ich stand heute Nacht vor der Leiche einer meiner Studentinnen und alle Spuren führten hierher!"„Ach keine Ahnung. Ist zu lange her. Egal. Auf jeden Fall hatte ich was mit dieser Laura aus LA. Du weißt schon. Ich war ziemlich betrunken und hab's wohl nicht auf die dritte Base geschafft!"„Hör auf mit dem Quatsch! Du hast gesagt, dass du auch im Wald warst, also kannst du es nicht leugnen! Außerdem steht in der Auffahrt ganz offensichtlich der blaue Mondeo, in dem auch noch mein Handy liegt!"


Die beiden Brüder schienen völlig aneinander vorbei zu reden und bald überschlugen sich ihre Stimmen. Seth hatte gerade sein Bier abgestellt und erzählte vom Tag nach der Grillfeier. Oder zumindest von dem, an das er sich erinnern konnte. Dann, wie aus dem Nichts, drehte sich Seth plötzlich um seine eigene Achse. Michaels Griff löste sich durch die Bewegung und sein Bruder schnellte blitzschnell auf ihn zu. Mit seiner linken Hand traf er ihn mitten in die Magengrube und Michael war, als hätte sich ein fester Griff um seinen Magen gelegt. Paralysiert vom Angriff seines Bruders, konnte er sich nicht mehr wehren und wurde von dessen anderem Arm brutal an die Wand geschleudert. Kraftlos sackte er in sich zusammen und die Waffe glitt aus seiner Hand. Seth stand nun vor ihm. Doch in seinem Blick lag etwas, das er als Trauer oder Einsamkeit deutete.


„Es tut mir leid Mike. Ich will dich nicht verletzen, doch noch weniger will ich, dass alles herauskommt. Ich werde jetzt verschwinden."Ruhig trat er an den zitternden Michael heran und pickte die Glock neben ihm auf. Nach einem letzten Blick drehte er sich um und verließ dich Küche durch die zweite Tür. Oder zumindest hätte er das getan, wenn Michael nicht seine letzten Kräfte mobilisiert hätte und sich mit aller Kraft von der Wand abgestoßen hätte. Ein Schmerz durchzuckte seinen Brustkorb, doch noch während er durch den Abstoß über den Parkettboden glitt, schwang er sein rechtes Bein und erwischte Seths Füße. Unvorbereitet auf diesen Gegenangriff, fiel dieser ohne Gegenwehr zur Seite. Wie in Zeitlupe schaffte es Michaels Bruder noch, seinen Kopf nach hinten zu drehen und Michael sah sein überraschtes Gesicht. Schon in der nächsten Sekunde fiel er mit dem Kopf krachend auf die Arbeitsplatte der Küchentheke. Ein dumpfer Schlag hallte durch die dunkle Hütte und das Blut rann über die Kante.

Cubus - Dunkles VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt