Kapitel 13 - Das Ritual

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Der kleine schwarze Eingang entpuppte sich als langer gangähnlicher Korridor, dessen felsige Wände die Gruppe immer tiefer in den Untergrund führte. Durch die Dunkelheit, die nur durch die Taschenlampen erhellt wurde, konnte Michael das Gefälle fast nicht erkennen. Gohar ging mit einem ihrer Männer, einem gewissen Kristoff, voraus. Seth und Michael wurden von dem Muskelprotz begleitet, der bereits im Versteck eher unsympathisch gewirkt hatte. Die Nachhut bildeten ein dunkelhäutiger Kerl mit schwarzem Pferdeschwanz und Bianca, die einzige Frau der Gruppe abseits von Gohar. Die restliche Truppe wartete draußen am Eingang als Wachposten.„Der Fels führt uns immer tiefer hinein, aber bald schon sollten wir auf etwas stoßen, ich spüre es", meinte die Anführerin.


„Spürst du etwas?", fragte Michael nun seinen Bruder.„Ich äh. Ich weiß es nicht. Irgendwie, ja. Es ist merkwürdig. Ich fühle etwas Fremdes, aber es ist anders. Nicht so wie sonst. Nicht so fordernd, so einnehmend. Stattdessen spüre ich nur eine umschließende Präsenz, fast so, als würde mich ein Nebel umgeben."„Gut. Falls irgendetwas nicht stimmen sollte, sag es bitte, Bruder. Das Ritual wird anstrengend genug werden. Ich hoffe, dass wir bis dahin niemandem begegnen."Minutenlang wanderten sie durch die Finsternis. Glücklicherweise gab es in der Höhle nur wenige Abzweigungen. Diese waren in der Regel auch nicht besonders tief, weshalb sie schnell den richtigen Weg fanden. Die Luft war trocken und Michaels Anspannung steigerte sich mit jedem Schritt. Es war viel zu ruhig. Dafür, dass sie in das angebliche Zuhause einer Dämonenkönigin eindrangen, gestaltete sich ihre Reise zu problemlos.Als hätten Michaels Gedanken etwas ausgelöst, hörte er weiter vorne plötzlich ein Geräusch. Es klang wie das Hinabstürzen von Geröll.


„Still jetzt! Keiner bewegt sich!", befahl Gohar. Die Rebellen leuchteten durch den schmalen Gang, der nach oben hin jetzt mehrere Meter hoch war. Mit ihren Sturmgewehren durchkämmten sie jeden Zentimeter. Nur langsam schritt die Truppe schrittweise nach vorne. Michael fluchte innerlich über die Tatsache, dass Gohar ihnen keine Waffen geben wollte. Bei seinem Bruder konnte er das noch verstehen. Immerhin war immer noch dieser Inkubus in ihm, aber er selbst stellte keine Gefahr dar. Dann endlich, nach unsagbar anstrengenden Minuten, traten sie in eine weite Kammer. Die Decke wurde jetzt wieder etwas niedriger und man konnte den Fels erkennen. Die Höhlenkammer war gut zehn Meter breit und ebenso tief. Eigentlich gab es nichts, das ungewöhnlich aussah. Bis auf einen schmalen Spalt am anderen Ende des Raumes.


„Das muss es sein!", schrie Seth plötzlich euphorisch: „Ja, ich kann es spüren!"Er ging einige Schritte nach vorn.„Stop!", befahl Gohar, doch Seth gehorchte nicht. „Keinen Schritt weiter hab ich gesagt!"Michael rührte sich nicht, sprach aber seinen Bruder an. Er erhielt keine Antwort. War er in Trance?


„Hey, hast du nicht gehört, was die Chefin gesagt hat?", sprach der Muskelprotz und legte Seth die Hand auf die Schulter. Jetzt endlich blieb er stehen. Er drehte den Kopf zu ihm herum und Michaels Herz setzte einen Schlag lang aus. Die Hälfte von Seths Gesicht war von einer schwarzen Maske überzogen.


Noch bevor er reagieren konnte, wurde der Muskelprotz einige Meter nach hinten geschleudert. Augenblicklich richteten die verbliebenen Rebellen ihre Waffen auf Michaels Bruder. Vor ihm schien sich alles in Zeitlupe abzuspielen. Er sah, wie Seth die Arme zum Angriff hob und wie ein dunkler Nebel plötzlich aus ihm zu kommen schien. Er zog sich über seinen Rücken, hinauf zum Kopf, und er goss sich über seine Beine. Dr. Green hörte die Schreie und Befehle der Zurückweisung nur als dumpfe Klänge. Ohne nachzudenken, griff er blitzschnell in seine braune Tasche. Er machte einen Satz nach vorne und stand in Seths Rücken. Oder besser gesagt: Er stand an der schwarzen Nebelwand, die Seths Rücken sein sollte. Dr. Green zuckte ein paar Mal und musste unwillkürlich blinzeln, als die Rebellen einige Warnschüsse abgaben. Das Mündungsfeuer tauchte die Kammer in gleißendes Licht, als hätte eine Horde Fotografen den roten Teppich gestürmt, um die neueste Oscarpreisträgerin zu interviewen. Wie in Trance hatte Michael die Kappe der Spritze gelöst und hielt sie jetzt in seiner Faust. Sein Daumen ruhte schwer auf dem Kolben. Er hielt die Luft an und gerade, als sich das schwarze Wesen, das sein Bruder war, zu ihm umdrehen wollte, jagte er ihm die Nadel in den Nacken. Gerade, als die Spitze ganz in das Fleisch eingedrungen war, presste Dr. Green mit aller Kraft den Daumen auf den Kolben.

Cubus - Dunkles VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt