Kapitel 4 - Jaro

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Nisha hatte natürlich Recht mit ihren Vermutungen und wir fanden den Geruch des Gesuchten in einem Tesco Express. Er sah aus, wie sie ihn beschrieben hatte und nun war ich wirklich stolz auf sie. Wie sie von den dürftigen Fakten, die die Polizei hatte, auf sein Äußeres schließen konnte, war mir nicht klar, aber für mich zählten diese Spitzfindigkeiten nicht.
"Er ist süß", hatte ich Ivys viel zu hohe Stimme in meinen Ohren.
Verachtend sah ich sie an und schüttelte meinen Kopf, ließ es mir aber nicht nehmen, doch einmal genauer hinzusehen. Was war an ihm süß?
Seine Statur war absoluter Durchschnitt, nicht dick, nicht dünn und auch nicht besonders muskulös. Seine aschbraunen Haare waren nicht kurz und nicht lang, auch hier, absolut nichtssagend. Wie er sprach und sich bewegte, interessierte mich da schon viel mehr.
Abgehackte Mimik und verkrampftes Reagieren auf Situationen verrieten mir schon, dass er nie ehrlich war oder ein Geheimnis mit sich herumtrug.
„Anzai und ich übernehmen ihn", lachte Gabe und unsere Kolleginnen stimmten zu.
Irgendwann hatte es sich eingebürgert, dass wir die Männchen jagten und sie die Weibchen. Es hatte nichts Chauvinistisches, denn wir waren alle gleich stark, wir taten es eher aus Respekt den Opfer gegenüber. Auch wir hatten sexuelle Triebe und wenn ein Kampf besonders lang dauerte, konnte es schon einmal sein, dass wir unsere Lust nicht im Griff hatten. Ja, Blut und Angst erregten uns manchmal und das nicht wenig.

Gabes Vorgänger war es passiert, dass er bei einem Kampf einen Ständer bekam und sich nicht mehr beherrschen konnte, leider war das auch sein Untergang, denn die Dämonin riss ihm sein bestes Stück einfach vom Körper und er verblutete an Ort und Stelle. Es tat mir nicht leid, ihn so zu sehen, denn ich war nunmal, was ich war, ein Monster, das andere Monster jagte. So etwas wie Mitleid lag nicht in meiner Natur, auch wenn ich regelmäßig versuchte, mir und anderen das Gegenteil zu beweisen.
Er hatte versagt und seinen Körper nicht unter Kontrolle, so etwas passierte dann eben.

Gabe und ich verfolgten nun den Täter, unser Plan war einfach, sobald er alleine war, wollten wir ihn uns vornehmen.
Bei unschuldigen Menschen hatten wir den Auftrag, die Erinnerungen zu beeinflussen, aber solange wir ihn alleine erwischen würden, könnten wir uns das ersparen, denn dieser Eingriff war für uns sehr kräftezehrend.
Er war ein langweilig verliebter Junge, wie er diese Frau anbetete und sie es nicht einmal mitbekam, war einfach nur lächerlich.
Leise folgten wir ihnen und Gabe war schon ganz hibbelig vor Hunger.
„Beruhige dich, wir werden ihn schon noch bekommen. Lass ihm seinen letzten Moment der Ehre", verdrehte ich die Augen, eigentlich war ich nur an dem Gespräch interessiert.
Wie war es möglich dass eine junge Frau sich so dumm stellen konnte, oder wollte sie seine Gefühle nicht sehen?
„Sie tuscheln", unterbrach Gabe meine Gedanken und wir zogen uns in den Schatten zurück.
„Ich glaube, sie hat uns gesehen", knurrte er nun und wir beschleunigten unsere Schritte. Ein ängstlicher Serienmörder war sicher keine leichte Beute, dabei hatte ich mich so auf Fastfood gefreut.
„Ja, sie hat uns gesehen", brachte ich genervt hervor als ich die Beiden laufen sah und wir gingen nun wieder langsamer, es hatte keinen Sinn mehr sich zu beeilen. Seinen Geruch konnten wir hier überall wahrnehmen und mehr brauchten wir auch gar nicht. Kurz war ich geneigt, ihm noch ein letztes Opfer zu gönnen, aber auf der anderen Seite hatte ich keine Lust noch ewig zu warten. So wie er sich verhielt, würde er den Mord an ihr auskosten und da ich heute schon ziemlich müde war, entschied ich mich dagegen.
Vor uns verschwanden sie im Haus, aber Gabe zerbrach einfach das Fenster, dann gingen wir ihnen nach. Genau als wir beim Aufzug ankamen, ging er auf und wir stiegen ein.
„Das nenne ich einmal Service", witzelte Gabe, „Sie haben extra den Lift für uns gerufen, sehr fürsorglich", lachte er nun laut.
Im zweiten Stock stiegen wir aus, „Dritter", folgte ich meiner Nase und wir gingen die letzten paar Stufen zu Fuß.
Eine alte hellblaue Eingangstüre aus Holz war unser Ziel, da ich Manieren hatte, klopfte ich an. Einfach so hätte ich sie aufbrechen können, aber mein Chef lag mir schon oft genug in den Ohren, alles ein bisschen ruhiger anzugehen.
Natürlich meldeten sich die Zwei nicht, aber ihr Atem ging so schnell, dass wir ihn auch vor dem Haus hören könnten.
Wieder klopfte ich, nichts.
„Macht einfach auf, wir wissen, dass du hier bist", sagte ich genervt, ich hasste solche Spielchen.
„Oh, nein. Er beginnt mit seiner Lebensgeschichte", lachte Gabe nun auf und ich lauschte neugierig.
Sie war wirklich der Grund für alle seine Taten.
Jämmerlicher kleiner Wurm, nur weil er eine nicht haben konnte, waren alle anderen Schuld.
„Mach es uns nicht schwerer als nötig", Menschen mussten immer ein Drama aus allem machen und ich war schnell genervt. Wäre er einer von uns, wäre es viel schneller vorbei, aber Menschen waren immer so mitteilungsbedürftig. Immer musste man verstehen, wieso sie etwas taten, aber wen interessierte es denn wirklich?
Also mich nicht.
„Ich breche sie einfach auf, okay? Ivy hat sicher schon riesigen Hunger und ich habe keine Lust, mir ihren Vortrag anzuhören", merkte ich an und stieß dann einmal kräftig mit meiner Schulter gegen die wackelige alte Tür.

Verliebt in GrünWo Geschichten leben. Entdecke jetzt