Unangenehmes Gespräch

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Nachdem wir dann alle gegessen haben, räumen Mala und Marie den Tisch ab und helfen Tine, das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen, während Dad und ich unseren traditionellen und alljährlichen Sommerspaziergang machen. Schweigend und jeder in seinen Gedanken laufen wir langsam den Berg hoch, wo wir nach ungefähr zwanzig Minuten an einem wunderschönen Pavillon aus Metall ankommen. Dort setzen wir uns nebeneinander und können auf den ganzen Brienzer See blicken. Dad und ich hatten schon immer diese besondere Bindung, dass wir nicht zwingend miteinander reden müssen, um uns wohl zu fühlen. Ich schätze es an ihm, dass ich mich einfach neben ihm setzen kann, er nichts sagt und mir einfach nur Gesellschaft leistet. Dad ist derjenige, der dir, egal in welchen Zeiten, deine Hand hält und zu dir steht. „Was Leon vorhin beim Abendessen gesagt hat, war gemein. Ich werde mit ihm später darüber nochmal reden. Eure Mutter und ich haben euch so nicht erzogen", bricht mein Vater die Stille. „Musst du nicht, war echt nicht schlimm", versichere ich ihm und schaue ihn absichtlich nicht an, damit er nicht in meine Augen sieht, denn dann würde er sehen, dass ich gerade knallhart Lüge. „Schau mich an und sag mir das nochmal", fordert er auf, worauf ich seufze und ihn anschaue. „Ach Prinzessin, du weißt doch, dass du ehrlich zu mir sein kannst und mich nicht anlügen sollst, oder?", fragt er rhetorisch und legt sanft einen Arm um mich. „Ich weiß, Dad", nicke ich unnötigerweise, da ich es weiß und er ebenfalls weiß, dass ich es weiß. „Ich weiß, dass man das nicht von seinem Vater hören will, aber deine Mutter ist gerade nicht hier. Du siehst aus wie eine junge Dame. Eine sehr hübsche und intelligente junge Dame. Ich habe bemerkt, dass du in letzter Zeit ziemlich viele Workouts zuhause machst und seit zwei Monaten nicht mehr an unserem Süßigkeiten Schrank war, was ich erstens nicht in Ordnung finde, weil ich so alles alleine essen muss und zweitens ist es nicht schlimm, wenn du mal eine Tafel Schokolade isst. Deine Mutter hat während ihre Periode sogar zehn Tafeln an einem Tag verdrückt und ist immer so schlank geblieben, wie sie heute noch ist. Du musst deinen Körper oder dein Aussehen nicht verändern, weil andere sagen, dass du zu dick oder zu hässlich wärst. Denn das bist du auf gar kein Fall. Du bist schön so wie du bist, okay? Und wenn Leon noch einmal in irgendeiner Weise so einen Spruch bringt, dann werde ich mit ihm so ein ernstes Wörtchen reden, dass er nie wieder auch nur eine Sache an dir bemängelt oder dich anmotzt, dass du seinen Proteinpudding gegessen hast. Ehrlich gesagt habe ich mir die letzten Tage schon Gedanken gemacht, wie ich all die Jungs von dir fern halte, weil dich bestimmt jeder in deinem Alter anschauen wird", hält Dad mir einen Vortrag, worauf ich ihn ziemlich verstört anschaue. „Ich finde es echt toll, dass du mich so aufmuntern willst und schätze das auch irgendwo, aber jetzt bin ich verstört", mache ich ihm klar und lehne seufzend meinen Kopf an seine Schulter. „Es tut mir leid, nächstes Mal rufen wir einfach Mama an", schmunzelt er und zieht mich ein Stückchen näher an ihn. „Denkst du echt, dass mich alle Jungs anstarren werden?", hinterfrage ich nach einiger Zeit. „Naja, schau dich doch mal. Du hast lange Beine, einen trainierten Bauch, eine wunderschöne Stupsnase und wunderschöne blaue Augen. Und es tut mir jetzt schon leid, dass ich dir das sage, aber durch diese Workouts, hast du mehr Kurven bekommen. Und du bist jetzt in einem Alter, wo sich die Jugendliche generell umschauen und Erfahrungen sammeln wollen, was vollkommen okay ist", erklärt er drauf los. „Ich bin in drei Wochen 17! Das ist noch kein Alter, wo man mit seinem Vater über solche Dinge reden will", mache ich ihm klar und schüttle mich leicht, um klar zu machen, dass ich das gerade sehr unangenehm finde. „Du hast doch gefragt, Prinzessin", lacht Dad mich an, worauf ich auch leicht lachen muss. „Ich hatte heute eigentlich nicht vor, solche Gespräche mit dir zu führen, Paps", hole ich tief Luft, da ich das Gefühl habe, dass meine Lungen, durch das Lachen, unterversorgt sind.

Kurz bevor die Sonne untergeht und komplett verschwunden ist, machen wir uns wieder auf den Weg zurück, zu unserem Sommerhaus, wo Jamie und Leon wieder im Wohnzimmer sind und zocken und Mats und Tine am Tisch sitzen und irgendwas bereden. „Oh, ihr seid wieder zurück? Sieht von da oben noch alles so aus, wie vor einem Jahr?", will Tine neugierig wissen. „Joa, aber ich muss mir überlegen, ob ich nächstes Jahr nochmal mit Dad da hochgehen will", schüttle ich angewidert mein Gesicht. „Warum? Was ist denn passiert?", fragt meine zweite Mutter besorgt und schaut zwischen mir und meinem Dad hin und her. „Wir hatten ein paar Gespräche, die man normalerweise besser mit der Mama bespricht", merkt Dad lachend an und verschwindet in die Küche, wo er sich wahrscheinlich was zu trinken holt. „Oh Liebes, du hast doch mich. Du weißt doch, dass du für mich wie eine Tochter bist und ich gerne mit dir über solche Themen rede", lächelt mich Tine mitleidig an. „Ja, ich weiß. Es hat sich halt irgendwie so ergeben und es war auch nicht all zu schlimm", zucke ich lächelnd mit den Schultern und lehne mich an den Türrahmen. „Respekt auf jeden Fall an Marco, dass er das gemacht hat. Ich wüsste nicht, wie ich so ein Gespräch mit unserem Wirbelwind führen sollte", lächelt Mats mich an. Gerade in dem Moment kommt Dad wieder aus der Küche und hält zwei offene Coladosen in der Hand. Vor mir bleibt er stehen und gibt mir eine der Dosen, worauf ich mich bei ihm bedanke. „So Leon, kommst du bitte mal mit?", richtet sich Dad an meinen Bruder, der das alles nicht mitbekommen hat, weil er zu sehr in das Videospiel vertieft war. Allerdings hört er auch nicht auf das, was Dad ihm sagt, weswegen Dad lauter wird. „Leon Maximilian Müller!" Verwirrt und erschrocken dreht Leon seinen Kopf zu unserem Vater, der meinen Bruder autorisierend anschaut. Jamie drückt dabei auf Pause, damit sie das Spiel wahrscheinlich nicht verlieren und noch weitere Zombies abschießen können. Wie kann man das als Freizeitbeschäftigung akzeptieren? „Was denn?", kommt es fragend von meinem Zwillingsbruder. „Du kommst jetzt mit und wir reden mal", erwidert Dad darauf und hat so einen Ton aufgelegt, dass er keine Widerrede akzeptieren wird. „Aber Dad, das Spiel ist gleich vorbei", meint Leon dennoch. „Das ist mir egal. Du kommst jetzt mir und wir unterhalten uns über dein Verhalten, sonst lasse ich dich nicht in das Trainingscamp", zuckt Dad gleichgültig mit den Schultern, worauf Leon genervt seufzt und dann aufsteht.

Als die beiden dann aus dem Zimmer sind, fühle ich mich ein wenig schlecht, da ich eigentlich nicht will, dass Leon ärger bekommt. Vielleicht ändert er sich dadurch aber auch, denn eins ist klar, wirklich lange halte ich es mit dem Leon nicht mehr aus.

Tine und Mats verabschieden sich keine Minute später auch, da beide wohl ziemlich müde von der Fahrt sind. „Gute Nacht, Leiah", lächeln mich beide an und Tine gibt mir noch ein kleines Küsschen auf meine Wange. „Gute Nacht", wünsche ich ihnen ebenfalls. „Und auch dir eine Gute Nacht, mein Sohn", richtet sich Mats an Jamie, der das gleiche nur halb so freundlich wie ich erwidert. „Genau, gute Nacht Jamie. Kannst du mir bitte einen gefallen tun und nicht mehr all zu lange zu spielen?", bittet seine Mutter ihn, worauf er genervt nickt und die Konsole sogar ausstellt. „Danke, Großer", bedanke sie sich und schaut uns beide nochmal lächelnd an, ehe die beiden das Wohnzimmer verlassen und ich unschlüssig im Türrahmen stehe. Da ich noch nicht schlafen will, setze ich mich also kurzerhand an den großen Tisch und hole mein Handy raus. Während ich ab und zu einen Schluck von meiner Cola nehme, stöbere ich auf Pinterest herum, was ich wirklich oft mache. Meist fallen mir dadurch richtig gute Geschichten ein, die ich ab und zu auch aufschreibe. Manchmal finde ich dort aber auch Inspirationen für einen Tanz oder einfach schöne Sprüche über das Leben, die Liebe und andere Probleme. Ich häng auf Pinterest lieber ab, als auf Instagram oder TikTok, wie es alle anderen Teenager in meinem Alter machen. Aber mich stört das nicht. Ich bin noch nie so richtig mit dem Strom geschwommen.

Nach einer Weile bemerke ich, dass Jamie immer noch auf dem Sofa sitzt und sich keinen Millimeter bewegt hat. Aus Neugier drehe ich deswegen meinen Kopf zu ihm, wo ich ihn erwische, wie er mich von oben bis unten mustert. Mit roten Wangen schaue ich wieder auf mein Handy und versuche auf mein Leben klarzukommen. Jamie Evans, der Typ, in den ich gefühlt mein ganzes Leben verliebt bin, mustert mich gerade. Direkt fängt mein Herz an zu klopfen, meine Hände fangen an zu zittern und mein Magen dreht sich einfach voller Freude einmal um. Gerade als ich mich nochmal zu ihm drehen will, um zu schauen, ob er mich immer noch anschaut, kommen Leon und Dad wieder ins Wohnzimmer. Dad setzt sich auf einen Stuhl und Leon bleibt hinter mir stehen, weswegen ich mich verwirrt zu ihm drehe. „Es tut mir leid, dass ich vorhin so blöd zu dir war. Ich habe nicht nachgedacht und es war auch nicht böse gemeint", entschuldigt er sich, klingt aber nicht so, als hätte er aus seiner Tat gelernt. Da ich aber keinen Streit verursachen will und einen schönen Sommer möchte, nicke ich einfach nur und nehme seine Entschuldigung an. Leon geht daraufhin wieder zu Jamie, damit die beiden weiterspielen können. „Ich gehe dann mal ins Bett. Gute Nacht", setzt uns Dad in Kenntnis. „Ich komme mit, Paps", erwidere ich darauf und laufe mit ihm aus dem Wohnzimmer, nur um dann wieder ins Bad abzubiegen, wo ich mich bettfertig mache. In meinem Zimmer, dass ich mir mit Leon teilen muss, ziehe ich mir noch schnell ein kurzes, enganliegendes Top und eine meiner schwarzen Sporthosen an, ehe ich mich müde in das weiche, mir bekannte Bett, falle. Innerhalb von zehn Minuten falle ich in einen tiefen und traumlosen Schlaf. Gegen Mitternacht wache ich allerdings nochmal auf, da dort Leon ins Zimmer kommt und sich dann auch hinlegt. 

-Emma<3

Der Sommer meiner TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt