Zehn Minuten später kommt Leon dann breit strahlend in den Raum hinein und ohne, dass er irgendwas sagt, wissen alle schon, dass er für das Trainingslager der Profis zugelassen worden ist. „Ich habe es geschafft! Ich darf mit!", verkündet er, worauf alle aufstehen und ihn beglückwünschen. Da ich die Einzige wäre, die sitzen bleiben würde, stehe ich gezwungenermaßen auch auf und umarme Leon distanziert, da mir gerade einfach alles zu viel wird. „Herzlich Glückwunsch, Le", lächle ich ihn noch gespielt glücklich an, ehe die anderen Leon mit Fragen bombardieren. Da es keinem auffällt, was ich mache, was im Übrigen schon immer so ist, wenn Leon dabei ist, verschwinde ich mit gesenktem Kopf aus dem Wohnzimmer. Natürlich biege ich den Weg zu meinem Zimmer ein, allerdings knalle ich kurz davor gegen jemanden, der nach Wald, Zitrone und süßer Minze riecht. Ohne aufschauen zu müssen, weiß ich, dass es Jamie ist, da sein Parfum genauso riecht. „Nicht so stürmisch", schmunzelt er, weswegen ich kurz aufschaue und in Jamies blaue Augen schaue. „Sorry, habe dich nicht gesehen", nuschle ich und will weiter laufen, werde aber von Jamie am Handgelenk festgehalten. So sehr ich es auch schön finde, dass er mein Handgelenk berührt, ich kann meine Gefühle für ihn gerade nicht auch noch kontrollieren. „Du weinst, was ist denn los?", fragt er mich sanft und nimmt meine Hand richtig in seine. „Nicht so wichtig", versuche ich ihn abzuwimmeln und weiter auf den Boden zu schauen, weil ich nicht möchte, dass Jamie mich so schwach sieht. „Leiah, es ist anscheinend wichtig genug, dass du davon anfängst zu weinen. Was ist passiert?", will er wissen und klingt dabei sogar besorgt. „Ich...es...können wir in mein Zimmer gehen? Ich will dir das nicht hier sagen...", frage ich ihn leise, worauf ich aus dem Augenwinkel sehen kann, dass er nickt. Gemeinsam laufen wir in mein Zimmer, wo Jamie meine Hand nicht einmal loslässt. Traurig setze ich mich auf das Bett, was Jamie mir gleich macht und beruhigend mit seinem Daumen über meinen Handrücken streicht. „Also, was ist passiert?", fragt er mich erneut, worauf ich tief durchatme. „Leon darf in dieses Profi-Trainingslager", erkläre ich ihm. „Aber das ist doch gut, oder nicht?", hinterfragt er und schaut mich verwirrt an. „Nein...ja...ich mein für ihn ist es gut und ich freue mich auch für ihn..., aber Leon hat sich so verändert, wegen diesem scheiß Fußball und ich habe Angst, dass sich unsere Beziehung zueinander nur noch mehr verschlechtert. Zuhause...da machen wir kaum was zusammen, weil er ständig extra Training hat oder Joggen geht. Ich habe das Gefühl, dass ich ihm vollkommen egal bin in letzter Zeit. Er schließt mich aus seinem Leben aus und so sehr ich versuche, wieder eine Rolle in seinem Leben zu spielen, klappt es nicht. Ich brauche ihn, Jamie. Ich brauche meinen Bruder. Ich habe gehofft, dass wir in den Ferien uns wieder näher kommen und es vielleicht so wird wir früher, aber jetzt fährt er am Wochenende nach Bad Ragaz. Und ich bin wieder alleine. Ich hasse es, alleine zu sein", erkläre ich ihm und merke, wie mir nur noch mehr Tränen die Wangen runterlaufen. Schweigend hört Jamie mir zu und zieht mich am Ende einfach in eine Umarmung, womit ich nicht gerechnet habe. Sagen tut er nichts, er ist einfach nur da und hält mich in seinem Arm, was sich gut anfühlt und wodurch ich mich wieder ein bisschen beruhige.
Ein abruptes aufstoßen der Tür, lässt uns auseinander fahren. Erschrocken drehe ich mich zu Tür, wo ich Leon im Türrahmen stehen sehe und uns argwöhnisch und komisch anschaut. „Was ist hier denn los?", klingt er verwirrt, wobei ein wenig misstrauen in seiner Stimme liegt. „Leiah hat sich an der Hand verletzt und ich habe mir das mal angeschaut. Ist nicht so schlimm, tut nur ein bisschen weh", erfindet Jamie eine Notlüge und hört sich dabei sehr überzeugend an. „Oh, geht es wieder, Leiah?", fragt Leon mich, worauf ich einfach nur nicke. „Das ist gut. Jamie, alter, ich habe es geschafft!", erzählt Leon es meinem Crush, der darauf Lachend aufsteht und ihn umarmt. „Das freut mich für dich, Alter. Hast du dir verdient", beglückwünscht auch Jamie ihn. „Wann geht es denn los?", frage ich ihn darauf. „Am Freitag muss ich hier wegfahren", erklärt er mir, was mich einfach nur nicken lässt. „Ich gehe mir dann mal ein wenig Eis für meine Hand holen", finde ich eine Ausrede und dränge mich zwischen den beiden aus dem Zimmer. Warum muss mir das nur alles so verdammt weh tun?
*Zeitsprung, Freitag, 29. Juli*
„Pass auf dich auf, mein Junge. Und ruf mich jeden Tag an, ja? Sonst komm ich persönlich vorbei und schaue nach dem rechten", lächelt Dad stolz meinen Bruder an, den wir gerade zum Bahnhof in Interlaken gebracht haben. Die Evans' sind zuhause geblieben und haben sich dort schon von Leon verabschiedet, aber wir bringen ihn bis zum Zug. „Mache ich Dad, ich schicke auch viele Fotos, versprochen", kommt es aufgeregt von Leon. „Leon? Kannst du mir ein Autogramm von Stefan Bell mitbringen?", fragt Mala, worauf alle anfangen zu lachen, wobei mein Lachen eher erzwungen ist. „Ich schaue mal, was ich machen kann, Kleine", lacht Leon und drückt sie fest, was sie erwidert. Als letztes bin ich an der Reihe Leon zu verabschieden. „Bau keinen Scheiß, benehme dich und hab Spaß", lächle ich ihn leicht an, ehe er mich auch feste umarmt. „Ich habe dich lieb, Leiah", flüstert er in mein Ohr hinein, was meine Augen aufreißen lässt. Das hat er mir zuletzt vor vier Monaten gesagt. „Ich habe dich auch lieb, Le", antworte ich ihm leise, da ich Angst habe, dass meine Stimme bricht. Kurz darauf löst sich Leon schon wieder von mir und schnappt sich sein Gepäck. Ein letztes Mal winkt er uns noch zu, ehe er in den Zug einsteigt und zwei Minuten später der Zug auch schon losfährt. Dad, Mala und ich machen uns auf den Weg zurück nach Hause, wo wir nur Mats vorfinden, der mit einem Kunden wohl telefoniert, weswegen wir ihn gar nicht stören. Auf der Küchenzeile liegt ein Zettel von Tine, der uns in Kenntnis setzt, dass sie und Jamie einen Spaziergang machen. Müde und einfach nicht wissend, was ich mit mir anstellen will, hole ich mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und verschwinde in mein Zimmer, wo ich mir Musik anmache und einfach nur nachdenke.
Am Abend essen wir dann selbstgemachte Pizza, die Dad gemacht hat, und reden über alles Mögliche. Ich beteilige mich zwar nicht sehr an den Gesprächen, fühle mich aber dennoch ein bisschen besser, weil ich mich hier wohl fühle und der Sommer bestimmt noch schön werden kann. Nachdem Mala und Marie uns am Essenstisch noch eine Geschichte erzählt haben, räumen die beiden auch noch den Tisch ab, worauf ich nochmal nach draußen in den Garten gehe. Da dort schon Jamie ist und er mir die letzten Tage genauso begegnet ist, wie an dem Tag, wo wir angekommen sind, entscheide ich mich dann doch noch einen kleinen Spaziergang zu machen, ehe ich mich wieder ins Bett lege und versuche zu schlafen.
-Emma <3
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Der Sommer meiner Träume
ChickLitDie siebzehnjährige Taleiah (Leiah) Müller fährt wie jede Sommerferien mit ihrem Zwillingsbruder Leon, ihre vierzehnjährigen Schwester Mala und ihrem Vater in das Sommerhaus der Evans', die seit Jahrzehnten mit ihrer Familie befreundet sind. Dort s...