Teil 15 | Das Gespräch

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Sie schaut in meine Richtung während ich einen langsamen, tiefen und genüsslichen Schluck meines Getränkes nehme und sehe zufrieden zu wie ihre Mundwinkel runterfallen.
„Nicht ganz...", flüstert Anisa.

Noah klatscht ihre Hand wortlos von seinem Schenkel weg und starrt in meine Richtung.
„Wen hast du geküsst?", fragt Elias empört.

Unauffällig lege ich meine Hand auf Kyles und drehe meinen Kopf leicht.
„Es ist ein Geheimnis."
„Aber ich bin dein Bruder."
„Ja, das ist mir bewusst."

Bitte Kyle, spiel mit.
Gerade habe ich alle meine Karten offenbart und wenn er nicht mitmacht, bin ich wohl regelrecht am Arsch.
Plötzlich schlingt er seinen Arm um meine Taille.
„Dinge passieren im Leben."
Elias Kinnlage klappt nach unten,"Das fasse ich jetzt nicht. Ihr? Ihr zwei? Nein. Auf gar keinen Fall."
Genauso schockiert wie Elias ist Noah.
Ihm sehe ich das in den Augen an, Bryson nimmt genüsslich einen Schluck von seinem Becher.
Er hat meine Show direkt durchschaut.
„Also nicht, dass ihr jetzt denkt, ich hätte etwas mit jemanden hier. Ich war nur durstig."
„Schon klar."
Travis und Anisa sind eher weniger überrascht,"Wir wussten es!"
Anisa reicht ihre Hand zu Travis,"Einmal einen Zwanziger bitte, ich habe die Wette gewonnen."
„Ihr hattet eine Wette!?", fragen Kyle und ich gleichzeitig.
„Ja aber sowas von, mir war schon irgendwie klar, dass da bald was laufen wird.", Anisa steckt ihren Zwanziger ein.
„Ich hatte da eher meine Zweifel...", flüstert Travis.
„Wollt ihr nicht wissen wen ich hier geküsst habe?", fragt die Unbekannte nach.
„Also mich ganz sicher nicht.", ruft Elias händehebend in die Luft.
„Da stelle ich mich an, mich auch nicht.", sagt Bryson.
„Und ich habe Geschmack.", flüstert Jannik leise, aber zugleich auch deutlich.
Sie schickt ihm einen aggressiven Blick hin, doch er zwinkert mir zu und ich kneife mir daraufhin mein Lachen, ohne zu realisieren, dass meine Hand noch auf Kyles liegt.
„Ja dann schieß mal los, Marisol.", sagt Travis.
„Ist das nicht klar?", sie klimpert mit ihren Wimpern.
„Ich denke nicht.", Kyle kneift seine Augen zu.
Der Mann neben mir hat mich geküsst."

Mein Getränk fällt mir laut in das Wasser des Pools, das dazu führt, dass ich absolut nass gespritzt werde.
„Toll.", fluche ich und schaue Noah böse an, als hätte er Schuld daran.
„Ich geh mich abtrocknen."
Abrupt stehe ich auf und stampfe in das volle Haus rein.
Am Pool lasse ich erschrockene Gesichter sitzen.
Im Moment ist mir das aber egal.
Ich bin angetrunken oder betrunken - ich kann's nicht deuten und sauer auf Noah, nun das ist mir klar.

Und ich habe nicht mal einen Grund auf Noah sauer zu sein. Ich kann eigentlich gar nicht auf Noah sauer sein.
Mit voller Wucht stoße ich die Leute von mir weg, ein leichtes 'Hey pass' doch mal auf, blöde Schlampe!' kommt mir entgegen, doch ich ignoriere es.
Ich reiße die Türe zum Bad auf, laufe hinein und knalle sie Laut hinter mir zu.
Meine Hände lege ich am Waschbecken ab und schaue kurz in den Spiegel.

Ich schaue mein Kleid an und bemerke erst jetzt einen großen nassen Fleck.
Toll, das muss mir wohl gerade passiert sein.
Scheiße. Einfach nur scheiße.
Es ist alles scheiße, alles ist bullshit, einfach kacke, beschissen.
Natürlich muss der Fleck auch dunkel sein, perfekt.
Das passt ja alles perfekt zusammen.
Anders sollte es ja so nicht sein.
Ich hole mir Papierhandtücher aus einer Ecke, mache sie nass und reibe stark an meinem Kleid.
Ein lauter Seufzer platzt aus mir heraus.
Scheiße! Warum musste ich auch dieses beschissene Kleid anziehen? Es war eine schlechte Idee hierher zukommen. Es war alles schlecht.", jammere ich.
Nach unendlichem Reiben ist der Fleck nun noch schlimmer geworden.
„Das kann's doch nicht war sein!", schmeiße ich die nassen Tücher ins Waschbecken.
Hinter mir öffnet sich die Türe langsam, jemand läuft rein und schließt sie hinter sich ab.
„Verpiss dich.", fauche ich die Person an ohne sie anzuschauen.
„Das ist aber nicht nett.", sagt Alex.
Ich drehe mich mit einem langsam weinenden Gesicht zu ihm.
„Hey, was ist denn los?"
Er schaut mich besorgt an, doch ich breche nur in Tränen aus.
„Ich kann nicht mehr!", schluchze ich.
„Es ist mir alles so...einfach so...", ich bringe es nicht hin meinen Satz zu beenden.
„Zu viel?"
Ich nicke.
„Den Fleck bekommst du so nicht raus..."
Ich nicke wieder.
„Du hast dich heute super geschlagen!", versucht er mich zu ermutigen.
„Das habe ich...", ich schlucke kurz auf,"...auf gar keinen Fall.", ich schüttele mit meinem Kopf hin und her.
Alex nickt jedoch mit seinem Kopf.
„Doch klar.", sagt er voller Überzeugung.
Ich versuche mir die Tränen wegzuwischen, doch es kommen immer nur mehr.
„Du siehst mich immer heulen!", lache ich kurz auf, doch verstecke mein Gesicht danach.
„Das ist auch kein Problem!", er geht ein Schritt näher auf mich zu und umarmt mich.
Ich atme seinen Geruch ein,"Für mich schon...sehr...sogar."
„Mein Bruder ist ein Vollidiot, das kann ich dir sagen."
Es verweilt ein Moment der Stille, die schnell von Alex wieder unterbrochen wird,"Du musst nichts sagen. Ich verstehe das auch schon so. Nur, wenn dir jemand immer nur wehtut, dann solltest du dich distanzieren. Egal wer es ist, egal ob ich es bin oder mein Bruder, das spielt keine Rolle. Sarah, du musst deinen Wert sehen. Keiner darf oder soll mit deinen Gefühlen spielen."
Und ich nicke schon wieder.
„Ich werde es versuchen."
Nach seiner kurzen Rede habe ich mich ein wenig beruhigt, doch schlucke ab und zu unkontrolliert auf.
Alex trocknet mein Gesicht ab und konzentriert sich dabei ganz genau nicht alles zu verschmieren.
„Egal wer da war oder nicht da war, du bist Sarah Winters. Du sagst meinem Bruder deine Meinung, du hältst immer Widerstand, wenn dir etwas nicht passt. Du vertrittst deine eigene Meinung immer. Du bist so stark und das merkst du nicht einmal. Scheiß auf jeden, der dich schlecht behandelt. Scheiß auf alles, das dich runterzieht. Du hast die Kontrolle.", mit dem letzten Satz legt er seine Hände auf meinen Schultern ab und lächelt mich an.
„Du bist so toll, Alex. Weißt du das?"
„Ach, was würdest du nur ohne mich machen?", er lacht auf.
„Wahrscheinlich noch heulen oder high auf dem Boden liegen."
„High auf dem Boden liegen?", fragt er nach.
„Ja du weißt schon...die letzte Party, als du mich gerettet hast.", sage ich voller Mut und gleichzeitig Scham.
„Wie? Ich? Nein. Ich war doch gar nicht...das war doch...", er stoppt für einen Moment,"Er hat es dir nicht gesagt?", hakt er dumm nach.
„Wer? Was sollte man mir gesagt haben?", ich überkreuze meine Arme vor meiner Brust.
„Das ist nicht mein Platz, um dir das zu sagen...", er möchte gerade umdrehen, doch ich hebe ihm am Arm fest.
„Sag's mir, es geht ja schließlich auch um mich.", ich reiße meine Augen weit auf.
„Weder ich noch Elias noch Bryson haben dich gerettet. Das war Noah."
Ich lache und schüttele meinen Kopf,"Niemals, der ist doch gegangen. Ich hab's selber gesehen."
Elias sieht unsicher aus,"Er kam aber mit dir zurück."
„Aber...", ich stoppe kurz,"...die Person hatte einen Hoodie mit einem lilanen...Skorpion? an. Den hattest du auch an!"
„Sowas Ähnliches gehört mir aber nicht, Noah schon..."
Ich lege meine Hand auf meine Stirn.
„Deswegen war er wohl so zu mir...", flüstere ich.
„Aber das entschuldigt nicht sein Verhalten.", versucht Alex mich zu beruhigen.
„Es erklärt es aber."
Er nickt langsam.
„Ich glaube...ich muss mit ihm reden, ich fühle mich schon besser.", ich schwanke kurz.
„Das ist keine gute Idee!", Alex hebt mich an meinen Armen fest.
„Du solltest jetzt schlafen. Ihr geht ja schließlich bald...du weißt schon wen...suchen."
Ich nicke.
„Ja...du hast Recht."
„Komm, wir gehen nachhause. Ich glaube nach all der ganzen Sache sind wir alle müde geworden."

„Ich muss mich aber noch verabschieden.", ich reiße mich kurzzeitig von Alex ab, der mich jedoch wieder am Arm packt und aus dem Haus zerrt.
Die meisten Leute feiern und tanzen noch.
Sie sind voller Elan.
Und ich will eigentlich nur ins Bett - oder mehr trinken. Da bin ich mir nicht so sicher.
Ich steige in das Auto ein.
Neben mir sitzen Bryson und Alex.
„Wo sind die anderen?", frage ich und presse meine Augen zu.
„Jannik und Elias sind mit Noah schon gefahren."
Bryson schnallt mich an und gibt mir ein bisschen Halt.
„War ja klar, dass die nicht warten."
„Sassy.", haut Bryson heraus.
„Immer!", sage ich stolz und merke wie mein Alkohol nun wirklich rein kickt.

Am Haus angekommen werde ich praktisch ins Bad gezerrt, meine Routine wird von den zwei Jungs gemacht, außer natürlich das Baden.
Das habe ich schon für mich selber gemacht - wäre ja sonst komisch.
Sie halfen mir beim Zähneputzen, beim Zusammenbinden der Haare und beim Geradestehen.
Irgendwie war ich sehr angetrunken.
Sie bringen mich ins Bett und stehen jetzt an der Tür.
„Wir pennen wieder hier. Wenn du was brauchst, ich und Jannik pennen im Zimmer von Elias, Alex schläft in dem Gästezimmer unten. Schreib' uns einfach."
Ich nicke,"Gutes Nächtle.", ich kichere.
Sie machen das Licht aus und verlassen mein Zimmer.
Ich trinke vor dem Schlafengehen noch ganz viel Wasser und ich weiß, ich muss dann wohl um die tausend Mal pinkeln gehen, aber ich möchte nicht verkatert sein.
Ich lege mein Kissen aufrecht hin und versuche so einzuschlafen.
Nach mehreren Drehungen und Seufzern habe ich es auch geschafft.
Bloß - der Schlaf hält nicht lange an.
Eingeschlafen bin ich um Mitternacht, jetzt ist fünf Uhr morgens.
Obwohl, fünf Stunden Schlaf, das schmeckt schon, würde ich sagen.
Müde reibe ich mir die Augen und realisiere den Druck auf meiner Blase.
Ich springe langsam auf, mache meine Nachttischlampe an, latsche ins Badezimmer und pinkele erstmals.
Erleichternd atme ich aus und starre an die Decke.
Was wollte ich noch einmal vorhin machen?
Ich spüle, wasche meine Hände und trockne sie ab.
Langsam laufe ich zurück und starre an meine Tür.
Ohne groß nachzudenken öffne ich sie, stelle mich vor die gegenüber stehende Türe und halte kurz Inne.
Noah schläft bestimmt schon. Sarah, du kannst immer wann anders mit ihm reden.
Ich hebe meine Hand, balle sie zu einer Faust, als würde ich klopfen wollen und halte wieder Inne.
Nein, das ist so nicht richtig.
Ich entspanne meinen Arm, drehe mich abrupt um und stehe am Türrahmen.
Langsam öffnet sich die Tür hinter mir.
„Sarah?", fragt eine schläfrige Stimme.
Beschämt drehe ich mich um und schaue Noah an.
Er trägt kein T-Shirt aber eine rot-schwarz karierte luftige Hose.
„Alles okay? Ich habe was gehört..."
Ich nicke nervös,"Das war dann wohl ich...haha..."
Haha? Toll, Sarah. Du bist so unangenehm!
Starr nicht auf seine Brust.
Nicht starren.
Meine Augen wandern auf sein Oberkörper.
Scheiße.
„Ist etwas?", er hebt sich am Türrahmen fest und ich schaue seinen Arm an.
„Eigentlich...", ich widme meinen Blick zu seinen Augen,"...Ich wollte mit dir reden, aber es ist wohl zu spät. Gute Nacht.", haue ich schnell raus, drehe mich um und laufe in mein Zimmer rein.
Hinter mir schließe ich die Türe und presse meinen ganzen Körper gegen sie.
Was war das denn? Sarah, wie peinlich! Seit wann wirst du denn so weich? Was ist denn falsch mit dir?
Ich lausche und warte bis er die Tür schließt.
Nach einigen Minuten setze ich mich auf mein Bett und reibe mir über's Gesicht.
Ich bin so müde, eigentlich will ich schlafen, doch mein Herz rast so schnell, ich kann mich nicht konzentrieren.
Was ist mit mir los?

Abrupt stehe ich auf, reiße meine Tür auf, laufe gegenüber Noahs Tür, reiße sie auf und möchte hineinlaufen.
Noah steht jedoch vor mir, stoppt mich und schaut mich an.
„Ich muss mit dir reden!", ich schließe hinter mir die Türe und halte weiter Blickkontakt.
„Das hast du schon gesagt."
„Ich weiß.", ich schlucke und bin sprachlos.
Wie soll ich das jetzt sagen?
Super, Sarah, heute verdienst du den Preis des Konversationen-Checkers.
Ich öffne meinen Mund, doch schließe ihn wieder.
„Du warst es.", platzt es aus mir heraus.
„Ich war was?", er runzelt die Stirn.
„Du warst es mit dem lilanen Skorpion. Du warst da, du hast mich gerettet. Warum sagst du nichts? Warum...", ich arme tief ein.
„Du bist noch betrunken, komm wir reden morgen darüber, dann-"
„Nein!", unterbreche ich ihn,"Wir reden jetzt."

NoahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt